Seite - 334 - in Bauhaus in Wien? - Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
Bild der Seite - 334 -
Text der Seite - 334 -
„Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien
334
leuchte mit Leuchtkörpern aus Soffitten erhalten, die definitiv als gesicherter Entwurf
der Ateliergemeinschaft belegt werden kann (Abb. 281).388
5.5.2.2 Das Zimmer für Anny Wottitz-Moller
1932 wurde das mittige Zimmer im ersten Obergeschoss gestaltet, das durch Türen mit
dem Kinderzimmer und dem westlichen Zimmer verbunden war. Die Einrichtung ist
durch Fotografien und farbige Axonometrien gut dokumentiert (Abb. 331–332).389 An
der rechten Wand neben der Tür stand ein Stahlrohrbett, dem ein aus Holz gefertig-
ter Nachttisch mit ausziehbarem Tischelement und darüber angebrachtem Bücherre-
gal zugeordnet war. Auf der gegenüberliegenden, zum Garten ausgerichteten Seite mit
Fenstertür zum Balkon war ein Schreibtisch aus Holz positioniert, über dem ein Regal-
element angebracht war, dessen obere Abschlussplatte entlang der Wand weitergeführt
wurde. Unter den Schreibtisch konnte ein Tisch vom Typ Ti6 eingeschoben werden, der
bei Bedarf zu einer Sitzgruppe mit einem Stahlrohrstuhl und einem gepolsterten Stahl-
rohrsofa hervorgeholt werden konnte. Über dem Sofa hing ein Stillleben mit Zitronen
von Anny Wottitz-Mollers Freund Max Bronstein390, der wie sie am Bauhaus studiert
hatte (Abb. 333).
Gegenüber der Sitzecke war in einem Wandschrank ein Toilettentisch eingebaut
(Abb. 334). Dieser bestand aus einem großen Spiegel, Glasablageflächen, einem Hut-
schrank und einem weiteren Schrankelement. Die Heizung daneben war mit Glasstäben
verkleidet. Ein Stahlrohr-Hocker mit Rohrgeflecht fungierte als Sitzgelegenheit. Zur Ein-
richtung des Zimmers gehörten auch eine Nachttischleuchte und eine Deckenleuchte,
die ebenfalls nach Entwürfen Franz Singers ausgeführt wurden.
Die Wände waren den farbigen Axonometrien zufolge in einem hellen Zitronengelb
gestrichen. Diese Farbwahl erfolgte vermutlich in Abstimmung auf das Gemälde von
Max Bronstein. Nur im Bereich des Bettes war die Wand mit einem dunkleren Ton ver-
sehen. Der Boden war im Bereich der Sitzecke und in der Ecke neben der Tür mit anth-
388 Dies bestätigte sich bei einem Besuch des Hauses durch die Verfasserin am 5.1.2016. Die Decken-
leuchte konnte aufgrund der noch erhaltenen Entwurfszeichnung im AGS gesichert der Atelierge-
meinschaft Dicker und Singer zugeschrieben werden.
389 BHA, Architektursammlung, Franz Singer, Inv.-Nr. 9352, 9353.
390 Max Bronstein, später genannt Ardon Mordecai (1896–1992) war vom WS 1920/1921 bis SoSe
1924 am Bauhaus. Er sollte in die Gold-Silber-Kupferschmiede oder in die Glaswerkstatt aufge-
nommen werden, wurde später aber zu den Lehrlingen in der Druckerei gezählt. Siehe: Winkler
2009, S. 256–257. 1925 besuchte er die Staatliche Kunstakademie in München und war von 1929
bis 1933 Lehrer an Johannes Ittens Schule in Berlin. Anschließend emigrierte er nach Palästina und
war von 1940–1952 Leiter der Bezalel Kunst- und Designhochschule in Jerusalem. Siehe: BHA,
Dokumentensammlung, Ardon Mordecai (Max Bronstein), Mappe 1–3.
© 2021 Böhlau Verlag | Brill Österreich GmbH
https://doi.org/10.7767/9783205213161 | CC BY-NC 4.0
Bauhaus in Wien?
Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Titel
- Bauhaus in Wien?
