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Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 261
Beabsichtigt war auch die Ausstellung von Möbeln in Geschäftsfilialen von Metz &
Co in Amsterdam und Den Haag. Franz Singer und Hans Biel arbeiteten dafür Einrich-
tungsbeispiele mit dem „Schrankraum“ Li/Sch10 und Podien mit Schiebebetten aus. Die
geplanten Ausstellungen kamen jedoch vermutlich nicht zustande.226
5.4.2.5 Sperrholzmöbel
Eine günstige Produktionsweise wurde mit den Sperrholzmöbelentwürfen ab 1935/1936
angestrebt. Singers Bauhaus-Kollege Marcel Breuer, der ebenfalls nach London emigriert
war, entwickelte dort zur gleichen Zeit Möbel aus diesem Material (Abb. 224). Neben
gebogenem Sperrholz arbeitete er zudem mit ausgeschnittenem Sperrholz, das einen
kostensparenden Produktionsprozess ermöglichte.227 Diese Vorgehensweise wandte auch
Franz Singer für seine Entwürfe an. Insbesondere Hans Biel, der wie Singer 1934 nach
London emigriert war, beteiligte sich an der Entwicklung der Sperrholzmöbel.228
Für den Prototyp des „X-Stuhls 44/2“ wurden u-förmige Rahmen aus vorgefertig-
ten Sperrholzplatten ausgeschnitten (Abb. 225–226). Diese Elemente wurden mit einer
Kreuzüberblattung verbunden und bildeten so Lehne und Unterkonstruktion des Stuhls.
Zusammen mit jeweils einem Element für Sitz und Lehne bestand der Stuhl somit ledig-
lich aus vier Teilen. In der Patentschrift wurde die Form damit argumentiert, dass „Ecken
oder Knie solcher Holzgerippe“ widerstandsfähiger wären, wenn die Sperrholzschichten
annähernd parallel zur Belastung verlaufen würden.229 Das Ausschneiden der „Holzge-
rippe“ aus vorgefertigten Sperrholzplatten war zudem günstiger in der Herstellung als die
226 Erstmals wird die Ausstellung 1936 erwähnt. Siehe: SAA, Archiv Metz & Co, Brief Franz Singer
an Elmar Berkovich, 19.1.1936, Inv.-Nr. 977-203. Darin heißt es: „Unter der Annahme, dass diese
40 Zeichnungen Sie erreicht haben, glaube ich sagen zu können, dass die Vorbereitungsarbeiten zur
Herstellung der Modelle für die Ausstellung in vollem Gang sein könnten, unbeschadet davon, dass
noch weitere Zeichnungen teils in Arbeit, teils zu arbeiten beabsichtigt sind. [...] Zurückgreifend auf
die noch nicht nummerierten Modelle, glaube ich, dass für die Ausstellung nur eines unerlässlich
wäre (nämlich Podium mit Schrankraum und Schiebebett) [...].“ Briefe von Hans Biel an Franz Sin-
ger betreffend der Ausstellung sind mit 1937 datiert. Siehe: BHA, Objektsammlung, Franz Singer,
Mappe VIII/d, Briefe Hans Biel an Franz Singer, 22.1.1937, 29.10.1937. Offenbar ging die Arbeit
nur schleppend voran, denn die im Nachlass der Firma Metz & Co erhaltenen Zeichnungen sind mit
1938 datiert. Vgl. SAA, Archiv Metz & Co, Zeichnungen mit der Kommissionsnummer S.R.23,
Inv.-Nr. 977-316.
227 Droste 1992, S. 28–31.
228 Dass insbesondere Biel an der Konstruktion der Sperrholzmöbel arbeitete, geht aus einem Brief
hervor, in dem Biel eine finanzielle Beteiligung an den Entwürfen bei Singer einfordert. Siehe:
AAD/V&AM, Brief Hans Biel an Franz Singer, 21.1.1937, AAD 3-1982, PL9.
229 Franz Singer, Holzgerippe, insbesondere für Möbel und Verfahren zu seiner Herstellung, Patentamt
Schweiz, 195918, eingereicht: 27.03.1937, eingetragen: 28.02.1938, veröffentlicht: 02.05.1938.
© 2021 Böhlau Verlag | Brill Österreich GmbH
https://doi.org/10.7767/9783205213161 | CC BY-NC 4.0
Bauhaus in Wien?
Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Titel
- Bauhaus in Wien?
