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Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
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122 Die Bau- und Nutzungsperiode II erstreckt sich nach S. Groh zwischen 150/160 und ca. 170 n. Chr.666. Neben einem tiberischen As liegt keine weitere Prä- gung aus dem 1. Jahr hundert n. Chr. vor; die Ver- luste setzen erst wieder mit Traianus ein und stei- gen bis Antoninus Pius allmählich an. Mit Marcus Aurelius gehen die Verlustzahlen drastisch zurück, d. h., sie brechen nach (166+t) ab. Der Brand fand vor (173+t) statt. Das zirkulierende Münzvolumen der Zeit vor (173+t) setzt sich also vor allem aus Münzen von Traianus bis Antoninus Pius zusammen. Zudem nehmen die Verlustzahlen bis Antoninus Pius zu. Wir müssen davon ausgehen, dass sich Münzen erst eine gewisse Zeit nach ihrer Emission in Fun- den niederschlagen. Dies wird in der Numismatik als ›coindrift‹ bezeichnet; es handelt sich dabei um eine nicht oder ungenau terminisierbare Zeitspanne zwischen Prägung und Verlust. Münzen kamen nach der Prägung durch geplante Verteilung in den Umlauf. Wo genau sie in Zirkulation versetzt wur- den, kann nur in seltenen Fällen festgestellt werden. Sie konnten direkt am Ort der Prägung ausgegeben werden oder über kurze oder längere Strecken in ein Zielgebiet transportiert worden sein. Auch ob ein bestimmter Empfängerkreis beabsichtigt war, kann nur in Einzelfällen nachvollzogen werden667. Danach konnte die einzelne Münze entweder län- gere Zeit an einem Zirkulationsort geblieben oder durch verschiedene Umstände in ein anderes Gebiet transferiert worden sein. Aufgrund zahlrei- cher Fundanalysen der letzten Dezennien hat sich aber gezeigt, dass für Buntmetall regionale Zirkula- tion die Norm ist und die Münzen im Umlaufgebiet verblieben668. Wie sah die Versorgung von Flavia Solva- Wagna mit Geld und Münzen aus? Flavia Solva ist eine Binnensiedlung regionaler Bedeutung ohne militärische Komponente. An Orten mit militärischer Präsenz kann man davon ausgehen, dass planmäßige Geldversorgung durch die Soldaten stattfand; durch sie gelangte das Geld in die zivilen Siedlungsbereiche. Siedlungen ohne Militär werden durch andere Maßnahmen, wie die Finanzierung öffentlicher Bauten, die Bezahlung der Verwaltungsbeamten und private Liturgien, mit Geld versorgt. Dies bedeutet, dass der funktionale Charakter des Fundplatzes für die Art und die Intensität der Versorgung ausschlaggebend ist. 666 Groh 1996, 159 f. 667 Die Britannia-Münzen des Antoninus Pius treten beispiels- weise nur in Funden innerhalb Britanniens auf; Reece 1987, 115 f.; Haupt 2001, 55. Zu Kontermarken auf den Münzen in den Rheinlagern: Berger 1992, 58 f.; Berger 1996, 33  –  55; Berger 1999; Chantraine 1999; Ilisch 1999; FMRD VI, 3/2, s. v. Neuss-Gnadental. Zu Münztransporten und Versorgung: Peter 1996; van Heesch 2006, 57 f.; Wolters 2006, 26  –  28. 668 Kemmers 2009, 138 (mit Anm. 9). Wenn wir aber die Spektren von Flavia Solva-Wagna und Carnuntum betrachten, werden überregionale Muster sichtbar, die unabhängig vom funktionalen Charakter der Siedlung sind. Solche überregionalen Muster sind beispielsweise die markanten Anstiege der Verluste zwischen ca. 260 und 275 oder im 4. Jahr hundert n. Chr. ab der konstantinischen Zeit. Der Anstieg der Fundzahlen im 3. Jahr hundert n. Chr. wurde lange Zeit mit den unruhigen Rahmen- bedingungen oder einem ›Niedergang des Reiches‹ interpretiert, der wirtschaftliche Veränderungen im Sinne von Inflation und Münzgeldverschlechterung bzw. Massenproduktion implizierte. Die jüngere For- schung ist insbesondere für das 3. Jahr hundert n. Chr. zu einer Umdeutung dieses Phänomens gekommen, wonach