Seite - 319 - in Bauhaus in Wien? - Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
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Raumgestaltungen und Architektur 319
stellung, sich „im Bilde [...] zu bewegen, im Bilde zu leben“356, entspricht. Florian Adler,
der als Kind in der von Dicker und Singer gestalteten Wohnung für seine Mutter Margit
Téry-Buschmann in Berlin wohnte, kam zu dem Schluss, dass in Singers „Falle ein Maler
sich auch in seiner Architektur ausgedrückt hat“357. Dem enstpricht Singers Beschrei-
bung der 1927 gestalteten Einraumwohnung für Hans Heller als „zusammenhängende
Raumkomposition“358 (Abb. 304).
5.5.2 Intervention im Haus Moller von Adolf Loos und im dazugehörigen Garten
5.5.2.1 Ein neu entdeckter Möblierungsentwurf
Vermutlich zu Beginn des Jahres 1927 beauftragte das Ehepaar Moller den renommierten
Architekten Adolf Loos mit der Planung eines Einfamilienhauses in der Starkfriedgasse
19 in Wien-Pötzleinsdorf.359 Die Buchbinderin Anny Wottitz-Moller und der Textilun-
ternehmer Hans Moller waren seit 1924 verheiratet und hatten sich zunächst 1925 von
Dicker und Singer ein Damen- und Herrenzimmer in ihrer Wohnung in der Wasagasse
im 9. Bezirk einrichten lassen. Als im Juli 1926 ihre Tochter Judith geboren wurde, war
dies für die jungen Eltern vermutlich der Grund, ein größeres Domizil mit Garten zu be-
ziehen. Dass das Ehepaar Moller Loos verehrte, verdeutlicht ein im Zuge der Recherchen
neu aufgetauchter Filmausschnitt, der Loos beim Zeichnen – vermutlich ihres Hauses –
zeigt, wobei ihm das Ehepaar Moller interessiert zusieht (Abb. 305–306).360 Hans Moller
356 Zitiert nach: Poling 1982, S. 39.
357 Adler 1988, S. 34.
358 Auf der Rückseite eines Fotos aus dem BHA vermerkte Singer zu der Wohnung Heller: „Decke und
Farben in einfärbigen verschiedenen Farbflächen komponiert (Hauptfarben: bläuliches Grün und
tabakbraun, Decken und Wandfarben, Möbel, Lampen, Bodenbelag, Stoffe bilden eine zusammen-
hängende Raumkomposition.“ Siehe: BHA, Fotosammlung Franz Singer, Inv.-Nr. 7751/68.
359 Allgemein wird die Auftragserteilung zum Zeitpunkt von Loos’ Aufenthalt in Wien von Februar
bis April 1927 angenommen. Siehe: Rukschcio/Schachel 19822, S. 329. Ursula Prokop nimmt eine
frühere Auftragsvergabe an, da ein erhaltener Brief von Groag an Loos von Mai 1927 die bereits
weit vorangeschrittenen Planungsarbeiten dokumentiert. Siehe: Prokop 2005, S. 32–33. Prokops
Annahme bestätigt sich auch dadurch, dass Singer offenbar bereits 1927 einen ersten Entwurf für
das Haus Moller vorlegte. Vgl. Franz Singer, Ansuchen um Verleihung der Befugnis eines Archi-
tekten, „Verzeichnis der von mir geleisteten Arbeiten“, 31.7.1937, Original: ÖStA/AdR HBbBuT
BMfHuV Allg Reihe PTech Singer Franz Karl 08.02.1896 GZl. 71537/1937 Singer, Franz Karl,
08.02.1896, 1919–1938 (Akt (Sammelakt, Grundzl., Konvolut, Dossier, File)). Kopie: AGS.
360 Anny Wottitz-Moller besaß eine 9-mm-Kamera und eine Kodak-Kamera, mit der sie Filme drehte.
Siehe: BHA, Dokumentensammlung, Anny Wottitz, Mappe 1, Ergänzungen zur Biografie von
Anny Wottitz nach Angaben von Frau Judith Adler, Tochter von Anny Wottitz und Hans Moller
anlässlich ihres Besuches im Bauhaus-Archiv am 5.10.2000.
© 2021 Böhlau Verlag | Brill Österreich GmbH
https://doi.org/10.7767/9783205213161 | CC BY-NC 4.0
Bauhaus in Wien?
Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Titel
- Bauhaus in Wien?
