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„Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien
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wäre nach u. nach eine ‚Architekturbedarfs‘gesellschaft [sic!]. Das wäre doch sehr wichtig
u. gut.“146 Singer hegte demnach weiterführende Pläne mit Hartmann, die aber nicht
umgesetzt worden sein dürften. So schreibt er in einem weiteren Brief an die Mitarbeite-
rin: „Es ist sehr ekelhaft vom Hartmann, daß er das Bett nicht machen will! [...] Macht
der Hartmann auch sonst Schwierigkeiten?? [...] Was mit dem Hartmann eigentlich los
ist, verstehe ich nicht.“147
Konkrete Vereinbarungen mit Hartmann zur Ausführung seiner Möbel scheint Sin-
ger vor seiner Emigration nach London nicht getroffen zu haben. 1937 berichtet er der
Mitarbeiterin Leopoldine Schrom: „Es hat keine besondere Abmachung mit Hartmann
gegeben. Er hatte nur seinerzeit die Erlaubnis ein paar Stücke herzustellen (ich glaube
ein Dutzend) und zu verkaufen. Da seit vielen Jahren nichts mehr mir gutgeschrieben
wurde, nehme ich an, daß er den Vertrieb aufgegeben hat.“148 Eine direkte Zusammenar-
beit mit der Firma dürfte bereits um 1930 ausgelaufen sein, da die Firma bei Wohnungs-
projekten, die ab diesem Jahr entstehen, in Zeitschriften nicht mehr angegeben ist. Am
19. August 1938 wurde die Firma von Alexander Hartmann liquidiert und am 22. Mai
1939 gelöscht.149
Wie erhaltene Rechnungen belegen, wurden ab 1930 verschiedene kleinere Wiener
Tischlereibetriebe herangezogen.150 Für Wohnungsprojekte in der Tschechoslowakei zog
das Atelier auch ortsansässige Betriebe heran. Für die Polsterungen der Sitzmöbel wurde
im Zeitraum von 1925 bis 1936 der Tapezierer und Dekorateur Max Strass (VI. Garber-
gasse 20) vom Atelier beauftragt.
5.4.2 Wege zur Serienfabrikation – Stahlrohr- und Sperrholzmöbel 1929–1938
Mit dem Umzug des Bauhauses im März/April 1925 nach Dessau übergab Gropius die
Leitung der Tischlereiwerkstätte Jungmeister Marcel Breuer. Dieser hatte an der Idee
146 AGS, Brief Franz Singer an Mitarbeiterin, undatiert, um 1929.
147 Ebd.
148 AGS, Brief Franz Singer an Leopoldine Schrom, 23.4.1937.
149 Alexander Hartmann hatte am 27.3.1938 für den Standort Wien V. Bräuhausgasse 6 nochmals ein
Tischlergewerbe angemeldet. Dieses wurde am 4.1.1940 abgemeldet. Die Auskünfte erteilte Rita
Tezzele, WÖA, E-Mail, 11.2.2016. Siehe auch: WStLA, Handelsgericht, A43 – A – Registerakten:
A65/92 Prof. Hartmann und Co.
150 AGS, Firmenrechnungen: Karl Dittler (IX. Severingasse 18–20), Adalbert Havlicek (V. Anzengru-
bergasse 2), Thomas Kubitschek (XVI. Paletzgasse 26), Franz Langer (V. Hamburgerstrasse 18),
Johann Nosek (X. Landgutgasse 35), H. Ott (VII. Zieglergasse 42), Emil und Alfred Pollak (XII.
Meidlinger Hauptstraße 56–58), Adalbert Sedivec (VI. Wallgasse 3), Josef Suchanek (XII. Brei-
tenfurter Str. 23), Rudolf Sonnenschein (VI. Liniengasse 33) und Franz Quant (VIII. Langegasse
20–22).
© 2021 Böhlau Verlag | Brill Österreich GmbH
https://doi.org/10.7767/9783205213161 | CC BY-NC 4.0
Bauhaus in Wien?
Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Titel
- Bauhaus in Wien?
