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Einhenkelkrug Typ 2 (Kat. 51 –
52)
Der Krug Typ 2 ist durch den stark konkaven Hals-
einzug und die kaum verdickte, relativ lang schräg
auswärts ›gestreckte‹ Mündung gekennzeichnet.
Eine konkrete Ansprache als Krug ist nur für den
Typvertreter Kat. 51 möglich, da sich ein anpas-
sendes Henkelfragment erhalten hat. Formale Ähn-
lichkeiten sprechen für eine Zuordnung des Mün-
dungsfragments Kat. 52 an einen Krug vom Typ 2.
Funktional sind die Gefäße dem Tafel- und/oder
Vorratsgeschirr zuzurechnen. Beide aus Periode II/
II+ von Flavia Solva-Wagna vorliegenden Krüge
Typ 2 sind dem Fabrikat II zuzuweisen.
Becher Typ 1 (Kat. 53), Variante 1.1 (Kat. 54 –
55)
Der Becher Kat. 53 besitzt eine leicht verdickte Mün-
dung und weist einen konkaven Halseinzug sowie
einen horizontalen Grat zwischen Hals und Bauch-
zone des Gefäßes auf. Vielleicht darf der Grat funk-
tional als Markierung der maximalen Füllmenge des
Gefäßes interpretiert werden. Eine Parallele für den
Becher Typ 1 ist in Kapfenstein nachgewiesen303.
Dimensionen und sorgfältige Ausführung sprechen
für eine Verwendung als Trinkbecher.
Die formalen Ähnlichkeiten zwischen dem Becher
Kat. 53 und den Bechern Kat. 54 – 55 erlauben die
Zuweisung letzterer an die Variante 1.1.
Zur näheren chronologischen Einordnung von
Typvertretern aus dem Stadtterritorium von Flavia
Solva-Wagna liegen Parallelen aus Köflach-Pich-
ling304 und Leitersdorfberg305 vor. Die angeführten
Nachweise aus datierten Fundzusammenhängen
erlauben eine Ausdehnung der nach den Typvertre-
tern aus Insula XLI definierten Mindestlaufzeit auf
zumindest das gesamte 2. Jahr hundert n. Chr.
Weitere Becherformen ohne Typenbildung
(Kat. 56 – 58)
Bei verschiedenen Becherformen wurde wegen des
fragmentarischen Erhaltungszustandes und gerin-
gen Nachweises auf eine Typenbildung verzichtet.
Der Becher/Topf Kat. 56 ist durch ein nach außen
orientiertes Mündungsprofil und eine konkav einge-
zogene Halszone gekennzeichnet.
Das Bodenfragment Kat. 57 dürfte von einem
Becher stammen. Die horizontalen Rillen sind viel-
leicht eine Anlehnung an Glasbecher mit geschlif-
fenen Rillen und dienen wahrscheinlich der verbes-
serten Handhabung. Das Gefäß ist funktional dem
Tafelgeschirr und innerhalb dieser Kategorie dem
Trinkgeschirr zuzurechnen.
303 Urban 1984, 76 f. Taf. 54, A8 (Hügel 4, 2. Hälfte 1.–2. Jh. n.
Chr.).
304 Chornitzer 1995, 198. 211, Taf. 1, 5 (Grab 7, 1.–2. Jh. n. Chr.).
305 Wagner 1999, 732. 735 Taf. 1, 1 (Grabhügel 1, ≈ Anfang 2.
Jh. n. Chr.). Das Bodenfragment Kat. 58 dürfte von einem
Becher stammen. Nach den in situ in diesem
Bodenfragment aufgefundenen Münzen Mü 30, 34,
40 und 193 könnte es sich jedoch auch um eine
Sparbüchse oder um einen als solche verwende-
ten Becher handeln (vgl. Kap. 10; 11.1.3.1)306. Das
Fabrikat II spricht dagegen, dass es sich bei dem
Fragment um den Bestandteil einer originären Spar-
büchse307 handelt, da für ein solches Gefäß eher
ein feinkeramisches Fabrikat zu erwarten wäre.
Vorratstopf mit Schulterleiste Schörg. 429
(Kat. 59 – 70), Variante Schörg. 429.1 (Kat. 71 – 73)
Die Form Schörg. 429 ist durch die sog. Schulter-
leiste gekennzeichnet. Das Mündungsprofil ist hori-
zontal oder leicht aufwärts nach außen orientiert.
Der Gefäßkörper weist in der Regel einen Besen-
oder Kammstrichdekor, mitunter kombiniert mit Wel-
lenlinien, auf.
Die Größe der Gefäße und Nachweise von Pichung
an Typvertretern308 rechtfertigt wohl eine Ansprache
der Form Schörg. 429 als Vorratsgefäß. Die Gefäße
Kat. 59 – 70 sind als Typvertreter Schörg. 429 anzu-
sprechen.
Sog. Vorratstöpfe mit Schulterleiste Schörg. 429
können nach der Form des Mündungsprofils wei-
ter differenziert werden. Im vorliegenden Fund-
material liegt mit den Typvertretern Kat. 71 – 73
eine Variante (Schörg. 429.1) vor, die durch das
zusätzlich an der Innenseite verdickte Mündungs-
profil gekennzeichnet ist. Bei dem Mündungsfrag-
ment Kat. 72 dürfte es sich um einen Vertreter der
Variante Schörg. 429.1 handeln. Da die Zone am
Gefäßumbruch an der gewöhnlich die Schulter-
leiste angebracht ist, fehlt, kann die Zuweisung
nur unter Vorbehalt erfolgen. Bemerkenswert ist
der Typvertreter Kat. 73, dessen Mündungsprofil
formal LT-D-Dolia nahesteht. Während spätlatène-
zeitliche Dolia vom Frauenberg309 möglicherweise
als Vorbilder betrachtet werden dürfen310, belegen
der vorliegende Typvertreter aus Insula XLI sowie
weitere vom Frauenberg311 und aus Riegersburg312
vielleicht die formale Weiterentwicklung während
der römischen Kaiserzeit. Weitere Parallelen für die
generierte Variante Schörg. 429.1 liegen aus der
Weststeiermark aus Grünau313 und Lassenberg314
306 Groh 1996, 63 f.
307 Vgl. Brukner 1981, 112 Taf. 132, 6.
308 Hinker 2003, 15.
309 Tiefengraber 1997, 688. 691. 701 Taf. 6, 2 (LTD?). Diesem
ist vielleicht ein Randprofil eines Doliums vom Leopoldsberg
vergleichbar: Urban 1996, 200 Abb. 2, Nr. 11.
310 Vgl. Fürnholzer – Hinker, in Druck.
311 Tiefengraber 1997, 692. 709 Taf. 14, 6 (römerzeitlich?).
312 Bauer 1997, 96. 153 Taf. 12, R136 (römerzeitlich?).
313 Fürnholzer – Hinker (in Druck) (Vorratstopf mit Schulterleiste
Schörg. 429.1, Grünau Kat. 9, 10 [?], 12, 27, 28 [?], 2. Jh. n.
Chr.).
314 Lamm 2000, 50, Nr. 1.
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Titel
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Autor
- Christoph Hinker
- Verlag
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321