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Berufliche
Anfänge92
und zu „Büchners Leonce & Lena“ (Abb. 56–57).12 1922 erarbeiteten Dicker und Singer
zudem das Bühnenbild für Ibsens John Gabriel Borkman, das am Staatlichen Schauspiel-
haus Berlin ebenfalls unter der Regie von Berthold Viertel aufgeführt wurde. Auch für
diese Aufführung haben sich Entwürfe von Dicker und Singer erhalten, bei denen die
fantasievollen, mit Schnörkeln versehenen Möbel auffällig sind.13 Nach ihrer Studienzeit
am Bauhaus setzten sie die Arbeit am Theater weiter fort.
3.2 Werkstätten Bildender Kunst GmbH, Berlin 1923–1926
Zu Ostern 1923 verließ Itten das Bauhaus, da er die sich seit 1922 abzeichnende Wende
zu einer Industrie-orientierten Gestaltungs- und Produktionslehre nicht befürwortete.14
Im Sommer suchten Dicker und Singer bereits nach einem Atelier im Raum Berlin und
verließen im Herbst 1923 das Bauhaus. Bei der Bauhaus-Ausstellung, die vom 15. Au-
gust bis 30. September in Weimar gezeigt wurde, waren bis auf einige Vorkursstudien
von Dicker vermutlich keine weiteren Werke der beiden ausgestellt (Abb. 58).15 Kritisch
schrieb Dicker zuvor an Anny Wottitz: „Hier wird eine Bauhausausstellung sein. Was
wirds da geben! Ich glaube es ist erledigt.“16
Am 12. Juni 1923 gründete Franz Singer die Werkstätten Bildender Kunst GmbH in
Berlin-Friedenau.17 1923 schreibt Dicker an Wottitz: „Allmählich beginnen die Werkstät-
ten zu werden, sehr langsam. Wir haben ein Atelier, Fehlerstr. 1., wo wir solange wohnen,
bis unsere Wohnung frei wird, eine vollständige Weberei[,] 3 Webstühle mit allem was
12 Franz Singer, Ansuchen um Verleihung der Befugnis eines Architekten, „Verzeichnis der von mir
geleisteten Arbeiten“, 31.7.1937, Original: ÖStA/AdR HBbBuT BMfHuV Allg Reihe PTech Singer
Franz Karl 08.02.1896 GZl. 71537/1937 Singer, Franz Karl, 08.02.1896, 1919–1938 (Akt (Samme-
lakt, Grundzl., Konvolut, Dossier, File)). Kopie: AGS.
13 Privatbesitz. Siehe: Makarova 1999, S. 72.
14 Vogelsang 1994a, S. 519.
15 Die Studie „Hell-Dunkel Verwerfung“ von Dicker wurde in dieser Ausstellung als Beispiel des Vor-
kurses gezeigt. Siehe: Winkler 2006, S. 22.
16 UAKKA, Brief Friedl Dicker an Anny Wottitz, undatiet, um 1923, Inv.-Nr. 13.710/3.
17 Ein Eintrag der Berliner-Börsenzeitung lautet: „32690 Werkstätten bildender Kunst Gesellschaft
mit beschränkter Haftung. Sitz: Berlin. Gegenstand des Unternehmens ist die Herstellung und der
Betrieb von Bauten nebst Einrichtung, von Theaterausstattungen und Kunstgegenständen jeder Art
und Verlag von Büchern. Stammkapital: 800 000 000 M. Geschäftsführer: Maler Franz Singer in
Weimar. Die Gesellschaft ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Der Gesellschaftsvertrag
ist am 12. Juni bzw. 18. August 1923 abgeschlossen. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so er-
folgt die Vertretung durch zwei Geschäftsführer. Die Geschäftsführer sind befugt, namens der durch
diesen Vertrag begründeten Gesellschaft mit sich die Anstellungsverträge abzuschließen. Oeffentli-
che Bekanntmachungen der Gesellschaft erfolgen nur durch den Deutschen Reichsanzeiger.“ Siehe:
Berliner-Börsenzeitung, 23.11.1923, S. 8.
© 2021 Böhlau Verlag | Brill Österreich GmbH
https://doi.org/10.7767/9783205213161 | CC BY-NC 4.0
Bauhaus in Wien?
Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Titel
- Bauhaus in Wien?