- Untertitel
- Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Autor
- Katharina Hövelmann
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21316-1
- Abmessungen
- 17.4 x 25.6 cm
- Seiten
- 492
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 9
- 1.1 Ein vergessenes Kapitel Wiener Design- und Architekturgeschichte 9
- 1.2 Forschungsstand 10
- 1.3 Quellenlage 15
- 1.4 Forschungsziele und Methodik 21
- 2 Dickers und Singers künstlerische Ausbildung im Zeichen von Kunstschulreform und Lebensreformbewegung 27
- 2.1 Die Zeit in Wien 27
- 2.1.1 Herkunft und Ausbildung bis 1916 27
- 2.1.2 Kunstschule Johannes Itten und Netzwerke 1916–1919 33
- 2.2 Studienzeit am Bauhaus in Weimar 1919–1923 47
- 2.2.1 Die Wiener Gruppe um Johannes Itten 47
- 2.2.2 Unterricht 56
- 2.2.3 Erste Architekturentwürfe – Vier Einfamilienhäuser 77
- 3 Berufliche Anfänge 89
- 3.1 Aufträge für Theater in Dresden und Berlin 1921–1922 89
- 3.2 Werkstätten Bildender Kunst GmbH, Berlin 1923–1926 92
- 3.2.1 Arbeiten für Die Truppe 107
- 3.2.2 Die Auflösung 114
- 4 Die Wiener Ateliergemeinschaft 1925–1938 117
- 4.1 Die Zusammenarbeit von Dicker und Singer 1925–1931 117
- 4.2 Architekturfachkenntnis im Hintergrund – Die AteliermitarbeiterInnen 134
- 4.3 AuftraggeberInnen 140
- 4.4 Strategien der Bewerbung 147
- 4.4.1 Axonometrie und Modell 147
- 4.4.2 Fotografie 154
- 4.4.3 Publikationen 157
- 4.5 Dickers und Singers Wege ab 1933/1934 162
- 5 „Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 173
- 5.1 Das Bauhaus als Basis 173
- 5.2 Zur Situation in Wien – Innenraumgestaltung und Architektur 175
- 5.2.1 Die Wiener Moderne um 1900 175
- 5.2.2 Wien in der Zwischenkriegszeit 177
- 5.3 Theorie und Anspruch der Ateliergemeinschaft 182
- 5.4 Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 185
- 5.4.1 Vom Einzelstück zur Typisierung – Frühe Möbel 1925–1929 185
- 5.4.1.1 Bauhaus und De Stijl als Vorbild 185
- 5.4.1.2 Verwandelbarkeit als Prinzip 202
- 5.4.1.3 Verbindungen zum Wiener Jugendstil und Biedermeier 210
- 5.4.1.4 Zwischen sozialem und künstlerischem Anspruch: Typisierungstendenzen 216
- 5.4.1.5 Möbeltischler und Hersteller 228
- 5.4.2 Wege zur Serienfabrikation – Stahlrohr- und Sperrholzmöbel 1929–1938 230
- 5.4.2.1 Der Stahlrohrstapelstuhl von Bruno Pollak 234
- 5.4.2.2 Stahlrohrmöbelentwürfe der Ateliergemeinschaft 238
- 5.4.2.3 Hersteller und Produktionsversuche der Stahlrohrmöbel 251
- 5.4.2.4 Entwürfe für die Firma Metz & Co 253
- 5.4.2.5 Sperrholzmöbel 261
- 5.4.2.6 Produktionsversuche der Sperrholzmöbel 264
- 5.4.3 Eine Welt für Kinder – Kindermöbel und Baukastenspiele 1927–1938 266
- 5.4.4 Leuchten und andere Metallarbeiten 289
- 5.4.5 Kachelöfen 302
- 5.5 Raumgestaltungen und Architektur 309
- 5.5.1 Verwendung von Farbe als Gestaltungsmittel 309
- |5.5.2 Intervention im Haus Moller von Adolf Loos und im dazugehörigen Garten 319
- 5.5.2.1 Ein neu entdeckter Möblierungsentwurf 319
- 5.5.2.2 Das Zimmer für Anny Wottitz-Moller 334
- 5.5.2.3 Das Gartenhaus 337
- 5.5.3 Wohnkonzepte auf kleinster Fläche 339
- 5.5.3.1 Einwohnräume 339
- 5.5.3.2 „Wachsende Häuser“ – Entwürfe für Kleinhauswohnbauten in Palästina 362
- 5.5.4 Fulminanter Höhe- und Endpunkt – Das Gästehaus Auersperg-Hériot 379
- 5.6 Epilog: Sozialer Anspruch oder Zeitgeist? – Eine kritische Bewertung 411
- 6 Resümee und Ausblick 417
- 7 Anhang 425
- 7.1 Quellentexte 425
- 7.2 Biografie Friedl Dicker / Franz Singer 428
- 7.3 Archive und Sammlungen 431
- 7.4 Literatur 436
- 7.5 Webseiten 473
- 7.6 Bildnachweis 477
- 7.7 Abkürzungen 480
- 7.8 Abstract 481
- 7.9 Register 482