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Nachweis von Pichung auf Gefäßen eher mit der
Vorratshaltung als mit der Nahrungszubereitung in
Verbindung gebracht. Zumindest können sich diese
Annahmen auf die Zubereitung von Speisen durch
Erwärmen, d. h. Garen, Kochen etc. beziehen. Die
Nahrungsaufbereitung umfasst insgesamt vielfäl-
tige Tätigkeiten, die nicht zwingend Hitzeeinwirkung
vorsehen. Übergänge zwischen Nahrungsaufberei-
tung und Vorratshaltung können fließend sein, z. B.
Einlagerung zur Bevorratung und/oder Gärung. Die
mögliche Funktion einzelner Typen wird im Rahmen
der jeweiligen Typenbildung und -beschreibung
diskutiert. Wegen der bestehenden Unschärfen im
Zusammenhang mit der funktionalen Klassifizie-
rung von grober Gefäßkeramik, besonders hinsicht-
lich der mengenmäßig größten Gruppe der Töpfe,
wurde auf eine detailliertere grafische Darstellung
als Diagramm Abb. 27 verzichtet251.
Dreifußschüsseln
Im Folgenden wird auf einige allgemeine Aspekte
von Dreifußschüsseln eingegangen, die für sämtli-
che definierte Typen Gültigkeit besitzen.
Im vorliegenden Spektrum grober Gefäßkeramik
lassen sich Dreifußschüsseln verschiedener Form-
gebung differenzieren. Grundlegend ist eine Unter-
scheidung in Dreifußschüsseln mit sog. kalotten-
förmigem Gefäßkörper und nach innen geneigter
Mündung (Typen 1 ff.) und Dreifußschüsseln mit
Wandknick und nach außen geneigter Mündung
(Typen 2 ff.) zu treffen. Der vorliegende Befund ist
damit ein weiterer Beleg für die kontemporäre Ver-
wendung und sehr wahrscheinlich auch Erzeugung
dieser beiden von der provinzialrömischen Kera-
mikforschung traditionell unterschiedenen und mit
einer typologischen Abfolge verknüpften Dreifuß-
schüsseln. Das tatsächliche Verhältnis der beiden
grundlegend zu differenzierenden Dreifußschüssel-
formen (Typ 1 : Typ 2) im vorliegenden Fundma-
terial ist nicht mit Sicherheit zu bestimmen, da die
letztendlich zur konkreten Ansprache als Dreifuß-
schüssel notwendige Bodenpartie lediglich in sechs
Fällen komplett oder zumindest teilweise erhalten
ist, was ein (wahrscheinlich verfälschtes) Verhält-
nis von 3 : 3 ergeben würde. Bezieht man sämtliche
Mündungsfragmente, bei denen es sich zwar sehr
wahrscheinlich, aber letztlich nicht gesichert um
Dreifußschüsseln handeln könnte, (in die Kalku-
lation) mit ein, ergibt sich ein (wahrscheinlich kor-
rekteres) Verhältnis von 6 : 16. Dieses Ergebnis ist
einerseits plausibel mit der grundsätzlichen Über-
schneidung von Lauf- und wahrscheinlich auch von
Produktionszeiten der beiden Typen zu verknüpfen,
liefert andererseits vielleicht ein Indiz dafür, dass
251 Es wurden lediglich Gefäße berücksichtigt, die einigermaßen
eindeutig einer der gewählten Kategorien zugeordnet werden
können. während der zweiten Hälfte des 2. Jahr
hunderts n.
Chr. tendenziell mit einer zunehmenden Herstel-
lung und Verwendung von Typ 2 gegenüber Typ 1
zu rechnen ist. Dass von einer Überschneidung der
Laufzeiten der beiden Dreifußschüsseltypen aus-
zugehen ist, wurde bereits durch die Analyse von
Grabzusammenhängen, die beide Typen enthalten,
angedeutet252. Eine Aussage zur Tendenz bezüg-
lich einer Ab- oder Zunahme eines Typs gegenüber
dem anderen konnte jedoch durch die Auswertung
von Grabbeigaben nicht getroffen werden, da in der
Regel in Bestattungen, die beide Typen aufweisen,
nur ein Typvertreter pro Typ niedergelegt worden
war.
In mehreren Fällen (Kat. 5. 7. 13. 15. 19) konnten
die zu den jeweiligen Dreifußschüsseln gehörenden
Deckel (Kat. 4. 6. 12. 14. 18) identifiziert werden
oder haben sich diese erhalten. Die Deckelränder
sind jeweils sorgfältig auf das Mündungsprofil des
jeweiligen Dreifußschüsseltyps abgestimmt ausge-
führt. Vielleicht ein weiteres Indiz dafür, dass es sich
bei den Dreifußschüsseln und zugehörigen Deckeln
um Kochgeschirrgarnituren handelt. Mit der mög-
lichen Verwendung als Kochgefäß darf vielleicht
auch die vor allem an Vertretern des Typs 1 fest-
stellbare mehrfache Profilierung der Gefäßwandung
in Zusammenhang gebracht werden. Es könnte sich
dabei weniger um ein dekoratives, sondern vielmehr
um ein haptisch-funktionales Merkmal handeln,
welches das Manipulieren der gefüllten und heißen
Dreifußschüsseln erleichtern sollte. Die nach außen
geneigte Mündung des Typs 2 gewährleistet an sich
bereits eine gute Angriffsfläche, die Anbringung ent-
sprechender akzentuierter Profilierungen, die mit
einem weiteren Produktionsschritt verbunden ist,
erübrigt sich deshalb.
An keiner der aus Periode II/II+ vorliegenden Drei-
fußschüsseln konnten Spuren, die von einem Sta-
peln der Gefäße im Töpferofen stammen könnten,
festgestellt werden. Ante cocturam angebrachte
Markierungen liegen weder von Schüsseln noch
von Deckeln vor.
Dreifußschüssel Typ 1.1 (Kat. 5. 7)
Zu den charakteristischen formalen Merkmalen
der Dreifußschüssel Typ 1 zählen der schnabelför-
mig horizontal nach innen geneigte Rand und das
horizontal bis leicht aufwärts nach außen geneigte
Deckelauflager. Die scharfkantige Ausführung
von Mündungsprofil und Deckelauflager sowie die
Anbringung mehrerer deutlich unterschnittener hori-
zontaler Rillen sind diagnostische Merkmale, wel-
che den Typ 1.1 deutlich vom Typ 1.2 abgrenzen.
Die Außenkonturen des Gefäßkörpers beschreiben
etwa eine Ellipse. Zur relativ exakten Ausführung
252 z. B. Artner 1994, 81 Taf. 29, 4 – 5 (Grab 65, 2. Hälfte 2. Jh. n.
Chr.).
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Titel
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Autor
- Christoph Hinker
- Verlag
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321