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Die Zusammensetzung der Terra Sigillata aus den
antoninischen Schichten von Ad Statuas-Ács zeigt
sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede
zu dem aus Periode II/II+ der Insula XLI von Flavia
Solva-Wagna vorliegenden Terra Sigillata-Spekt-
rum. Bei den sog. glatten Formen dominieren wie im
südostnorischen Munizipium Teller Drag. 18/31 (27
Typvertreter) sowie Schalen Drag. 33 (11 Typvertre-
ter). Die in Flavia Solva-Wagna in Periode II/II+ der
Insula XLI singulär nachgewiesene Form Drag. 38
ist in Ad Statuas-Ács mit drei Typvertretern belegt.
In gewissem Gegensatz zur Evidenz sog. glatter
Sigillata an kontemporären rätischen Fundorten
steht der Nachweis von drei Tellern Drag. 32 aus
Befunden antoninischer Zeitstellung in Ad Statuas-
Ács548. Geringe Mengen mittelgallischer Reliefware
(zwei Typvertreter Drag. 37, von denen lediglich
einer näher der Produktion des Cinnamus zuweis-
bar ist) liegen aus dem nach Zerstörung des zwei-
ten Holz-Erde-Lagers um 170/178 n. Chr. verfüllten
Lagergraben vor549.
Die Zusammensetzung der aus Periode II/II+ der
Insula XLI von Flavia Solva-Wagna vorliegenden
Terra Sigillata-Modelware betreffend Dekorsche-
mata und Töpfer entspricht einem Depotfund in
Aquincum-Budapest550. Von sieben für den Depot-
fund genannten ›Herstellern‹ ist lediglich einer
(Albucius) im Fundmaterial des Brandhorizontes der
Insula XLI nicht vertreten.
Für die Villa von Baláca wird von D. Gabler nach
der Auswertung von Terra Sigillata551 mehrmals auf
die Möglichkeit einer Zerstörung durch Markoman-
nen und Sarmaten hingewiesen. Entsprechende
Brandschichten werden offenbar primär aus dem
Nachweis von mittelgallischen Sigillaten antonini-
scher Zeitstellung rekonstruiert. Die dafür vorlie-
gende Materialgrundlage scheint relativ gering zu
sein: »An einigen antoninischen Stücken sind Spu-
ren eines sekundären Brandes zu sehen.«552 Kon-
kret lässt sich offenbar nur ein Wandfragment einer
mittelgallischen Schüssel der Form Drag. 37 einer
Brandschicht zuweisen: »Das Stück Nr. 25 kam aus
einer Brand-Schichte hervor […].«553 Die folgenden
Passagen illustrieren sehr gut den unglücklichen
548 Gabler 1989, 463 f. Tab. Die in der Tabelle aufgelistete glat-
te TS bezieht sich wohl auf sämtliche Befunde antoninischer
Zeit aus Ad Statuas-Ács. Aus den antoninischen Brandstra-
ten wiederum liegen offenbar lediglich drei Typvertreter Drag.
18/31 vor, die eine Datierung dieser Brandschichten um
170/178 n. Chr. erlauben (vgl. Kap. 15).
549 Gabler 1989, 231 f. Fig. 91, 6; 233 Nr. 11; 232. 235 Abb. 91,
22 (mittelgallisch [?]); 454.
550 Gabler – Kocztur 1976, 75.
551 Gabler – Palágyi 1989, 109 – 134; Gabler 1992, 293 – 316;
Gabler 2001, 97 – 140; Gabler 2002a, 69 – 107; Gabler 2004,
123 – 163.
552 Gabler – Palágyi 1989, 134.
553 Gabler 1992, 310; vgl. Gabler 2002a, 73. 98 Anm. 46 (Brand-
schicht mit Holzkohle und Strohlehmstücken). Verlauf der abgeleiteten historischen Interpretation:
»[…]; diese Brandschichte kann eventuell mit den
Ereignissen der Markomannenkriege in Verbindung
gebracht werden. Aufgrund der sekundär gebrann-
ten Sigillaten aus der Antoninerzeit konnten wir
schon früher darauf schliesen [sic!], daß auch die
Balácaer Villa im Laufe der Marcuskriege in Brand
gesteckt wurde.«554 Diese Interpretationsmuster der
Ableitung historischer Schlüsse aus stratifizierten
oder sogar unstratifizierten, sekundär verbrannten
Sigillaten antoninischer Zeitstellung sind nicht auf
die Villa von Baláca beschränkt (vgl. Kap. 15 – 16).
Auch für Brigetio-Komárno wurde darauf aufmerk-
sam gemacht, dass unter den Terra Sigillata-Fun-
den, die sekundäre Brandspuren aufweisen, mittel-
gallische Produkte dominieren (vgl. Kap. 15)555.
Wichtig ist ein Vergleich mit dem Terra Sigillata-
Spektrum aus der Zerstörungsschicht des ers-
ten Steinkastells (Periode II nach M. Kandler) des
Auxiliarkastells von Carnuntum-Petronell556. Im
Fokus der Beobachtungen steht eine Kanalver-
füllung mit Artefakten des zweiten Drittels des
2. Jahr hunderts n. Chr., die auch sekundär ver-
branntes keramisches Fundmaterial enthielt. Das
Sigillata-Spektrum entspricht nach der Dominanz
mittelgallischer Ware weitgehend Befunden von
annähernd kontemporärer Zeitstellung. Auffallend
ist die Absenz früher Rheinzaberner Reliefware. Im
Terra Sigillata-Formenspektrum aus der erwähnten
Kanalverfüllung sind Typvertreter Drag. 27, 18/31,
33 und 37 (Cinnamus) nachgewiesen557.
Im Terra Sigillata-Depotfund von Gorsium-Tác sind
die Formen Drag. 18/31 vertreten, während Typver-
treter Drag. 32 fehlen. Der Depotfund erlaubt, einer
Brandschicht einen terminus post quem etwa zwi-
schen 170 und 180 n. Chr. zuzuordnen558.
Im 179 n. Chr. abgebrannten Holz-Erde-Lager von
Celemantia-Iža ist ausschließlich Terra Sigillata aus
Lezoux und Rheinzabern vertreten559. Produkte
aus Rheinzabern überwiegen gegenüber jenen
aus Lezoux im Verhältnis 3 : 2. Das Formenspek-
trum ist auf die Formen Drag. 18/31, 33, 37 und
54 beschränkt. Teller der Form Drag. 18/31 sind
am häufigsten vertreten (16 Typvertreter), Schüs-
seln der Form Drag. 37 lediglich in geringen Men-
gen nachgewiesen (4 Typvertreter)560. Dass sich
die Angaben insgesamt auf lediglich 35 Gefäße
beziehen und deshalb offenbleiben muss, inwie-
fern ein repräsentativer Querschnitt vorliegt, deu-
tete bereits J. Rajtár an: »Terra Sigillata-Funde aus
554 Gabler 1992, 310.
555 Beck 2004, 245 f. Taf. 5.
556 Kronberger 1997, 85 – 93.
557 Kronberger 1997, 86.
558 Gabler – Kocztur 1976, 65 – 88.
559 Domański 1990, 130. s. dazu auch: Mees 2002, 83.
560 Rajtár 1992, 162. 164 Abb. 16, 2 – 7; 165 Abb. 17, 1; Kuzmová
1997, 45. 47 Abb. 1, A.
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Titel
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Autor
- Christoph Hinker
- Verlag
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321