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6 Resümee und Ausblick
Ziel war es, auf Basis eines breit angelegten Quellenstudiums das innerhalb der Atelier-
gemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer geschaffene Werk umfassend darzu-
stellen. Zunächst wurde der Herkunft und den Ausbildungen von Dicker und Singer
in Wien und am Weimarer Bauhaus nachgegangen. Dicker hatte bereits die Graphische
Lehr- und Versuchsanstalt sowie die Textilklasse der Kunstgewerbeschule besucht und
Singer ein privates, auf den Einflussbereich des Expressionismus verweisendes Studium
der Malerei verfolgt, bevor sie sich 1917 in der privaten Kunstschule des Schweizer Ma-
lers Johannes Itten kennenlernten. Durch weitreichende Recherchen im privaten Archiv
von Georg Schrom und Lektüre der zahlreich erhaltenen Briefkorrespondenzen konnte
Licht in ihr bisher weitgehend im Dunkel liegendes Kontakte-Netzwerk in Wien ge-
bracht werden. Zu jener Zeit standen sie neben Johannes Itten mit führenden Persönlich-
keiten der Reformpädagogik und künstlerischen Avantgarde wie Eugenie Schwarzwald,
Siegfried Bernfeld, Franz Cizek, Alfred Roller, Max Ermers, Adolf Loos und Arnold
Schönberg in Verbindung.
Ausgehend von der Wiener Gruppe um Johannes Itten am Weimarer Bauhaus wur-
den zunächst exemplarische Arbeiten ihrer Studienzeit am Bauhaus beleuchtet. Neben
der Bühnenwerkstätte, die beide besuchten, studierte Dicker in der Weberei-Werkstatt
und Singer in der Tischlerei-Werkstatt. Publizierte Textilien, Grafiken und Malereien
in den Bauhaus-Alben und dem 1923 erschienenen Band Das Staatliche Bauhaus Wei-
mar zeugen davon, dass Dickers Begabung von Gropius und den Meistern am Bauhaus
besonders geschätzt wurde. Von Singers künstlerischer Produktivität am Bauhaus fin-
den sich dagegen kaum Spuren. Kein einziges von ihm am Bauhaus entworfenes Möbel
ist überliefert. Seine Energie dürfte vorwiegend in die gemeinsam mit Dicker parallel
zum Studium verfolgte Theaterarbeit mit Berthold Viertel geflossen sein. Im Rahmen
der Recherchen konnte allerdings der für Singers künstlerische Ausrichtung signifikante
Nachweis erbracht werden, dass er sich für den von Theo van Doesburg in Weimar 1922
eingerichteten Stijl-Kurs anmeldete. Vier gemeinsam von Dicker und Singer entwickelte
Einfamilienhaus-Entwürfe, bei denen sie sich mit zweckmäßigen Grundrissorganisatio-
nen beschäftigten, deuten darüber hinaus ihre berufliche Zukunft in Wien an.
Da Dicker und Singer einander 1917 kennenlernten und während ihrer Bauhaus-Stu-
dienzeit und in der Folge beruflich gemeinsam arbeiteten, wurden anschließend ihre be-
ruflichen Anfänge ab 1923 in Berlin – ihre Arbeit in den Werkstätten Bildender Kunst und
ihre Theaterarbeiten für das Theaterensemble Die Truppe unter Berthold Viertel – näher
untersucht. Erstmals konnte nachgewiesen werden, dass neben Dicker und Singer vor-
wiegend ehemalige „Bauhäusler“ für die Werkstätten Bildender Kunst tätig waren. Hierzu
© 2021 Böhlau Verlag | Brill Österreich GmbH
https://doi.org/10.7767/9783205213161 | CC BY-NC 4.0
Bauhaus in Wien?
Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Titel
- Bauhaus in Wien?
- Untertitel
- Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Autor
- Katharina Hövelmann
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21316-1
- Abmessungen
- 17.4 x 25.6 cm
- Seiten
- 492
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 9
- 1.1 Ein vergessenes Kapitel Wiener Design- und Architekturgeschichte 9
- 1.2 Forschungsstand 10
- 1.3 Quellenlage 15
- 1.4 Forschungsziele und Methodik 21
- 2 Dickers und Singers künstlerische Ausbildung im Zeichen von Kunstschulreform und Lebensreformbewegung 27
- 2.1 Die Zeit in Wien 27
- 2.1.1 Herkunft und Ausbildung bis 1916 27
- 2.1.2 Kunstschule Johannes Itten und Netzwerke 1916–1919 33
- 2.2 Studienzeit am Bauhaus in Weimar 1919–1923 47
- 2.2.1 Die Wiener Gruppe um Johannes Itten 47
- 2.2.2 Unterricht 56
- 2.2.3 Erste Architekturentwürfe – Vier Einfamilienhäuser 77
- 3 Berufliche Anfänge 89
- 3.1 Aufträge für Theater in Dresden und Berlin 1921–1922 89
- 3.2 Werkstätten Bildender Kunst GmbH, Berlin 1923–1926 92
- 3.2.1 Arbeiten für Die Truppe 107
- 3.2.2 Die Auflösung 114
- 4 Die Wiener Ateliergemeinschaft 1925–1938 117
- 4.1 Die Zusammenarbeit von Dicker und Singer 1925–1931 117
- 4.2 Architekturfachkenntnis im Hintergrund – Die AteliermitarbeiterInnen 134
- 4.3 AuftraggeberInnen 140
- 4.4 Strategien der Bewerbung 147
- 4.4.1 Axonometrie und Modell 147
- 4.4.2 Fotografie 154
- 4.4.3 Publikationen 157
- 4.5 Dickers und Singers Wege ab 1933/1934 162
- 5 „Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 173
- 5.1 Das Bauhaus als Basis 173
- 5.2 Zur Situation in Wien – Innenraumgestaltung und Architektur 175
- 5.2.1 Die Wiener Moderne um 1900 175
- 5.2.2 Wien in der Zwischenkriegszeit 177
- 5.3 Theorie und Anspruch der Ateliergemeinschaft 182
- 5.4 Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 185
- 5.4.1 Vom Einzelstück zur Typisierung – Frühe Möbel 1925–1929 185
- 5.4.1.1 Bauhaus und De Stijl als Vorbild 185
- 5.4.1.2 Verwandelbarkeit als Prinzip 202
- 5.4.1.3 Verbindungen zum Wiener Jugendstil und Biedermeier 210
- 5.4.1.4 Zwischen sozialem und künstlerischem Anspruch: Typisierungstendenzen 216
- 5.4.1.5 Möbeltischler und Hersteller 228
- 5.4.2 Wege zur Serienfabrikation – Stahlrohr- und Sperrholzmöbel 1929–1938 230
- 5.4.2.1 Der Stahlrohrstapelstuhl von Bruno Pollak 234
- 5.4.2.2 Stahlrohrmöbelentwürfe der Ateliergemeinschaft 238
- 5.4.2.3 Hersteller und Produktionsversuche der Stahlrohrmöbel 251
- 5.4.2.4 Entwürfe für die Firma Metz & Co 253
- 5.4.2.5 Sperrholzmöbel 261
- 5.4.2.6 Produktionsversuche der Sperrholzmöbel 264
- 5.4.3 Eine Welt für Kinder – Kindermöbel und Baukastenspiele 1927–1938 266
- 5.4.4 Leuchten und andere Metallarbeiten 289
- 5.4.5 Kachelöfen 302
- 5.5 Raumgestaltungen und Architektur 309
- 5.5.1 Verwendung von Farbe als Gestaltungsmittel 309
- |5.5.2 Intervention im Haus Moller von Adolf Loos und im dazugehörigen Garten 319
- 5.5.2.1 Ein neu entdeckter Möblierungsentwurf 319
- 5.5.2.2 Das Zimmer für Anny Wottitz-Moller 334
- 5.5.2.3 Das Gartenhaus 337
- 5.5.3 Wohnkonzepte auf kleinster Fläche 339
- 5.5.3.1 Einwohnräume 339
- 5.5.3.2 „Wachsende Häuser“ – Entwürfe für Kleinhauswohnbauten in Palästina 362
- 5.5.4 Fulminanter Höhe- und Endpunkt – Das Gästehaus Auersperg-Hériot 379
- 5.6 Epilog: Sozialer Anspruch oder Zeitgeist? – Eine kritische Bewertung 411
- 6 Resümee und Ausblick 417
- 7 Anhang 425
- 7.1 Quellentexte 425
- 7.2 Biografie Friedl Dicker / Franz Singer 428
- 7.3 Archive und Sammlungen 431
- 7.4 Literatur 436
- 7.5 Webseiten 473
- 7.6 Bildnachweis 477
- 7.7 Abkürzungen 480
- 7.8 Abstract 481
- 7.9 Register 482