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Erhaltungszustandes und geringen Nachweises auf
eine Typenbildung verzichtet.
Die Dreifuß- oder Knickwandschüssel Kat. 25 ist
stark sekundär verbrannt. Neben der abgerundeten,
nach außen geneigten Mündung und dem Wand-
knick können mehrere horizontale Rillen am Gefäß-
körper als spezifische Merkmale angesprochen
werden. Eine Parallele ist in Zeil bei Stubenberg
belegt268.
Die Dreifuß- oder Knickwandschüssel Kat. 26 weist
ein nach außen, leicht aufwärts orientiertes Mün-
dungsprofil mit deutlichem Absatz an der Innenseite
auf. An der Innenseite des Gefäßkörpers sind aus-
geprägte Drehrillen feststellbar.
Die Dreifuß- oder Knickwandschüsseln Kat. 27 – 28
weisen einen geschwungeneren Wandungsverlauf
mit deutlich abgerundetem Wandungsumbruch auf.
Das Mündungsprofil ist horizontal nach außen ori-
entiert.
Die Dreifuß- oder Knickwandschüssel Kat. 29 ist
durch den einfachen Horizontalrand und den Wan-
dungsknick gekennzeichnet. Der Horizontalrand
spricht gegen eine Zuordnung zum Typ 2.1, der u.
a. durch ein leicht aufwärts geneigtes Mündungs-
profil gekennzeichnet ist.
Die Dreifuß- oder Knickwandschüssel Kat. 30 ist
durch die scharf und vielfach gegliederte Gefäß-
wand sowie durch das eingesattelte Mündungsprofil
gekennzeichnet. Auf halber Höhe zwischen Wan-
dungsknick und Mündung ist ein deutlicher Einzug
festzustellen. Parallelen sind in Gleisdorf nachge-
wiesen269.
Das Fußfragment Kat. 31 weist starke sekundäre
Brandspuren auf. Die Signifikanz des Fragments
liegt primär im Nachweis taphonomischer Prozesse,
sekundär im Nachweis einer (formal-typologisch
nicht näher bestimmbaren) Dreifußschüssel.
Schüssel Typ 1 (Kat. 32)
Die Schüssel Kat. 32 ist durch das geschwungene
Mündungsprofil mit deutlichem konkavem Einzug
gekennzeichnet. Der Rand ist schräg aufwärts nach
außen orientiert und leicht verdickt. An der Innen-
seite weist die Mündung eine deutliche konkave
Einsattelung auf. Der maximale Gefäßdurchmesser
liegt auf Höhe des Übergangs zum obersten Viertel
des Gefäßkörpers.
Formale Ähnlichkeiten bestehen zu dem »Typ 17.1:
Schüssel mit schräg aufsteigendem, gerillten Hori-
zontalrand« aus Carnuntum-Petronell270. Typ-
vertreter sind in Poetovio-Ptuj271 und Sirmium-
268 Mit weiteren Parallelen aus Lentia-Linz und Iuvavum-Salz-
burg: Artner u. a. 1997, 66. 68 f. Taf. 1, 5 (Grabbau, 2.–3.
Jh. n. Chr.).
269 Jeschek 2000, Taf. 88, 176 – 177.
270 Petznek 1997, 241 f. (≈ flavisch); Petznek 1998, 334. 337
Taf. 36, 677.
271 Mikl-Curk – Tušek 1985, 300 Taf. 3, 2 (Poetovio-Ptuj/Vičava). Sremska Mitrovica272 nachgewiesen. Da es sich
bei der aus 20 Fragmenten rekonstruierbaren
Schüssel Kat. 32, die zudem deutliche sekundäre
Brandspuren aufweist, kaum um ein aus jüngeren
Straten infiltriertes Artefakt handeln kann, ist die
angenommene ausschließlich spätantike Zeitstel-
lung von Typvertretern aus Flavia Solva-Wagna273
als obsolet zu betrachten.
Eine mögliche funktionale Ansprache der Schüs-
sel Typ 1 nach formalen Kriterien als Kochgefäß
ist naheliegend, bleibt aber spekulativ. Die am vor-
liegenden Typvertreter festgestellten sekundären
Brandspuren hängen mit der Genese des Befunds
durch eine Brandkatastrophe zusammen und sind
keine Verfärbungen, die von der Hitze eines Herd-
feuers stammen. Besonders die schlechter erhal-
tene Seite des Gefäßes weist deutliche Brand-
spuren in Form einer ›Körnung‹ mit grauschwarz
›verschlackten‹ Partikeln (wohl vorwiegend Glim-
mer) auf (vgl. Kap. 7). Die spezielle Ausformung
der Innenseite des Mündungsprofils mit deutlichem
Absatz dient wohl zur Aufnahme eines entsprechen-
den Deckels.
Auffallend sind die formalen Ähnlichkeiten mit den
Töpfen vom Typ 6, weshalb es sich vielleicht um
kombinierte Schüssel-Topf-Garnituren, die mög-
licherweise aus einer gemeinsamen Produktion
stammen, handeln könnte. Sowohl die vorliegende
Schüssel vom Typ 1 als auch drei (von vier) Töpfen
Typ 6 sind Fabrikat II zuzurechnen. Es ist in diesem
Zusammenhang jedoch einzuräumen, dass es sich
bei Fabrikat II um das bezüglich dem vorliegenden
Spektrum grober Gefäßkeramik generell dominie-
rende Fabrikat handelt.
Schüssel Typ 2 (Kat. 33 – 36)
Die großen Schüsseln vom Typ 2 sind durch das
nach innen geneigte Mündungsprofil mit deutli-
chem, kantig bis abgerundetem Wandungsknick
gekennzeichnet. Der maximale Gefäßdurchmesser
liegt knapp unter der Mündung.
Die Schüsseln Kat. 33 – 36 können dem Typ 2
zugerechnet werden. Ähnlichkeiten bestehen zum
Typ S 4.1 »Schüsseln mit nach innen geboge-
nem Rand« aus dem Vicus von Kalsdorf274. For-
male Abweichungen bestehen in der mehr oder
weniger kantigen oder rundlichen Ausführung des
Mündungsprofils, die vielleicht für den schärfer
profilierten Typvertreter Kat. 33 auf zusätzlichen
Werkzeugeinsatz (»Formholz« [?]) zur Formge-
272 Brukner 1981, 94 Taf. 85, 79.
273 Kainz 1989, 101 Taf. 2, 3. von oben.
274 Pammer-Hudeczek 2009, 375 f. Typentaf. 9; 387. 427 Taf. 20,
83 – 84 (Grube 4, 1. Hälfte 2. Jh. n. Chr.); 389. 434 Taf. 27, 41
(Grube 5, 2. Hälfte 2. Jh. n. Chr.); 393. 445 Taf. 38, 74 (Grube
6, 2. Hälfte 2. Jh. n. Chr.); 396. 453 Taf. 46, 16 (Grube 9, 2.
Jh. n. Chr.); 405. 482 Taf. 75, 83 (Grube 12, 2. Hälfte 2. Jh. n.
Chr.).
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Titel
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Autor
- Christoph Hinker
- Verlag
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321