- Untertitel
- Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Autor
- Katharina Hövelmann
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21316-1
- Abmessungen
- 17.4 x 25.6 cm
- Seiten
- 492
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 9
- 1.1 Ein vergessenes Kapitel Wiener Design- und Architekturgeschichte 9
- 1.2 Forschungsstand 10
- 1.3 Quellenlage 15
- 1.4 Forschungsziele und Methodik 21
- 2 Dickers und Singers künstlerische Ausbildung im Zeichen von Kunstschulreform und Lebensreformbewegung 27
- 2.1 Die Zeit in Wien 27
- 2.1.1 Herkunft und Ausbildung bis 1916 27
- 2.1.2 Kunstschule Johannes Itten und Netzwerke 1916–1919 33
- 2.2 Studienzeit am Bauhaus in Weimar 1919–1923 47
- 2.2.1 Die Wiener Gruppe um Johannes Itten 47
- 2.2.2 Unterricht 56
- 2.2.3 Erste Architekturentwürfe – Vier Einfamilienhäuser 77
- 3 Berufliche Anfänge 89
- 3.1 Aufträge für Theater in Dresden und Berlin 1921–1922 89
- 3.2 Werkstätten Bildender Kunst GmbH, Berlin 1923–1926 92
- 3.2.1 Arbeiten für Die Truppe 107
- 3.2.2 Die Auflösung 114
- 4 Die Wiener Ateliergemeinschaft 1925–1938 117
- 4.1 Die Zusammenarbeit von Dicker und Singer 1925–1931 117
- 4.2 Architekturfachkenntnis im Hintergrund – Die AteliermitarbeiterInnen 134
- 4.3 AuftraggeberInnen 140
- 4.4 Strategien der Bewerbung 147
- 4.4.1 Axonometrie und Modell 147
- 4.4.2 Fotografie 154
- 4.4.3 Publikationen 157
- 4.5 Dickers und Singers Wege ab 1933/1934 162
- 5 „Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 173
- 5.1 Das Bauhaus als Basis 173
- 5.2 Zur Situation in Wien – Innenraumgestaltung und Architektur 175
- 5.2.1 Die Wiener Moderne um 1900 175
- 5.2.2 Wien in der Zwischenkriegszeit 177
- 5.3 Theorie und Anspruch der Ateliergemeinschaft 182
- 5.4 Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 185
- 5.4.1 Vom Einzelstück zur Typisierung – Frühe Möbel 1925–1929 185
- 5.4.1.1 Bauhaus und De Stijl als Vorbild 185
- 5.4.1.2 Verwandelbarkeit als Prinzip 202
- 5.4.1.3 Verbindungen zum Wiener Jugendstil und Biedermeier 210
- 5.4.1.4 Zwischen sozialem und künstlerischem Anspruch: Typisierungstendenzen 216
- 5.4.1.5 Möbeltischler und Hersteller 228
- 5.4.2 Wege zur Serienfabrikation – Stahlrohr- und Sperrholzmöbel 1929–1938 230
- 5.4.2.1 Der Stahlrohrstapelstuhl von Bruno Pollak 234
- 5.4.2.2 Stahlrohrmöbelentwürfe der Ateliergemeinschaft 238
- 5.4.2.3 Hersteller und Produktionsversuche der Stahlrohrmöbel 251
- 5.4.2.4 Entwürfe für die Firma Metz & Co 253
- 5.4.2.5 Sperrholzmöbel 261
- 5.4.2.6 Produktionsversuche der Sperrholzmöbel 264
- 5.4.3 Eine Welt für Kinder – Kindermöbel und Baukastenspiele 1927–1938 266
- 5.4.4 Leuchten und andere Metallarbeiten 289
- 5.4.5 Kachelöfen 302
- 5.5 Raumgestaltungen und Architektur 309
- 5.5.1 Verwendung von Farbe als Gestaltungsmittel 309
- |5.5.2 Intervention im Haus Moller von Adolf Loos und im dazugehörigen Garten 319
- 5.5.2.1 Ein neu entdeckter Möblierungsentwurf 319
- 5.5.2.2 Das Zimmer für Anny Wottitz-Moller 334
- 5.5.2.3 Das Gartenhaus 337
- 5.5.3 Wohnkonzepte auf kleinster Fläche 339
- 5.5.3.1 Einwohnräume 339
- 5.5.3.2 „Wachsende Häuser“ – Entwürfe für Kleinhauswohnbauten in Palästina 362
- 5.5.4 Fulminanter Höhe- und Endpunkt – Das Gästehaus Auersperg-Hériot 379
- 5.6 Epilog: Sozialer Anspruch oder Zeitgeist? – Eine kritische Bewertung 411
- 6 Resümee und Ausblick 417
- 7 Anhang 425
- 7.1 Quellentexte 425
- 7.2 Biografie Friedl Dicker / Franz Singer 428
- 7.3 Archive und Sammlungen 431
- 7.4 Literatur 436
- 7.5 Webseiten 473
- 7.6 Bildnachweis 477
- 7.7 Abkürzungen 480
- 7.8 Abstract 481
- 7.9 Register 482