- Untertitel
- Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Autor
- Katharina Hövelmann
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21316-1
- Abmessungen
- 17.4 x 25.6 cm
- Seiten
- 492
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 9
- 1.1 Ein vergessenes Kapitel Wiener Design- und Architekturgeschichte 9
- 1.2 Forschungsstand 10
- 1.3 Quellenlage 15
- 1.4 Forschungsziele und Methodik 21
- 2 Dickers und Singers künstlerische Ausbildung im Zeichen von Kunstschulreform und Lebensreformbewegung 27
- 2.1 Die Zeit in Wien 27
- 2.1.1 Herkunft und Ausbildung bis 1916 27
- 2.1.2 Kunstschule Johannes Itten und Netzwerke 1916–1919 33
- 2.2 Studienzeit am Bauhaus in Weimar 1919–1923 47
- 2.2.1 Die Wiener Gruppe um Johannes Itten 47
- 2.2.2 Unterricht 56
- 2.2.3 Erste Architekturentwürfe – Vier Einfamilienhäuser 77
- 3 Berufliche Anfänge 89
- 3.1 Aufträge für Theater in Dresden und Berlin 1921–1922 89
- 3.2 Werkstätten Bildender Kunst GmbH, Berlin 1923–1926 92
- 3.2.1 Arbeiten für Die Truppe 107
- 3.2.2 Die Auflösung 114
- 4 Die Wiener Ateliergemeinschaft 1925–1938 117
- 4.1 Die Zusammenarbeit von Dicker und Singer 1925–1931 117
- 4.2 Architekturfachkenntnis im Hintergrund – Die AteliermitarbeiterInnen 134
- 4.3 AuftraggeberInnen 140
- 4.4 Strategien der Bewerbung 147
- 4.4.1 Axonometrie und Modell 147
- 4.4.2 Fotografie 154
- 4.4.3 Publikationen 157
- 4.5 Dickers und Singers Wege ab 1933/1934 162
- 5 „Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 173
- 5.1 Das Bauhaus als Basis 173
- 5.2 Zur Situation in Wien – Innenraumgestaltung und Architektur 175
- 5.2.1 Die Wiener Moderne um 1900 175
- 5.2.2 Wien in der Zwischenkriegszeit 177
- 5.3 Theorie und Anspruch der Ateliergemeinschaft 182
- 5.4 Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 185
- 5.4.1 Vom Einzelstück zur Typisierung – Frühe Möbel 1925–1929 185
- 5.4.1.1 Bauhaus und De Stijl als Vorbild 185
- 5.4.1.2 Verwandelbarkeit als Prinzip 202
- 5.4.1.3 Verbindungen zum Wiener Jugendstil und Biedermeier 210
- 5.4.1.4 Zwischen sozialem und künstlerischem Anspruch: Typisierungstendenzen 216
- 5.4.1.5 Möbeltischler und Hersteller 228
- 5.4.2 Wege zur Serienfabrikation – Stahlrohr- und Sperrholzmöbel 1929–1938 230
- 5.4.2.1 Der Stahlrohrstapelstuhl von Bruno Pollak 234
- 5.4.2.2 Stahlrohrmöbelentwürfe der Ateliergemeinschaft 238
- 5.4.2.3 Hersteller und Produktionsversuche der Stahlrohrmöbel 251
- 5.4.2.4 Entwürfe für die Firma Metz & Co 253
- 5.4.2.5 Sperrholzmöbel 261
- 5.4.2.6 Produktionsversuche der Sperrholzmöbel 264
- 5.4.3 Eine Welt für Kinder – Kindermöbel und Baukastenspiele 1927–1938 266
- 5.4.4 Leuchten und andere Metallarbeiten 289
- 5.4.5 Kachelöfen 302
- 5.5 Raumgestaltungen und Architektur 309
- 5.5.1 Verwendung von Farbe als Gestaltungsmittel 309
- |5.5.2 Intervention im Haus Moller von Adolf Loos und im dazugehörigen Garten 319
- 5.5.2.1 Ein neu entdeckter Möblierungsentwurf 319
- 5.5.2.2 Das Zimmer für Anny Wottitz-Moller 334
- 5.5.2.3 Das Gartenhaus 337
- 5.5.3 Wohnkonzepte auf kleinster Fläche 339
- 5.5.3.1 Einwohnräume 339
- 5.5.3.2 „Wachsende Häuser“ – Entwürfe für Kleinhauswohnbauten in Palästina 362
- 5.5.4 Fulminanter Höhe- und Endpunkt – Das Gästehaus Auersperg-Hériot 379
- 5.6 Epilog: Sozialer Anspruch oder Zeitgeist? – Eine kritische Bewertung 411
- 6 Resümee und Ausblick 417
- 7 Anhang 425
- 7.1 Quellentexte 425
- 7.2 Biografie Friedl Dicker / Franz Singer 428
- 7.3 Archive und Sammlungen 431
- 7.4 Literatur 436
- 7.5 Webseiten 473
- 7.6 Bildnachweis 477
- 7.7 Abkürzungen 480
- 7.8 Abstract 481
- 7.9 Register 482