Seite - 140 - in Bauhaus in Wien? - Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
Bild der Seite - 140 -
Text der Seite - 140 -
Die Wiener Ateliergemeinschaft
1925–1938140
4.3 AuftraggeberInnen
Obwohl sich die Ateliergemeinschaft stark bemühte, durch internationale Publikationen
eigens beauftragter Autorinnen in der Öffentlichkeit sichtbar zu werden, erhielt sie vor-
wiegend Aufträge in Wien. Franz Singer gibt – bis auf wenige Ausnahmen – auf seiner
Projektliste aus dem Jahr 1937 die Initialen der AuftraggeberInnen, die Straße und den
Ort des Projekts an. Im Abgleich mit den einzelnen Projektunterlagen im Archiv Ge-
org Schrom, die ebenfalls Namen und Adressangaben der AuftraggeberInnen aufweisen,
konnten die Angaben im Wiener Adressbuch überprüft werden. Über diese Einträge
konnten die Berufe der AuftraggeberInnen und der Zeitraum ihres Aufenthalts in der
Wohnung bestimmt werden.
In erster Linie war Dickers und Singers soziale Vernetzung in Wien Voraussetzung für
die erteilten Aufträge an sie. Ein großer Teil ihrer AuftraggeberInnen stammte aus Singers
enger und entfernterer Familie und dem Freundeskreis von Dicker und Singer. Einige
Freundinnen und Freunde, die Wohnraumgestaltungen in Auftrag gaben, kannten sie
bereits seit ihrer Jugend.
Die Wiener AuftraggeberInnen Erwin Ratz, Margit Téry-Buschmann und Anny Wot-
titz hatten wie Dicker und Singer eine Zeit lang am Bauhaus studiert bzw. gearbeitet und
waren somit besonders empfänglich für Dickers und Singers Wohnungsgestaltungen.
Für Anny Wottitz und Hans Moller, die seit 1924 verheiratet waren, wurde 1925 das
früheste auf Singers Werkliste angegebene Wohnungsprojekt realisiert. Darüber hinaus
wurde 1928 ein Möblierungsentwurf für ihr von Adolf Loos entworfenes Haus in Wien-
Pötzleinsdorf angefertigt. 1932 wurde in diesem Haus ein Zimmer für Anny Wottitz
eingerichtet. Dicker, Singer und Wottitz kannten sich bereits von der privaten Kunst-
schule Johannes Ittens. Annys Mann Hans Moller, der aus einer Textilfabrikantenfamilie
stammte, war seit der Schulzeit ein Freund Franz Singers. Auch die Eltern von Hans,
Alice und Hugo Moller, die die Textilfirma S. Katzau leiteten, gaben 1925/1926 und
1928 Raumgestaltungen in Auftrag.
Gisela Jäger-Stein107 (1897–1994), die mit ihrem Mann Paul Stein (1897–1962) 1932
eine Wohnungseinrichtung in Auftrag gab, hatte mit Dicker die Kunstgewerbeschule
besucht. Für Dolly Schlichter und ihren Mann Rudolf Kriser (1885–unbek.) wurde 1936
eine Wohnungseinrichtung ausgeführt. Dolly hatte wie Dicker das Schönberg-Seminar
besucht und war Schülerin des Pianisten Eduard Steuermann, der dem Atelier 1927
ebenfalls einen Auftrag erteilte. Steuermann war der Bruder der Schauspielerin Salka
107 Gisela Jäger-Stein betrieb von 1917 bis 1928 ein Atelier für Frauenkleider in der Czapkagasse 8 im
3. Bezirk, das von Oswald Haerdtl eingerichtet worden war. Danach verlegte sie ihr Atelier in die
Obere Donaustrasse 33. Siehe: AGS, Brief Gisela Jäger-Stein an Georg Schrom, 8.7.1988.
© 2021 Böhlau Verlag | Brill Österreich GmbH
https://doi.org/10.7767/9783205213161 | CC BY-NC 4.0
Bauhaus in Wien?
Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Titel
- Bauhaus in Wien?