- Untertitel
- Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Autor
- Katharina Hövelmann
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21316-1
- Abmessungen
- 17.4 x 25.6 cm
- Seiten
- 492
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 9
- 1.1 Ein vergessenes Kapitel Wiener Design- und Architekturgeschichte 9
- 1.2 Forschungsstand 10
- 1.3 Quellenlage 15
- 1.4 Forschungsziele und Methodik 21
- 2 Dickers und Singers künstlerische Ausbildung im Zeichen von Kunstschulreform und Lebensreformbewegung 27
- 2.1 Die Zeit in Wien 27
- 2.1.1 Herkunft und Ausbildung bis 1916 27
- 2.1.2 Kunstschule Johannes Itten und Netzwerke 1916–1919 33
- 2.2 Studienzeit am Bauhaus in Weimar 1919–1923 47
- 2.2.1 Die Wiener Gruppe um Johannes Itten 47
- 2.2.2 Unterricht 56
- 2.2.3 Erste Architekturentwürfe – Vier Einfamilienhäuser 77
- 3 Berufliche Anfänge 89
- 3.1 Aufträge für Theater in Dresden und Berlin 1921–1922 89
- 3.2 Werkstätten Bildender Kunst GmbH, Berlin 1923–1926 92
- 3.2.1 Arbeiten für Die Truppe 107
- 3.2.2 Die Auflösung 114
- 4 Die Wiener Ateliergemeinschaft 1925–1938 117
- 4.1 Die Zusammenarbeit von Dicker und Singer 1925–1931 117
- 4.2 Architekturfachkenntnis im Hintergrund – Die AteliermitarbeiterInnen 134
- 4.3 AuftraggeberInnen 140
- 4.4 Strategien der Bewerbung 147
- 4.4.1 Axonometrie und Modell 147
- 4.4.2 Fotografie 154
- 4.4.3 Publikationen 157
- 4.5 Dickers und Singers Wege ab 1933/1934 162
- 5 „Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 173
- 5.1 Das Bauhaus als Basis 173
- 5.2 Zur Situation in Wien – Innenraumgestaltung und Architektur 175
- 5.2.1 Die Wiener Moderne um 1900 175
- 5.2.2 Wien in der Zwischenkriegszeit 177
- 5.3 Theorie und Anspruch der Ateliergemeinschaft 182
- 5.4 Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 185
- 5.4.1 Vom Einzelstück zur Typisierung – Frühe Möbel 1925–1929 185
- 5.4.1.1 Bauhaus und De Stijl als Vorbild 185
- 5.4.1.2 Verwandelbarkeit als Prinzip 202
- 5.4.1.3 Verbindungen zum Wiener Jugendstil und Biedermeier 210
- 5.4.1.4 Zwischen sozialem und künstlerischem Anspruch: Typisierungstendenzen 216
- 5.4.1.5 Möbeltischler und Hersteller 228
- 5.4.2 Wege zur Serienfabrikation – Stahlrohr- und Sperrholzmöbel 1929–1938 230
- 5.4.2.1 Der Stahlrohrstapelstuhl von Bruno Pollak 234
- 5.4.2.2 Stahlrohrmöbelentwürfe der Ateliergemeinschaft 238
- 5.4.2.3 Hersteller und Produktionsversuche der Stahlrohrmöbel 251
- 5.4.2.4 Entwürfe für die Firma Metz & Co 253
- 5.4.2.5 Sperrholzmöbel 261
- 5.4.2.6 Produktionsversuche der Sperrholzmöbel 264
- 5.4.3 Eine Welt für Kinder – Kindermöbel und Baukastenspiele 1927–1938 266
- 5.4.4 Leuchten und andere Metallarbeiten 289
- 5.4.5 Kachelöfen 302
- 5.5 Raumgestaltungen und Architektur 309
- 5.5.1 Verwendung von Farbe als Gestaltungsmittel 309
- |5.5.2 Intervention im Haus Moller von Adolf Loos und im dazugehörigen Garten 319
- 5.5.2.1 Ein neu entdeckter Möblierungsentwurf 319
- 5.5.2.2 Das Zimmer für Anny Wottitz-Moller 334
- 5.5.2.3 Das Gartenhaus 337
- 5.5.3 Wohnkonzepte auf kleinster Fläche 339
- 5.5.3.1 Einwohnräume 339
- 5.5.3.2 „Wachsende Häuser“ – Entwürfe für Kleinhauswohnbauten in Palästina 362
- 5.5.4 Fulminanter Höhe- und Endpunkt – Das Gästehaus Auersperg-Hériot 379
- 5.6 Epilog: Sozialer Anspruch oder Zeitgeist? – Eine kritische Bewertung 411
- 6 Resümee und Ausblick 417
- 7 Anhang 425
- 7.1 Quellentexte 425
- 7.2 Biografie Friedl Dicker / Franz Singer 428
- 7.3 Archive und Sammlungen 431
- 7.4 Literatur 436
- 7.5 Webseiten 473
- 7.6 Bildnachweis 477
- 7.7 Abkürzungen 480
- 7.8 Abstract 481
- 7.9 Register 482