- Untertitel
- Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Autor
- Katharina Hövelmann
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21316-1
- Abmessungen
- 17.4 x 25.6 cm
- Seiten
- 492
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 9
- 1.1 Ein vergessenes Kapitel Wiener Design- und Architekturgeschichte 9
- 1.2 Forschungsstand 10
- 1.3 Quellenlage 15
- 1.4 Forschungsziele und Methodik 21
- 2 Dickers und Singers künstlerische Ausbildung im Zeichen von Kunstschulreform und Lebensreformbewegung 27
- 2.1 Die Zeit in Wien 27
- 2.1.1 Herkunft und Ausbildung bis 1916 27
- 2.1.2 Kunstschule Johannes Itten und Netzwerke 1916–1919 33
- 2.2 Studienzeit am Bauhaus in Weimar 1919–1923 47
- 2.2.1 Die Wiener Gruppe um Johannes Itten 47
- 2.2.2 Unterricht 56
- 2.2.3 Erste Architekturentwürfe – Vier Einfamilienhäuser 77
- 3 Berufliche Anfänge 89
- 3.1 Aufträge für Theater in Dresden und Berlin 1921–1922 89
- 3.2 Werkstätten Bildender Kunst GmbH, Berlin 1923–1926 92
- 3.2.1 Arbeiten für Die Truppe 107
- 3.2.2 Die Auflösung 114
- 4 Die Wiener Ateliergemeinschaft 1925–1938 117
- 4.1 Die Zusammenarbeit von Dicker und Singer 1925–1931 117
- 4.2 Architekturfachkenntnis im Hintergrund – Die AteliermitarbeiterInnen 134
- 4.3 AuftraggeberInnen 140
- 4.4 Strategien der Bewerbung 147
- 4.4.1 Axonometrie und Modell 147
- 4.4.2 Fotografie 154
- 4.4.3 Publikationen 157
- 4.5 Dickers und Singers Wege ab 1933/1934 162
- 5 „Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 173
- 5.1 Das Bauhaus als Basis 173
- 5.2 Zur Situation in Wien – Innenraumgestaltung und Architektur 175
- 5.2.1 Die Wiener Moderne um 1900 175
- 5.2.2 Wien in der Zwischenkriegszeit 177
- 5.3 Theorie und Anspruch der Ateliergemeinschaft 182
- 5.4 Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 185
- 5.4.1 Vom Einzelstück zur Typisierung – Frühe Möbel 1925–1929 185
- 5.4.1.1 Bauhaus und De Stijl als Vorbild 185
- 5.4.1.2 Verwandelbarkeit als Prinzip 202
- 5.4.1.3 Verbindungen zum Wiener Jugendstil und Biedermeier 210
- 5.4.1.4 Zwischen sozialem und künstlerischem Anspruch: Typisierungstendenzen 216
- 5.4.1.5 Möbeltischler und Hersteller 228
- 5.4.2 Wege zur Serienfabrikation – Stahlrohr- und Sperrholzmöbel 1929–1938 230
- 5.4.2.1 Der Stahlrohrstapelstuhl von Bruno Pollak 234
- 5.4.2.2 Stahlrohrmöbelentwürfe der Ateliergemeinschaft 238
- 5.4.2.3 Hersteller und Produktionsversuche der Stahlrohrmöbel 251
- 5.4.2.4 Entwürfe für die Firma Metz & Co 253
- 5.4.2.5 Sperrholzmöbel 261
- 5.4.2.6 Produktionsversuche der Sperrholzmöbel 264
- 5.4.3 Eine Welt für Kinder – Kindermöbel und Baukastenspiele 1927–1938 266
- 5.4.4 Leuchten und andere Metallarbeiten 289
- 5.4.5 Kachelöfen 302
- 5.5 Raumgestaltungen und Architektur 309
- 5.5.1 Verwendung von Farbe als Gestaltungsmittel 309
- |5.5.2 Intervention im Haus Moller von Adolf Loos und im dazugehörigen Garten 319
- 5.5.2.1 Ein neu entdeckter Möblierungsentwurf 319
- 5.5.2.2 Das Zimmer für Anny Wottitz-Moller 334
- 5.5.2.3 Das Gartenhaus 337
- 5.5.3 Wohnkonzepte auf kleinster Fläche 339
- 5.5.3.1 Einwohnräume 339
- 5.5.3.2 „Wachsende Häuser“ – Entwürfe für Kleinhauswohnbauten in Palästina 362
- 5.5.4 Fulminanter Höhe- und Endpunkt – Das Gästehaus Auersperg-Hériot 379
- 5.6 Epilog: Sozialer Anspruch oder Zeitgeist? – Eine kritische Bewertung 411
- 6 Resümee und Ausblick 417
- 7 Anhang 425
- 7.1 Quellentexte 425
- 7.2 Biografie Friedl Dicker / Franz Singer 428
- 7.3 Archive und Sammlungen 431
- 7.4 Literatur 436
- 7.5 Webseiten 473
- 7.6 Bildnachweis 477
- 7.7 Abkürzungen 480
- 7.8 Abstract 481
- 7.9 Register 482