Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Historische Aufzeichnungen
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
Seite - 46 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 46 - in Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva

Bild der Seite - 46 -

Bild der Seite - 46 - in Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva

Text der Seite - 46 -

46 die auf der Annahme einer ›Pompeji-Prämisse‹ basieren und auf die funktionale Interpretation von Befunden abzielen, taphonomische Prozesse nicht berücksichtigen: »Analysis founded on the real Pompeii premise ignore these formation processes and attribute variability in house floor assemblages exclusively to ›functional‹ or social causes.«151 Dass der Begriff mit besonderer Vorsicht zu gebrau- chen ist und die angeführten Kriterien in der Praxis kaum erfüllbar sind, zeigte zuletzt auch eine einge- hende Studie über Aktivitätszonen des namenge- benden Fundorts in Kampanien152. Mehrere Gründe sprechen dagegen, die ›Pompeji-Prämisse‹ auf den Brandhorizont der Insula XLI anzuwenden. Die Brandschuttschicht der Periode II/II+ der Insula XLI von Flavia Solva-Wagna ist in eini- gen Bereichen durch jüngere antike und nachan- tike Eingriffe, z. B. Gräben oder Gruben der Peri- ode III (Haus II: G6, G12, G22, G25; Haus V: G51, G52)153, gestört. Die Befunde der Räume E, G, I/1 und J können somit nicht als versiegelt betrachtet werden. Die Entsorgung von Brandschutt in Grube G32 spricht für die Durchführung gewisser Aufräu- marbeiten. Diese Materialentnahmen, vermutlich vorwiegend aus dem Brandschutt von Haus IV, dürften einerseits nicht ohne eine gewisse Durch- mischung des Brandschutts am originalen Depo- nierungsort erfolgt sein und zeigen andererseits durch die mit dem Schutt entnommenen Artefakte die Unvollständigkeit von Inventaren der für Haus IV definierten Aktivitätszonen bzw. Räume an. Die Beinartefakte aus Grube G32 könnten aus den in Raum P und Q angesiedelten Werkstätten von Haus IV stammen (vgl. Kap. 10.2). Da die Grube G32 nicht vollständig ausgegraben werden konnte, muss offenbleiben, inwiefern weitere Artefakte aus Inventaren von Haus IV, vielleicht auch Haus V, durch die mögliche Deponierung in Grube G32 für die Rekonstruktion von Inventaren der genannten Häuser nicht zur Verfügung stehen. Die Zusammensetzung des Fundmaterials der Grube G21, insbesondere die Lage von Fragmen- ten mehrerer deutlich sekundär verbrannter Gefäße sowohl in der Grube als auch deren Streuung in Bereichen außerhalb der Grube spricht gegen die Annahme versiegelter Nutzungskontexte zumindest im Bereich von Raum E sowie der benachbarten Räume in Haus II (vgl. Kap. 10.1). Falls die geäußerten Vermutungen über die mög- liche Durchsuchung des Brandschutts nach Ver- wertbarem (z. B. Metallgegenständen) zutrifft, kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass der vorliegende Befund vollständige ›Nutzungsinven- tare‹ liefert. 151 Schiffer 1985, 38. 152 Allison 2004, 4  –  8. 153 Groh 1996, 221 f. Plan 5  –  6. Abgesehen von Beinfunden und einigen archäo- botanischen Überresten fehlen Artefakte aus orga- nischen Materialien im Fundspektrum aus dem Brandhorizont. Sämtliche (leicht) brennbaren orga- nischen Substanzen, wie z. B. Holz, Horn, Leder oder Textilien, sind wohl entweder verbrannt und/ oder durch natürliche Formationsprozesse abge- baut worden. Mögliche Inventare von Häusern und Räumen sind deshalb von vornherein diesbezüglich eingeschränkt. Außerdem erscheint es durchaus möglich, dass im Zuge des Brandes und dem damit verbundenen Zusammenbruch von Dachstühlen Artefakte aus diesen – zu welchen Zwecken auch immer – genutz- ten Hausbereichen auf die Estriche und Installatio- nen (z. B. Herde) der Räume darunter (annähernd Straßenniveau) gestürzt sind. Eine Konzentration von Amphorenfragmenten in einer Brandschicht in South Shields wird beispielsweise entsprechend gedeutet154. Möglicherweise über den ausgegra- benen Räumen unter dem Dach vorübergehend aufbewahrte oder vielleicht auch längerfristig gela- gerte Artefakte müssen nicht in einem funktionalen Zusammenhang mit dem jeweiligen Hausbereich oder Raum ihrer Deponierung während des Bran- des stehen; auf diese Weise in den Brandschutt gelangte Funde könnten die Definition von Aktivi- tätszonen verfälschen. Ferner ist nicht festzustel- len, ob die räumliche Aufteilung des angenomme- nen Bereichs unter dem Dach mit jener der Räume darunter korrespondiert und mit deren Bewohnern/ Benutzern in direktem Zusammenhang steht. Im Zusammenhang mit der Brandzerstörung der Holzbauphase II des Vicus von Aquae Helveticae- Baden weist C. Schucany darauf hin, dass die Dachkonstruktion bei einem