Seite - 154 - in Bauhaus in Wien? - Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
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Die Wiener Ateliergemeinschaft
1925–1938154
Wie die perspektivischen Zeichnungen wurden auch die Modelle auf Ausstellungen
gezeigt. Auf einer weiteren Fotografie der Ausstellung „Wiener Raumkünstler“ ist das
Modell eines „Diwanbetts“ erkennbar, das neben der großen Variante auf einem Konsol-
brett an der Wand steht und möglicherweise eine alternative Ausführung demonstrieren
sollte.153 Franz Singer war überzeugt von deren Wirkung. In einem undatierten Brief
schreibt er an eine Mitarbeiterin – vermutlich Dicker –, die mit dem Entwurf für die
Ausstellung betraut war: „Bist Du ganz von der Idee der Modelle abgekommen? Das
scheint mir nicht ganz richtig. Das würde den Charakter, der gemeint ist, noch sehr beto-
nen u. das kann nicht klar genug gemacht werden. Außerdem fehlen dadurch eine Reihe
der uns schon vorhandenen Möbeltypen u. das ist schade. Am richtigsten wäre es sogar
das Hauptgewicht auf die Modelle zu legen (nur kostet das wahrsch. unser Geld), d. h.
alles in Modellen zu zeigen u. nur als Beispiel das Eine oder Andre in Originalgröße.“154
Auch für Ausstellungen der Firma Metz & Co schlug Singer die Verwendung von Model-
len vor: „Das Ganze zu ergänzen durch Modelle, welche teilweise dazu dienen, Alterna-
tivfälle darzustellen, [...] teilweise Räume, resp. ganze Wohnungen [...] in verkleinertem
Massstab darstellen und den Sinn dieser Einrichtungsart verdeutlichen sollen [sic!].“155
4.4.2 Fotografie
Die Ateliergemeinschaft ließ die meisten Projekte und Möbel fotografisch dokumentie-
ren. Hierfür arbeitete sie mit verschiedenen in Wien, Berlin und Reichenberg ansässigen
Fotostudios zusammen. Hinweise dazu liefern handschriftliche Vermerke und Stempel
auf den Rückseiten der Fotografien. Einige frühe Projekte wurden durch den Fotografen
Julius Scherb156 (1881–1958) (VI. Gumpendorfestr. 26) abgelichtet. Dies betrifft die
Wohnungen von Anny und Hans Moller, Alice Moller, Hans Heller, Karl Heller, Ju-
lius Koritschoner, Ernst Wachtel, Viktor Emanuel Pollak, Hunger, die Villa Neumann,
die Kunstschau 1927 und die Ausstellung „Wiener Raumkünstler“ 1929/1930. Ab 1929
taucht erstmals bei Fotografien rückseitig der handschriftliche Hinweis „Photo: Pfitzner-
153 BHA, Fotosammlung, Franz Singer, Inv.-Nr. 7921/4.
154 AGS, Brief Franz Singer an eine Mitarbeiterin, undatiert, um 1929. Da Singer die Adressatin mit
Du anredet und er seine enge Mitarbeiterin Leopoldine Schrom in Briefen im Zeitraum 1934 bis
1938 stets siezte, könnte es sich bei der Adressatin um Friedl Dicker handeln.
155 BHA, Liste für Metz & Co, um 1936 (o. Inv.-Nr.).
156 Julius Scherb eröffnete 1919 ein eigenes Atelier in Wien und spezialisierte sich auf Architekturfo-
tografie, fertigte auch Fotoreproduktionen von Gemälden und Kunstwerken sowie Sachaufnahmen
an und arbeitete als Fotograf des Künstlerhauses. Zahlreiche seiner Aufnahmen erschienen in der
Zwischenkriegszeit in der Presse. Er wurde 1942 NSDAP-Mitglied und war als Fotograf bis in die
1950er-Jahre aktiv. Siehe: Holzer 2013, S. 216.
© 2021 Böhlau Verlag | Brill Österreich GmbH
https://doi.org/10.7767/9783205213161 | CC BY-NC 4.0
Bauhaus in Wien?
Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Titel
- Bauhaus in Wien?
