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Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 253
sprechen und die ganze Sache, soweit sie von ihm gemacht wird, kalkulieren lassen, nach-
dem noch die ganzen Verfeinerungen durchgehen müssen [sic!].“193
Obwohl einzelne Typen beibehalten wurden, weichen die Stahlrohrmöbel in den
Details voneinander ab. Oftmals wurden sie für die jeweiligen AuftraggeberInnen neu
gezeichnet. Die wiederkehrenden Typen, die Patent-Anmeldungen und das Bestreben,
internationale Vertriebspartner zu finden, verdeutlichen jedoch das Interesse an der Se-
rienproduktion der Möbel. Im Juli 1934 wandte sich eine Rozsi Delmar in einem Brief
an Franz Singer und berichtet, dass ihr Schwager Béla Policer in Brüssel eine „Verchro-
mungsanstalt und eine Stahlrohrmöbelfabrik“194 betreibe und fragt, ob Singer nicht Inte-
resse habe, mit ihm für Belgien zusammenzuarbeiten. Singer antwortete im August 1934:
„Ich wäre selbstverständlich sehr froh, wenn ich in irgend einer Weise für Ihren Schwager
und mit ihm arbeiten könnte, [...]. Natürlich wäre es gut zu wissen, was und wer sein
Absatzgebiet und wie gross sein Aktionsradius und daher seine Produktion ist.“195 Erst im
Februar 1935 wandte sich Policer wieder an Singer: „Ich habe am hiesigen Markt grosse
Möglichkeiten insbesondere fuer Kaffeehausterrassen geeignete Stahlrohrmöbel abzuset-
zen. – Das Modell dieser Stühle muss in erster Reihe praktisch, in einanderschiebbar,
und zur billigen Ausführung geeignet sein [sic!].“196 Die Mücke-Melder Werke in der
Tschechoslowakei bekundeten 1937 Interesse an einer Lizenz des „Geflechtverfahren“
bei Stahlrohrstühlen.197 Direktor Melder kam sogar nach Wien, um die Möbel in Augen-
schein zu nehmen.198 Doch aus all diesen vielversprechenden Kontakten entwickelte sich
keine Zusammenarbeit. Einen Erfolg, wie Pollak ihn mit seinem Stapelstuhl in Großbri-
tannien erzielte, erreichte Singer nicht. Auch die Mitarbeiterin Leopoldine Schrom gab
im Zusammenhang mit der 1970 gezeigten Ausstellung an, dass „der Durchbruch [...]
eindeutig Bruno Pollak gelungen“ sei und nicht Franz Singer.199
5.4.2.4 Entwürfe für die Firma Metz & Co
Im März 1935 besuchten zwei „junge holländische Architekten“ der Firma Metz & Co
aus Amsterdam das Wiener Atelier, die, so berichtet Schrom in einem Brief an Singer,
sich für Möbel interessierten, „die man serienweise herstellen kann“.200 Metz & Co war
kein Hersteller im eigentlichen Sinn, sondern ein Kaufhaus mit einer Abteilung für In-
193 AGS, Brief Leopoldine Schrom an Franz Singer, 12.5.1936.
194 AGS, Brief Rozsi Delmar an Franz Singer, 26.7.1934.
195 AGS, Brief Franz Singer an Rozsi Delmar, 22.8.1934.
196 AGS, Brief Béla Policer an Franz Singer, 25.2.1935.
197 AGS, Brief Franz Singer an Herrn Melder[?], 2.2.1938.
198 AGS, Brief Fritz Lederer an Julius Singer, 9.11.1937.
199 AGS, Brief Leopoldine Schrom an Anna Szabó, 2.3.1972.
200 AGS, Brief Leopoldine Schrom an Franz Singer, 14.3.1935.
© 2021 Böhlau Verlag | Brill Österreich GmbH
https://doi.org/10.7767/9783205213161 | CC BY-NC 4.0
Bauhaus in Wien?
Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Titel
- Bauhaus in Wien?