- Untertitel
- Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Autor
- Katharina Hövelmann
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21316-1
- Abmessungen
- 17.4 x 25.6 cm
- Seiten
- 492
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 9
- 1.1 Ein vergessenes Kapitel Wiener Design- und Architekturgeschichte 9
- 1.2 Forschungsstand 10
- 1.3 Quellenlage 15
- 1.4 Forschungsziele und Methodik 21
- 2 Dickers und Singers künstlerische Ausbildung im Zeichen von Kunstschulreform und Lebensreformbewegung 27
- 2.1 Die Zeit in Wien 27
- 2.1.1 Herkunft und Ausbildung bis 1916 27
- 2.1.2 Kunstschule Johannes Itten und Netzwerke 1916–1919 33
- 2.2 Studienzeit am Bauhaus in Weimar 1919–1923 47
- 2.2.1 Die Wiener Gruppe um Johannes Itten 47
- 2.2.2 Unterricht 56
- 2.2.3 Erste Architekturentwürfe – Vier Einfamilienhäuser 77
- 3 Berufliche Anfänge 89
- 3.1 Aufträge für Theater in Dresden und Berlin 1921–1922 89
- 3.2 Werkstätten Bildender Kunst GmbH, Berlin 1923–1926 92
- 3.2.1 Arbeiten für Die Truppe 107
- 3.2.2 Die Auflösung 114
- 4 Die Wiener Ateliergemeinschaft 1925–1938 117
- 4.1 Die Zusammenarbeit von Dicker und Singer 1925–1931 117
- 4.2 Architekturfachkenntnis im Hintergrund – Die AteliermitarbeiterInnen 134
- 4.3 AuftraggeberInnen 140
- 4.4 Strategien der Bewerbung 147
- 4.4.1 Axonometrie und Modell 147
- 4.4.2 Fotografie 154
- 4.4.3 Publikationen 157
- 4.5 Dickers und Singers Wege ab 1933/1934 162
- 5 „Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 173
- 5.1 Das Bauhaus als Basis 173
- 5.2 Zur Situation in Wien – Innenraumgestaltung und Architektur 175
- 5.2.1 Die Wiener Moderne um 1900 175
- 5.2.2 Wien in der Zwischenkriegszeit 177
- 5.3 Theorie und Anspruch der Ateliergemeinschaft 182
- 5.4 Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 185
- 5.4.1 Vom Einzelstück zur Typisierung – Frühe Möbel 1925–1929 185
- 5.4.1.1 Bauhaus und De Stijl als Vorbild 185
- 5.4.1.2 Verwandelbarkeit als Prinzip 202
- 5.4.1.3 Verbindungen zum Wiener Jugendstil und Biedermeier 210
- 5.4.1.4 Zwischen sozialem und künstlerischem Anspruch: Typisierungstendenzen 216
- 5.4.1.5 Möbeltischler und Hersteller 228
- 5.4.2 Wege zur Serienfabrikation – Stahlrohr- und Sperrholzmöbel 1929–1938 230
- 5.4.2.1 Der Stahlrohrstapelstuhl von Bruno Pollak 234
- 5.4.2.2 Stahlrohrmöbelentwürfe der Ateliergemeinschaft 238
- 5.4.2.3 Hersteller und Produktionsversuche der Stahlrohrmöbel 251
- 5.4.2.4 Entwürfe für die Firma Metz & Co 253
- 5.4.2.5 Sperrholzmöbel 261
- 5.4.2.6 Produktionsversuche der Sperrholzmöbel 264
- 5.4.3 Eine Welt für Kinder – Kindermöbel und Baukastenspiele 1927–1938 266
- 5.4.4 Leuchten und andere Metallarbeiten 289
- 5.4.5 Kachelöfen 302
- 5.5 Raumgestaltungen und Architektur 309
- 5.5.1 Verwendung von Farbe als Gestaltungsmittel 309
- |5.5.2 Intervention im Haus Moller von Adolf Loos und im dazugehörigen Garten 319
- 5.5.2.1 Ein neu entdeckter Möblierungsentwurf 319
- 5.5.2.2 Das Zimmer für Anny Wottitz-Moller 334
- 5.5.2.3 Das Gartenhaus 337
- 5.5.3 Wohnkonzepte auf kleinster Fläche 339
- 5.5.3.1 Einwohnräume 339
- 5.5.3.2 „Wachsende Häuser“ – Entwürfe für Kleinhauswohnbauten in Palästina 362
- 5.5.4 Fulminanter Höhe- und Endpunkt – Das Gästehaus Auersperg-Hériot 379
- 5.6 Epilog: Sozialer Anspruch oder Zeitgeist? – Eine kritische Bewertung 411
- 6 Resümee und Ausblick 417
- 7 Anhang 425
- 7.1 Quellentexte 425
- 7.2 Biografie Friedl Dicker / Franz Singer 428
- 7.3 Archive und Sammlungen 431
- 7.4 Literatur 436
- 7.5 Webseiten 473
- 7.6 Bildnachweis 477
- 7.7 Abkürzungen 480
- 7.8 Abstract 481
- 7.9 Register 482