Brand dem Feuer stark ausgesetzt gewesen sein musste155. Auf gewisse grabungstechnisch bedingte Einschrän- kungen bezüglich der Vollständigkeit der Funde aus Haus IV und Haus V der Insula XLI wurde bereits in Kapitel 5 »Quellenkritik« eingegangen (nicht ergra- bene Stege, unvollständig freigelegte Räume etc.). Die nähere Beschäftigung mit dem vorliegenden Fallbeispiel eines Brandhorizontes der Insula XLI von Flavia Solva-Wagna bestätigt durchaus die bereits eingangs angeführten kritischen Bemer- kungen R. Aschers. Er hatte bereits 1961 darauf hingewiesen, dass die Vorstellung, archäologische Befunde könnten eine exakte Momentaufnahme vergangener Geschehnisse bieten, nicht zutreffend ist156. Diese irrige Annahme einer Momentaufnahme wurde von ihm als ›Pompeji-Prämisse‹ bezeichnet. 154 Hodgson 2005, 210. 155 Schucany 1996, 31. 156 Ascher 1961, 324.
zurück zum  Buch Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva"
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
FWF-E-Book-Library
Titel
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
Autor
Christoph Hinker
Verlag
Österreichisches Archäologisches Institut
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-ND 3.0
ISBN
978-3-900305-70-3
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
344
Schlagwörter
Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. Einleitung 9
  3. 1 Lage 11
  4. 2 Historischer Kontext 15
    1. 2.1 Die Markomannenkriege und der germanische Einfall in Italien 16
    2. 2.2 Die antoninische Pest 21
  5. 3 Forschungsgeschichte 23
  6. 4 Forschungsmeinungen 27
  7. 5 Quellenkritik 31
  8. 6 Terminologie 35
  9. 7 Taphonomie 37
    1. 7.1 Befunde 38
    2. 7.2 Funde 43
    3. 7.3 Resümee 45
    4. 7.4 Exkurs: ›Pompeji-Prämisse‹ in Flavia Solva? 45
  10. 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
  11. 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
  12. 10 Definition von Aktivitätszonen 57
  13. 10.1 Exkurs: Grube G21 66
  14. 10.2 Exkurs: Grube G32 72
  15. 11 Fundauswertung 77
    1. 11.1 Anorganisches Fundmaterial 78
      1. 11.1.1 Glas 78
      2. 11.1.2 Keramik 79
      3. 11.1.3 Metall 120
      4. 11.1.4 Schlacke 130
      5. 11.1.5 Stein 130
    2. 11.2 Organisches Fundmaterial 130
      1. 11.2.1 Archäozoologische Beurteilung der Tierreste 130
      2. 11.2.2 Bein- und Hornartefakte 142
      3. 11.2.3 Archäobotanik 148
  16. 12 Chronologie 153
  17. 13 Technologie und Werkstätten 157
    1. 13.1 Bein- und Hornverarbeitung 159
      1. 13.1.1 Rohstoffe 159
      2. 13.1.2 Produktionskette 160
    2. 13.2 Buntmetallverarbeitung 165
    3. 13.3 Textilproduktion 166
  18. 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
  19. 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
  20. 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
    1. 16.1 Holzarchitektur 180
    2. 16.2 Schadensfeuer 180
    3. 16.3 Pompeji-Prämisse 180
    4. 16.4 Militaria 181
    5. 16.5 Menschliche Skelettreste 182
    6. 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
    7. 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
    8. 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
    9. 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
    10. 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
    11. 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
  21. 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
  22. 18 Resümee 195
    1. 18.1 Resümee 196
    2. 18.2 Summary 196
  23. 19 Katalog 199
    1. 19.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 1 – 506) 201
      1. 19.1.1 Glas (Kat. 1 – 3) 201
      2. 19.1.2 Keramik (Kat. 4 – 432) 201
      3. 19.1.3 Metall (Kat. 433 – 499) 238
      4. 19.1.4 Schlacke (Kat. 500 – 504) 243
      5. 19.1.5 Stein (Kat. 505 – 506) 243
    2. 19.2 Organisches Fundmaterial (Kat. 507 – 622) 243
      1. 19.2.1 Bein- und Hornartefakte (Kat. 507 – 623) 243
    3. 19.3 Signifikante Fundstücke ohne Abbildung 252
      1. 19.3.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 624 – 664) 252
      2. 19.3.2 Organisches Fundmaterial (Kat. 665 – 679) 254
    4. 19.4 Fundstücke von geringerer Signifikanz (ohne Abbildung) 255
      1. 19.4.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 680 – 822) 255
  24. 20 Tafeln 263
  25. Tafeln 1 – 43 265
  26. Fototafeln 1–9 308
  27. Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
  28. 21 Anhang 321
    1. 21.1 Abkürzungen 322
    2. 21.2 Abgekürzte Typenansprache und Zitierwerke 322
    3. 21.3 Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur 323
    4. 21.4 Abbildungsnachweise 341
    5. 21.5 Anschriften der Verfasser 341
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva