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zusammenhängen als die vorliegenden Typvertreter
aus Periode II/II+ der Insula XLI von Flavia Solva-
Wagna. Die nachgewiesene Menge und der nahezu
komplett erhaltene Typvertreter Kat. 134 sprechen
jedoch dagegen, dass es sich bei den vorliegen-
den Töpfen und Topffragmenten jeweils um jüngere
Intrusionen handelt. Die bisher von der Forschung
auch in Zusammenhang mit dem Fabrikat II.1 für
vergleichbare ›Waren‹ favorisierte primäre chrono-
logische Verknüpfung von Typvertretern mit Befun-
den der Soldatenkaiserzeit und Spätantike337 wird
dadurch relativiert.
Eine Variante 4.1 liegt mit den Töpfen Kat. 135 – 136
vor und ein Vergleichsbeispiel zur Variante 4.1 ist in
Virunum-Zollfeld nachgewiesen338.
Typvertreter des Typs 4 sowie der Variante 4.1 aus
dem vorliegenden Fundmaterial sind stets redu-
zierend gebrannt. Bemerkenswert hinsichtlich des
Fabrikats ist, dass sämtliche Keramikgefäße aus
dem Fabrikat II.1 auf Typvertreter des Typs 4 oder
der Variante 4.1 entfallen. Des Weiteren sind Typ-
vertreter Typ 4, die dem Fabrikat II zuzurechnen
sind, im vorliegenden Fundmaterial der Periode II/
II+ der Insula XLI von Flavia Solva-Wagna nachge-
wiesen. Da hinsichtlich Fabrikat und Form entspre-
chende Parallelen aus dem Vicus von Gleisdorf vor-
liegen, dürfen wir vielleicht davon ausgehen, dass
Töpfe, die dem Typ 4 oder der Variante 4.1 zuzu-
rechnen sind, vorwiegend im Fabrikat II.1 erzeugt
wurden. Ob die thermischen Eigenschaften der Cal-
citmagerung auch die bevorzugte Verwendung der
Gefäße als Kochtöpfe belegen, muss offenbleiben.
Die Größenverhältnisse der Typvertreter Kat. 134
und Kat. 136 legen vielleicht eine Verwendung als
Kochtöpfe nahe. Allerdings ist auch auf den wesent-
lich größeren Typvertreter Kat. 131 hinzuweisen, für
den eher eine Funktion als Vorratsgefäß plausibel
erscheint.
Topf Typ 5 (Kat. 137 – 140), Variante 5.1 (Kat. 141)
Der Topf Typ 5 ist durch eine schräg aufwärts nach
außen geneigte Mündung und den bauchigen
Gefäßkörper gekennzeichnet. Charakteristisch ist
eine konkave Ausnehmung an der Innenseite des
Mündungsprofils. Die Halszone kann durch einen
horizontalen Grat gegliedert sein.
Die Töpfe Kat. 137 – 140 können dem Typ 5 zuge-
ordnet werden. Typvertreter sind in Poetovio-Ptuj339
und Spodnji Porčič340 nachgewiesen. Mäßig ähnli-
che Parallelen liegen aus Riegersburg vor341. Töpfe
mit entsprechendem Profil, allerdings abweichen-
337 Kainz 1989, 99 – 102. Zuletzt: Gutjahr – Roscher 2004, 482 f.
338 Jernej – Gugl 2004, 199 Taf. 5, 108 (Fundkomplex 1, 1. Hälfte
2. Jh. n. Chr.).
339 Istenič 2000, 135. 346 Taf. 86, 4 (Grab 432, 1.–2. Jh. n. Chr.);
182. 379 Taf. 119, 10 (Grab 566, t.p.q.: Nerva).
340 Koprivnik 1995, 83 Taf. 8, 1.
341 Bauer 1997, 90. 96. 151 R114 – R116. der Gestaltung der Halszone aus Carnuntum-Pet-
ronell wurden in die Mitte des 2. Jahr hunderts n.
Chr. datiert. Bemerkenswert ist ein Typvertreter aus
dem Werkstättenbereich des Steinkastells 1 des
Auxiliarlagers, der dem zweiten Drittel des 2. Jahr-
hunderts n. Chr. angehören dürfte oder vielleicht
auch geringfügig jünger ist342.
Der der Variante 5.1 zugewiesene Topf Kat. 141
weist formale Unterschiede auf. Das Mündungs-
profil ist geschwungener ausgeführt und im Bereich
des Halseinzuges deutlich verdickt. Parallelen zur
Variante 5.1 sind in Carnuntum-Petronell343 und
Poetovio-Ptuj344 belegt. Von den Funden aus Carn-
untum-Petronell verdient ein Randfragment aus
dem Steinkastell 1 des Auxiliarkastells besondere
Erwähnung, das dem zweiten Drittel des 2. Jahr-
hunderts n. Chr. zuzurechnen ist345. Für Poetovio-
Ptuj darf nach Funden von Töpfereiabfall von einer
Produktion entsprechender Töpfe ausgegangen
werden346.
Die angeführten Parallelen zum Typ 5 und zur Vari-
ante 5.1 legen nahe, die angenommene Mindest-
laufzeit auf das gesamte 2. Jahr hundert n. Chr. aus-
zudehnen. Die Größe der Gefäße spricht vielleicht
für eine vorwiegende Verwendung als Kochgeschirr.
Die aus Periode II/II+ der Insula XLI von Flavia
Solva-Wagna vorliegenden Töpfe vom Typ 5 und
der Variante 5.1 sind abgesehen vom Topf Kat. 139,
dessen Fabrikat nicht mit Sicherheit zu bestimmen
ist, dem Fabrikat II zuzurechnen.
Topf Typ 6 (Kat. 142 – 146), Variante 6.1 (Kat. 147)
Die Töpfe Kat. 142 –
146 sind dem Topf Typ 6 zuzu-
ordnen. Dieser ist durch den schlanken Gefäßkör-
per, eine nach außen geneigte, verdickte Mündung
mit Profilierung und die Gliederung der Halszone
durch Absätze oder Grate definiert.
Ähnlichkeiten bestehen zum »Topf mit ausgeboge-
nem, kantig verdicktem Rand 3.4.2« aus Favianis-
Mautern347. Typvertreter wurden im Vicus von Favi-
anis-Mautern während Periode 3 (130/140 – 170 n.
Chr.) erzeugt348. Die Zuordnung von Kat. 143 an
den Typ 6 ist aufgrund der unvollständig erhaltenen
Mündung nicht sicher.
Auffallend sind die formalen Ähnlichkeiten zu
Schüsseln vom Typ 1, die mit Töpfen vom Typ 6
342 Kronberger 1997, 90 Taf. 9, 83.
343 Jobst u. a. 1987, 220. 237, Nr. 107.
344 Istenič 2000, 63. 294 Taf. 34, 2 (Grab 158, 1.–2. Jh. n. Chr.
[?]).
345 Kronberger 1997, 90 f. Taf. 9, 82 (Brunnen G2, mit weiteren
Parallelen aus einer markomannenkriegzeitlichen Zerstö-
rungsschicht in Cetium-St. Pölten).
346 Curk u. a. 1984, 62 – 64. 66 Abb. 3, links oben (Komplex A, ab
Ende 1. Jh. n. Chr. [?]).
347 Sedlmayer 2006a, 355 Beil. 34.
348 Groh 2006, 68 – 71 Abb. 46 – 51.
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Titel
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Autor
- Christoph Hinker
- Verlag
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321