Bundesregierung (Österreich)
Bundesregierung | |
---|---|
Wappen der Republik Österreich | Bundeskanzleramt Sitz der Regierung |
![]() |
|
Stellung | Eines der obersten Organe des Bundes |
Staatsgewalt | Exekutive |
Gründung | 30. Oktober 1918 prov. Staatsreg.; 1. Okt. 1920 B-VG (Inkrafttreten 10. Okt.); 20. Nov. 1920 Ernennung erste Bundesregierung; (ursprünglich 1760 als Staatsrat begründet) |
Sitz | Wien 1, Ballhausplatz |
Vorsitz | Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) |
Bestandsgarantie | Art. 44 Abs. 3 B-VG (Prinzip der Gewaltentrennung) |
Website | www.bundesregierung.at |
In Österreich ist gemäß Bundes-Verfassungsgesetz die Bundesregierung neben dem Bundespräsidenten eines der obersten Organe der Bundesverwaltung. In ihrer Gesamtheit ist sie ein Kollegialorgan, das durch Beschlüsse entscheidet. Ihre Mitglieder sind der Bundeskanzler, der Vizekanzler und die Bundesminister. Die im Zusammenhang mit der Regierung oft genannten Staatssekretäre sind formal nicht Regierungsmitglieder, sondern Hilfsorgane der Minister, ebenso die Kabinettschefs. Nicht alle Minister leiten auch ein Ministerium.
Funktion und Stellung im politischen System
Ernennung und Entlassung
Die Bundesregierung wird seit 1929 vom Bundespräsidenten ernannt (bis dahin wurde sie seit 1920 vom Nationalrat gewählt), wobei er bei der Ernennung des Bundeskanzlers an keine rechtlichen Vorgaben gebunden ist. Bei der Ernennung der übrigen Mitglieder der Bundesregierung ist er auf den Vorschlag des Bundeskanzlers angewiesen (wobei er die Ernennung jedoch verweigern kann). Mit ihrer Ernennung und Angelobung ist die Regierung unmittelbar voll funktionsfähig. Eine gesonderte Bestätigung durch den Nationalrat ist nicht erforderlich. Da jedoch der Bundespräsident infolge eines Misstrauensvotums des Nationalrats verpflichtet wäre, die Bundesregierung zu entlassen, sind die parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse bei ihrer Ernennung von ausschlaggebender Bedeutung. (Bei Nationalratswahlen pflegen die Parteien ihre Spitzenkandidaten als künftige Bundeskanzler zu bewerben; dies stellt sich in der Realität je nach Wahlergebnis als Vorgabe für den Bundespräsidenten dar.)
Von dieser rechtlichen Verpflichtung abgesehen, kann der Bundespräsident den Bundeskanzler oder die gesamte Bundesregierung jederzeit entlassen. (Dies wäre allerdings nur sinnvoll, wenn der Bundespräsident sicher sein kann, dass die von ihm angepeilte Alternative vom Nationalrat akzeptiert wird.) Die Entlassung einzelner Mitglieder der Bundesregierung ist wie ihre Ernennung an den Vorschlag des Kanzlers gebunden und findet formal auch dann statt, wenn Minister von sich aus ihren Rücktritt erklären.
Rechtsstellung der Bundesregierung
Die Bundesregierung ist in ihrem Wirkungsbereich eine als Kollegial- oder Gesamtorgan eingerichtete Verwaltungsbehörde.[1] Zur Beschlussfassung tritt sie im sogenannten „Ministerrat“ zusammen.[2] Bei Beschlüssen müssen mindestens die Hälfte ihrer Mitglieder anwesend sein. Obwohl rechtlich nicht gesondert festgelegt, müssen in der politischen Praxis Beschlüsse einstimmig getroffen werden.[3] Dies entspricht der höchstgerichtlichen Rechtsprechung.[4] In Hinblick auf diese Konventionalregel stellte Staatskanzler Karl Renner 1945 zwei kommunistischen Regierungsmitgliedern, die einen Beschluss nicht mittragen wollten, den Austritt aus der Regierung anheim, worauf diese keinen Einspruch mehr erhoben.