- Untertitel
- Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Autor
- Katharina Hövelmann
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21316-1
- Abmessungen
- 17.4 x 25.6 cm
- Seiten
- 492
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 9
- 1.1 Ein vergessenes Kapitel Wiener Design- und Architekturgeschichte 9
- 1.2 Forschungsstand 10
- 1.3 Quellenlage 15
- 1.4 Forschungsziele und Methodik 21
- 2 Dickers und Singers künstlerische Ausbildung im Zeichen von Kunstschulreform und Lebensreformbewegung 27
- 2.1 Die Zeit in Wien 27
- 2.1.1 Herkunft und Ausbildung bis 1916 27
- 2.1.2 Kunstschule Johannes Itten und Netzwerke 1916–1919 33
- 2.2 Studienzeit am Bauhaus in Weimar 1919–1923 47
- 2.2.1 Die Wiener Gruppe um Johannes Itten 47
- 2.2.2 Unterricht 56
- 2.2.3 Erste Architekturentwürfe – Vier Einfamilienhäuser 77
- 3 Berufliche Anfänge 89
- 3.1 Aufträge für Theater in Dresden und Berlin 1921–1922 89
- 3.2 Werkstätten Bildender Kunst GmbH, Berlin 1923–1926 92
- 3.2.1 Arbeiten für Die Truppe 107
- 3.2.2 Die Auflösung 114
- 4 Die Wiener Ateliergemeinschaft 1925–1938 117
- 4.1 Die Zusammenarbeit von Dicker und Singer 1925–1931 117
- 4.2 Architekturfachkenntnis im Hintergrund – Die AteliermitarbeiterInnen 134
- 4.3 AuftraggeberInnen 140
- 4.4 Strategien der Bewerbung 147
- 4.4.1 Axonometrie und Modell 147
- 4.4.2 Fotografie 154
- 4.4.3 Publikationen 157
- 4.5 Dickers und Singers Wege ab 1933/1934 162
- 5 „Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 173
- 5.1 Das Bauhaus als Basis 173
- 5.2 Zur Situation in Wien – Innenraumgestaltung und Architektur 175
- 5.2.1 Die Wiener Moderne um 1900 175
- 5.2.2 Wien in der Zwischenkriegszeit 177
- 5.3 Theorie und Anspruch der Ateliergemeinschaft 182
- 5.4 Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 185
- 5.4.1 Vom Einzelstück zur Typisierung – Frühe Möbel 1925–1929 185
- 5.4.1.1 Bauhaus und De Stijl als Vorbild 185
- 5.4.1.2 Verwandelbarkeit als Prinzip 202
- 5.4.1.3 Verbindungen zum Wiener Jugendstil und Biedermeier 210
- 5.4.1.4 Zwischen sozialem und künstlerischem Anspruch: Typisierungstendenzen 216
- 5.4.1.5 Möbeltischler und Hersteller 228
- 5.4.2 Wege zur Serienfabrikation – Stahlrohr- und Sperrholzmöbel 1929–1938 230
- 5.4.2.1 Der Stahlrohrstapelstuhl von Bruno Pollak 234
- 5.4.2.2 Stahlrohrmöbelentwürfe der Ateliergemeinschaft 238
- 5.4.2.3 Hersteller und Produktionsversuche der Stahlrohrmöbel 251
- 5.4.2.4 Entwürfe für die Firma Metz & Co 253
- 5.4.2.5 Sperrholzmöbel 261
- 5.4.2.6 Produktionsversuche der Sperrholzmöbel 264
- 5.4.3 Eine Welt für Kinder – Kindermöbel und Baukastenspiele 1927–1938 266
- 5.4.4 Leuchten und andere Metallarbeiten 289
- 5.4.5 Kachelöfen 302
- 5.5 Raumgestaltungen und Architektur 309
- 5.5.1 Verwendung von Farbe als Gestaltungsmittel 309
- |5.5.2 Intervention im Haus Moller von Adolf Loos und im dazugehörigen Garten 319
- 5.5.2.1 Ein neu entdeckter Möblierungsentwurf 319
- 5.5.2.2 Das Zimmer für Anny Wottitz-Moller 334
- 5.5.2.3 Das Gartenhaus 337
- 5.5.3 Wohnkonzepte auf kleinster Fläche 339
- 5.5.3.1 Einwohnräume 339
- 5.5.3.2 „Wachsende Häuser“ – Entwürfe für Kleinhauswohnbauten in Palästina 362
- 5.5.4 Fulminanter Höhe- und Endpunkt – Das Gästehaus Auersperg-Hériot 379
- 5.6 Epilog: Sozialer Anspruch oder Zeitgeist? – Eine kritische Bewertung 411
- 6 Resümee und Ausblick 417
- 7 Anhang 425
- 7.1 Quellentexte 425
- 7.2 Biografie Friedl Dicker / Franz Singer 428
- 7.3 Archive und Sammlungen 431
- 7.4 Literatur 436
- 7.5 Webseiten 473
- 7.6 Bildnachweis 477
- 7.7 Abkürzungen 480
- 7.8 Abstract 481
- 7.9 Register 482