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der regelmäßigen Profilierungen dürfte ein Werk-
zeug, vielleicht eine Spachtel oder Ähnliches ein-
gesetzt worden sein. Im Gegensatz dazu dürfte
die unregelmäßigere und gröbere Profilierung des
Typs 1.2 vorwiegend durch Einsatz der Finger
erzeugt worden sein.
Die beiden Typvertreter Kat. 5 und Kat. 7 weisen
sehr starke formale Ähnlichkeiten und nahezu ent-
sprechende Abmessungen sowie herstellungs-
technische Merkmale auf. Abgesehen von zu ver-
nachlässigenden, auf Handarbeit beruhenden
Unterschieden der Wandstärke lassen sich deshalb
kaum weitere Merkmale anführen, die eine formale
Bandbreite innerhalb des definierten Typs 1.1 fest-
legen. Sowohl Deckel als auch Dreifußschüssel ent-
sprechen jeweils Fabrikat II und sind scheibenge-
dreht. Die Füße wurden jeweils aus einem Standring
ausgeschnitten. Der Mündungsdurchmesser ist bei
beiden Schüsseln mit 22 cm identisch, die Höhen
schwanken geringfügig zwischen 10,6 und 11,2 cm.
Die geringe Höhendifferenz kann auf zwei Faktoren
zurückgeführt werden: Einerseits liegt Handarbeit
vor, andererseits ist die geringfügige Deformierung
der Dreifußschüssel Kat. 7 durch partielle sekun-
däre Brandspuren nachweisbar. Die auch in Details
vorliegenden Ähnlichkeiten legen nicht nur eine zeit-
liche Annäherung nahe, sondern dürfen auch als
Beleg für die Herkunft aus derselben Produktion,
vermutlich desselben Töpfers, aufgefasst werden.
Die beiden vorliegenden Dreifußschüsseln Kat. 5
und Kat. 7 illustrieren damit die Routine und Wie-
derholung bestimmter Produktionsschritte zur Her-
stellung weitgehend identischer Dreifußschüsseln.
Neben der zunehmenden Routine des Produkti-
onsprozesses darf die starke formale Ähnlichkeit
vielleicht auch mit einem gewissen ›Wiedererken-
nungswert‹ der Dreifußschüsseln vom Typ 1.1 sei-
tens des antiken Benutzers und/oder Kunden ver-
knüpft werden.
Die jeweils erhaltenen zugehörigen Deckel Kat. 4
und 6 legen nahe, dass es sich bei den Deckeln
vom Typ 1 primär um Deckel von Dreifußschüsseln
des Typs 1.1 handelt. Lediglich ein einziger weite-
rer, den formalen Kriterien des Typs 1.1 relativ gut
entsprechender Typvertreter konnte im – bezüg-
lich Dreifußschüsseln durchaus als umfangreich
zu bezeichnenden – bislang vorgelegten südost-
norischen Gefäßkeramikmaterial aus Flavia Solva-
Wagna253 identifiziert werden. Eine Ausdehnung
der Mindestlaufzeit des Typs 1.1 ist von dieser Par-
allele, die nach Datierung des Grabbefundes mit
gleicher Wahrscheinlichkeit der zweiten Hälfte des
2. Jahr hunderts n. Chr. zuzuweisen sein mag wie
einem jüngeren Datum des 3. oder einem älteren
253 Fuchs 1980, 74 Taf. A 14, 6 (Gräberfeld Marburgerstraße,
Grab 48, Lazar 10.2.2, 1.–3. Jh. n. Chr.). Datum des 1. bis beginnenden 2. Jahr hunderts n.
Chr., nicht zwingend abzuleiten.
Dreifußschüssel Typ 1.2 (Kat. 8
– 10)
Die Dreifußschüssel Kat. 8 ist dem Typ 1.2 zuzu-
rechnen. Dieser ist dem Typ Dr 2/7b von Gleisdorf
ähnlich254. Die Mündungsfragmente der Schüsseln
Kat. 9 – 10 können nicht mit Sicherheit als Dreifuß-
schüsseln angesprochen werden, da die Boden-
partie fehlt. Die formalen Ähnlichkeiten sprechen
jedoch für eine Zuordnung an den Typ 1.2. Dieser
ist gegenüber Typ 1.1 durch das in allen Details
wesentlich ›weicher‹ abgerundet ausgeführte Mün-
dungsprofil gekennzeichnet. Der Rand ist nicht
schnabelförmig horizontal, sondern schräg aufwärts
nach innen geneigt. Eine spezifische weitere Aus-
formung der Mündung liegt insofern nicht vor, als
die Wandstärke des übrigen Gefäßkörpers in etwa
beibehalten wird und zu einem lediglich einfachen
abgerundeten Abschluss ausgeführt ist. Das obere
Drittel des Gefäßkörpers ist außen mit mehreren
Profilierungen versehen, von denen die oberste, am
deutlichsten akzentuierte das Deckelauflager bildet.
Dieses Deckelauflager kann von einer horizontalen
Rille (Kat. 9) begleitet sein. Vielleicht handelt es
sich bei Deckeln wie Kat. 183 vom Typ 3 um die
entsprechenden Deckel der Dreifußschüsseln vom
Typ 1.2, wie Dreifußschüssel-Deckel-Garnituren
aus Gleisdorf nahelegen255. Dass es sich bei dem
Deckel Kat. 183 tatsächlich um den Deckel der
Dreifußschüssel Kat. 9 handelt, wie der gemein-
same Fundumstand in Raum F nahelegt, ist jedoch
durch die unterschiedlichen Durchmesser ausge-
schlossen.
Weitere Typvertreter sind in Flavia Solva-Wagna256,
Gleisdorf 257 und Saaz258 nachgewiesen. Die ange-
führten Parallelen erlauben eine plausible Ausdeh-
nung der Mindestlaufzeit von Dreifußschüsseln vom
Typ 1.2 vorwiegend auf die Zeitspanne des gesam-
ten 2. Jahr hunderts n. Chr., vielleicht bis Mitte des
3. Jahr hunderts n. Chr.
Die aus Periode II/II+ der Insula XLI von Flavia
Solva-Wagna stammenden Typvertreter liegen
sowohl in Fabrikat I als auch in Fabrikat II vor.
254 Artner 1994, 24 f. Abb. 11; 67 f. Taf. 5, 4. 6 (Grab 7b, 1. Hälfte
2. Jh. n. Chr.); 76 Taf. 19, 8 – 9 (Grab 32, Ende 1.–1. Hälfte 2.
Jh. n. Chr.).
255 Artner 1994, 67 f. Taf. 5, 4. 6 (Grab 7b); 76 Taf. 19, 8 – 9 (Grab
32).
256 Seehauser 2007, 136 f. 152. 170 Taf. 8, 53 (Insula XLIII, Pla-
nierschicht SE 11, Mitte 3. Jh. n. Chr.).
257 Jeschek 2000, 92 f. Abb. 3, 3 Taf. 98, 249 – 250 (Mitte 2.–Mitte
3. Jh. n. Chr.).
258 Artner 2003, 151 f. Abb. 6, 4 (Hügel 41, Bestattung 1, 1. Hälfte
2. Jh. n. Chr.).
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Titel
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Autor
- Christoph Hinker
- Verlag
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321