Die Protokolle des Ministerrates sind seit dem 30. August 2016 öffentlich auf der Seite des Bundeskanzleramtes einsehbar.[5]
Rechtsstellung der Regierungsmitglieder
Der österreichische Bundeskanzler ist Vorsitzender der Bundesregierung (im Sinne eines primus inter pares).[6] Eine formale Richtlinienkompetenz oder ein Weisungsrecht des Regierungschefs gegenüber den Ministern sieht das österreichische Regierungssystem nicht vor. Seine Rechtsstellung innerhalb der Bundesregierung wird jedoch durch sein Vorschlagsrecht bei der Ernennung und Entlassung ihrer einzelnen Mitglieder gestärkt. Seine politische Stellung hängt davon ab, ob er die Alleinregierung einer Partei führt oder auf seine Koalitionspartner Rücksicht nehmen muss.
Neben dem Bundespräsidenten und der Bundesregierung in ihrer Gesamtheit gehören auch ihre einzelnen Mitglieder (d. h. Bundeskanzler, Vizekanzler sowie Bundesminister) zu den obersten Organen der Bundesverwaltung (monokratische Organe). Als solche sind sie selbst nur an Beschlüsse der Bundesregierung – repräsentiert im Ministerrat – gebunden, und ansonsten weisungsfrei, d. h. keinerlei Auftrag von wem immer unterworfen, und nur sie den ihnen untergeordneten Behörden gegenüber weisungsbefugt (Ressortprinzip). Nicht als rechtlicher, wohl aber als politischer Auftrag ist es zu verstehen, wenn der Nationalrat einen Bundesminister durch eine Entschließung dazu auffordert, in einem bestimmten Sinn tätig zu werden, z. B. einen Gesetzentwurf vorzulegen.
Zur Unterstützung in den Amtsgeschäften können den Bundesministern Staatssekretäre beigegeben werden, die als Hilfsorgane des jeweiligen Bundesministers fungieren und damit ihm gegenüber weisungsgebunden sind. Sie sind rechtlich keine Mitglieder der Bundesregierung, haben als solche auch kein Stimmrecht, nehmen jedoch an Regierungssitzungen teil. In Koalitionsregierungen werden Bundesministern nicht selten Staatssekretäre der jeweils anderen Regierungspartei beigegeben. In diesem Fall bleibt die Weisungsgebundenheit des Staatssekretärs Theorie; in der Praxis fungiert er quasi als politischer „Aufpasser“ der Partei, die das Ressort nicht führt.
Aktuelle Bundesregierung
Die aktuelle Bundesregierung unter Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wurde am 18. Dezember 2017 von Bundespräsident Alexander Van der Bellen ernannt und angelobt.
Bundesregierungen (Kabinette) der Republik
Siehe auch: Liste der Bundeskanzler der Republik Österreich
Erste Republik (1918–1934) und Bundesstaat (1934–1938)
Staatsregierungen wurden 1918–1920 gewählt:
- Die Staatsregierung Renner I amtierte, von der Provisorischen Nationalversammlung Deutschösterreichs am 30. Oktober 1918 berufen, bis 3. März 1919.
- Die am 16. Februar 1919 gewählte Konstituierende Nationalversammlung wählte am 4. März 1919 die Staatsregierung Renner II.
- Sie wählte weiters am 7. Juli 1920 die Staatsregierung Mayr I, die am Tag des In-Kraft-Tretens des Bundes-Verfassungsgesetzes der Republik am 10. November 1920 in die erste Bundesregierung überging.
Bundesregierungen bestanden vom 10. November 1920 (In-Kraft-Treten des Bundes-Verfassungsgesetzes, siehe Bundesregierung Mayr I) bis zum 13. März 1938 (Inkrafttreten des „Anschluss Österreichs“ an das Deutsche Reich)
Die Bundesregierung Dollfuß regierte vom 5. März 1933 an ohne Parlament, schaltete im Zusammenhang mit den Februarkämpfen am 12. Februar 1934 die Opposition aus und setzte am 1. Mai 1934 die autoritäre Verfassung des Bundesstaates Österreich in Kraft. Außerdem wurden alle Parteien neben der Vaterländischen Front (VF) als Einheitspartei verboten, sodass alle folgenden Regierungen formal VF-Regierungen waren.