- Untertitel
- Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Autor
- Katharina Hövelmann
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21316-1
- Abmessungen
- 17.4 x 25.6 cm
- Seiten
- 492
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 9
- 1.1 Ein vergessenes Kapitel Wiener Design- und Architekturgeschichte 9
- 1.2 Forschungsstand 10
- 1.3 Quellenlage 15
- 1.4 Forschungsziele und Methodik 21
- 2 Dickers und Singers künstlerische Ausbildung im Zeichen von Kunstschulreform und Lebensreformbewegung 27
- 2.1 Die Zeit in Wien 27
- 2.1.1 Herkunft und Ausbildung bis 1916 27
- 2.1.2 Kunstschule Johannes Itten und Netzwerke 1916–1919 33
- 2.2 Studienzeit am Bauhaus in Weimar 1919–1923 47
- 2.2.1 Die Wiener Gruppe um Johannes Itten 47
- 2.2.2 Unterricht 56
- 2.2.3 Erste Architekturentwürfe – Vier Einfamilienhäuser 77
- 3 Berufliche Anfänge 89
- 3.1 Aufträge für Theater in Dresden und Berlin 1921–1922 89
- 3.2 Werkstätten Bildender Kunst GmbH, Berlin 1923–1926 92
- 3.2.1 Arbeiten für Die Truppe 107
- 3.2.2 Die Auflösung 114
- 4 Die Wiener Ateliergemeinschaft 1925–1938 117
- 4.1 Die Zusammenarbeit von Dicker und Singer 1925–1931 117
- 4.2 Architekturfachkenntnis im Hintergrund – Die AteliermitarbeiterInnen 134
- 4.3 AuftraggeberInnen 140
- 4.4 Strategien der Bewerbung 147
- 4.4.1 Axonometrie und Modell 147
- 4.4.2 Fotografie 154
- 4.4.3 Publikationen 157
- 4.5 Dickers und Singers Wege ab 1933/1934 162
- 5 „Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 173
- 5.1 Das Bauhaus als Basis 173
- 5.2 Zur Situation in Wien – Innenraumgestaltung und Architektur 175
- 5.2.1 Die Wiener Moderne um 1900 175
- 5.2.2 Wien in der Zwischenkriegszeit 177
- 5.3 Theorie und Anspruch der Ateliergemeinschaft 182
- 5.4 Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 185
- 5.4.1 Vom Einzelstück zur Typisierung – Frühe Möbel 1925–1929 185
- 5.4.1.1 Bauhaus und De Stijl als Vorbild 185
- 5.4.1.2 Verwandelbarkeit als Prinzip 202
- 5.4.1.3 Verbindungen zum Wiener Jugendstil und Biedermeier 210
- 5.4.1.4 Zwischen sozialem und künstlerischem Anspruch: Typisierungstendenzen 216
- 5.4.1.5 Möbeltischler und Hersteller 228
- 5.4.2 Wege zur Serienfabrikation – Stahlrohr- und Sperrholzmöbel 1929–1938 230
- 5.4.2.1 Der Stahlrohrstapelstuhl von Bruno Pollak 234
- 5.4.2.2 Stahlrohrmöbelentwürfe der Ateliergemeinschaft 238
- 5.4.2.3 Hersteller und Produktionsversuche der Stahlrohrmöbel 251
- 5.4.2.4 Entwürfe für die Firma Metz & Co 253
- 5.4.2.5 Sperrholzmöbel 261
- 5.4.2.6 Produktionsversuche der Sperrholzmöbel 264
- 5.4.3 Eine Welt für Kinder – Kindermöbel und Baukastenspiele 1927–1938 266
- 5.4.4 Leuchten und andere Metallarbeiten 289
- 5.4.5 Kachelöfen 302
- 5.5 Raumgestaltungen und Architektur 309
- 5.5.1 Verwendung von Farbe als Gestaltungsmittel 309
- |5.5.2 Intervention im Haus Moller von Adolf Loos und im dazugehörigen Garten 319
- 5.5.2.1 Ein neu entdeckter Möblierungsentwurf 319
- 5.5.2.2 Das Zimmer für Anny Wottitz-Moller 334
- 5.5.2.3 Das Gartenhaus 337
- 5.5.3 Wohnkonzepte auf kleinster Fläche 339
- 5.5.3.1 Einwohnräume 339
- 5.5.3.2 „Wachsende Häuser“ – Entwürfe für Kleinhauswohnbauten in Palästina 362
- 5.5.4 Fulminanter Höhe- und Endpunkt – Das Gästehaus Auersperg-Hériot 379
- 5.6 Epilog: Sozialer Anspruch oder Zeitgeist? – Eine kritische Bewertung 411
- 6 Resümee und Ausblick 417
- 7 Anhang 425
- 7.1 Quellentexte 425
- 7.2 Biografie Friedl Dicker / Franz Singer 428
- 7.3 Archive und Sammlungen 431
- 7.4 Literatur 436
- 7.5 Webseiten 473
- 7.6 Bildnachweis 477
- 7.7 Abkürzungen 480
- 7.8 Abstract 481
- 7.9 Register 482