Zweite Republik (seit 1945)

Die Provisorische Staatsregierung Renner 1945 amtierte ohne parlamentarische Kontrolle vom 27. April 1945 (Österreichische Unabhängigkeitserklärung) bis zum 20. Dezember 1945 und bereitete die Nationalratswahl vom 25. November 1945 vor. Sie wurde von der Bundesregierung Figl I abgelöst, die vom 20. Dezember 1945 (dem Tag des vollen Inkrafttretens des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) nach dem Zweiten Weltkrieg) an amtierte.
Bundesregierungen der Zweiten Republik | |||||
---|---|---|---|---|---|
Regierung | Beginn der Amtszeit | Dauer der Amtszeit | Wahltag | Dauer der Regierungsbildung | Koalition / Parteien |
Regierung Renner* | 27. April 1945 | 237 Tage (0,65 Jahre) | – | – | ÖVP – SPÖ – KPÖ |
Regierung Figl I | 20. Dezember 1945 | 1419 Tage (3,89 Jahre) | 25. November 1945 | 25 Tage | ÖVP – SPÖ – KPÖ ** |
Regierung Figl II | 8. November 1949 | 1085 Tage (2,97 Jahre) | 9. Oktober 1949 | 30 Tage | ÖVP – SPÖ |
Regierung Figl III | 28. Oktober 1952 | 156 Tage (0,43 Jahre) | – | – | ÖVP – SPÖ |
Regierung Raab I | 2. April 1953 | 1184 Tage (3,24 Jahre) | 22. Februar 1953 | 39 Tage | ÖVP – SPÖ |
Regierung Raab II | 29. Juni 1956 | 1112 Tage (3,05 Jahre) | 13. Mai 1956 | 47 Tage | ÖVP – SPÖ |
Regierung Raab III | 16. Juli 1959 | 476 Tage (1,30 Jahre) | 10. Mai 1959 | 67 Tage | ÖVP – SPÖ |
Regierung Raab IV | 3. November 1960 | 159 Tage (0,44 Jahre) | – | – | ÖVP – SPÖ |
Regierung Gorbach I | 11. April 1961 | 715 Tage (1,96 Jahre) | – | – | ÖVP – SPÖ |
Regierung Gorbach II | 27. März 1963 | 372 Tage (1,02 Jahre) | 18. November 1962 | 129 Tage | ÖVP – SPÖ |
Regierung Klaus I | 2. April 1964 | 747 Tage (2,05 Jahre) | – | – | ÖVP – SPÖ |
Regierung Klaus II | 19. April 1966 | 1463 Tage (4,01 Jahre) | 6. März 1966 | 44 Tage | ÖVP |
Regierung Kreisky I | 21. April 1970 | 562 Tage (1,54 Jahre) | 1. März 1970 | 51 Tage | SPÖ |
Regierung Kreisky II | 4. November 1971 | 1454 Tage (3,98 Jahre) | 10. Oktober 1971 | 25 Tage | SPÖ |
Regierung Kreisky III | 28. Oktober 1975 | 1316 Tage (3,61 Jahre) | 5. Oktober 1975 | 23 Tage | SPÖ |
Regierung Kreisky IV | 5. Juni 1979 | 1449 Tage (3,97 Jahre) | 6. Mai 1979 | 30 Tage | SPÖ |
Regierung Sinowatz | 24. Mai 1983 | 1119 Tage (3,07 Jahre) | 24. April 1983 | 30 Tage | SPÖ – FPÖ |
Regierung Vranitzky I | 16. Juni 1986 | 219 Tage (0,60 Jahre) | – | – | SPÖ – FPÖ |
Regierung Vranitzky II | 21. Jänner 1987 | 1426 Tage (3,91 Jahre) | 23. November 1986 | 59 Tage | SPÖ – ÖVP |
Regierung Vranitzky III | 17. Dezember 1990 | 1443 Tage (3,95 Jahre) | 7. Oktober 1990 | 71 Tage | SPÖ – ÖVP |
Regierung Vranitzky IV | 29. November 1994 | 469 Tage (1,28 Jahre) | 9. Oktober 1994 | 50 Tage | SPÖ – ÖVP |
Regierung Vranitzky V | 12. März 1996 | 322 Tage (0,88 Jahre) | 17. Dezember 1995 | 85 Tage | SPÖ – ÖVP |
Regierung Klima | 28. Jänner 1997 | 1102 Tage (3,02 Jahre) | – | – | SPÖ – ÖVP |
Regierung Schüssel I | 4. Februar 2000 | 1120 Tage (3,07 Jahre) | 3. Oktober 1999 | 124 Tage | ÖVP – FPÖ |
Regierung Schüssel II | 28. Februar 2003 | 1413 Tage (3,87 Jahre) | 24. November 2002 | 96 Tage | ÖVP – FPÖ/BZÖ *** |
Regierung Gusenbauer | 11. Jänner 2007 | 691 Tage (1,89 Jahre) | 1. Oktober 2006 | 102 Tage | SPÖ – ÖVP |
Regierung Faymann I | 2. Dezember 2008 | 1840 Tage (5,04 Jahre) | 28. September 2008 | 65 Tage | SPÖ – ÖVP |
Regierung Faymann II | 16. Dezember 2013 | 884 Tage (2,42 Jahre) | 29. September 2013 | 78 Tage | SPÖ – ÖVP |
Regierung Kern | 17. Mai 2016 | 580 Tage (1,59 Jahre) | – | – | SPÖ – ÖVP |
Regierung Kurz | 18. Dezember 2017 | 15. Oktober 2017 | 64 Tage | ÖVP – FPÖ |
- * Provisorische Staatsregierung mit vollständiger exekutiver und legislativer Gewalt, allerdings anfangs nur in der sowjetischen Besatzungszone.
- ** Am 20. November 1947 schied die KPÖ aus der Bundesregierung aus.
- *** Laut offiziellen Angaben des Bundeskanzleramtes wurde am 17. April 2005 aus der ÖVP-FPÖ-Koalition eine ÖVP-BZÖ-Koalition.
Zeitleiste Bundesregierungen, Bundeskanzler und Vizekanzler seit 1945

Siehe auch
Weblinks
- Bundesregierung auf der Website des Bundeskanzleramts
- Regierungsprogramm 2017/2018
Einzelnachweise
- ↑ Erkenntnis des VwGH 0245/62 vom 24. Mai 1963 (VwSlg 6035 A/1963), Rechtssatz 4.
- ↑ Anton Pelinka: Das politische System Österreichs. In: Die politischen Systeme Westeuropas. 4. Auflage. VS, Verl. für Sozialwiss., Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-531-16464-9, S. 1019, S. 614.
- ↑ Bernd-Christian Funk: Einführung in das österreichische Verfassungsrecht. 10. Auflage. Leykam, Graz 2000, S. 257.
- ↑ Erkenntnis des VwGH 0245/62 vom 24. Mai 1963 (VwSlg 6035 A/1963), Rechtssatz 3 unter Hinweis auf Erkenntnis des VfGH vom 25. Juni 1951 (VfSlg 2149).
- ↑ Ministerratsprotokolle der XXV. Regierungsperiode - Bundeskanzleramt Österreich. 19. Dezember 2017, abgerufen am 22. Januar 2019.
- ↑ Die österreichische Verfassung gibt in Art. 19 Abs 1 B-VG vor: „Die obersten Organe der Vollziehung sind der Bundespräsident, die Bundesminister und Staatssekretäre sowie die Mitglieder der Landesregierungen.“ Das ist dahingehend zu interpretieren, dass Bundes- und Vizekanzler zu den Ministern zählen, was ihre Stellung als staatliches Organ betrifft.