je höher die Verlustzahlen an Münzen sind, desto höher der Grad der Monetari- sierung der Gesellschaft war. Wir haben es in die- sen Perioden mit kleinen Kupfermünzen zu tun, die für den Nahverkehr, also die täglichen Geschäfte, offenbar sehr praktikabel waren. Denn je mehr Mün- zen im Umlauf waren, desto mehr konnten im Alltag verloren worden sein. Dass sich in Funden vorran- gig geringerwertiges Geld findet, ist klar, denn der Verlust von höherwertigen Denaren oder gar Aurei, die man wohl nicht in großen Mengen im Geldbeutel mit sich trug, wird eher bemerkt worden sein, als der Verlust von Klein- und Wechselgeld669. Mit dem Begriff Verlust wird eine nicht intendierte Deponierung von Münzen bezeichnet. Wir können auch von ›Einzelfunden‹ sprechen. Diese stehen nicht in unmittelbarer Beziehung zueinander670. Es kann sich sowohl um Oberflächenfunde im Zuge von Surveys oder mithilfe des Detektors handeln als auch um Münzen, die aus einer archäologi- schen Grabung stammen und in einen stratigrafi- schen Kontext eingebettet sind. Dabei kommt den Vergesellschaftungen mit anderen Fundkategorien eine wichtige Rolle zu. Denn nur im Ensemble mit anderen datierbaren Funden können chronologi- sche Fragestellungen eingegrenzt werden, da die Münzen nur termini post quos angeben. Einzel- funde können allerdings auch intentional deponiert worden sein, wie beispielsweise unter Türschwellen oder in Mauern671. Eine Klassifizierung als Weihe- fund wäre eine zu enge Interpretation, da die Kau- salität der Deponierung kaum nachvollzogen wer- den kann. Daher empfiehlt es sich, die Umstände 669 Die Frage, ob Einzelfunde bzw. Verlustmünzen repräsentativ für die antike Geldzirkulation sind, wird seit den 1970er Jah- ren diskutiert, mittlerweile haben sich fundierte methodische Ansätze in der Analyse und Interpretation von Einzelfunden entwickelt. Noeske 1979; Reece 1979; Reece 1996. 670 Noeske 1979, 157  –  158. 671 Krmnicek 2010 hat für 1 434 Fundmünzen der Jahre 1948  –  2006 vom Magdalensberg in Kärnten sämtliche Kon- texte überprüft und daraus einen methodischen Ansatz zur Kontextualisierung entwickelt. s. auch Kos 1997.
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Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
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Titel
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
Autor
Christoph Hinker
Verlag
Österreichisches Archäologisches Institut
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-ND 3.0
ISBN
978-3-900305-70-3
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
344
Schlagwörter
Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. Einleitung 9
  3. 1 Lage 11
  4. 2 Historischer Kontext 15
    1. 2.1 Die Markomannenkriege und der germanische Einfall in Italien 16
    2. 2.2 Die antoninische Pest 21
  5. 3 Forschungsgeschichte 23
  6. 4 Forschungsmeinungen 27
  7. 5 Quellenkritik 31
  8. 6 Terminologie 35
  9. 7 Taphonomie 37
    1. 7.1 Befunde 38
    2. 7.2 Funde 43
    3. 7.3 Resümee 45
    4. 7.4 Exkurs: ›Pompeji-Prämisse‹ in Flavia Solva? 45
  10. 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
  11. 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
  12. 10 Definition von Aktivitätszonen 57
  13. 10.1 Exkurs: Grube G21 66
  14. 10.2 Exkurs: Grube G32 72
  15. 11 Fundauswertung 77
    1. 11.1 Anorganisches Fundmaterial 78
      1. 11.1.1 Glas 78
      2. 11.1.2 Keramik 79
      3. 11.1.3 Metall 120
      4. 11.1.4 Schlacke 130
      5. 11.1.5 Stein 130
    2. 11.2 Organisches Fundmaterial 130
      1. 11.2.1 Archäozoologische Beurteilung der Tierreste 130
      2. 11.2.2 Bein- und Hornartefakte 142
      3. 11.2.3 Archäobotanik 148
  16. 12 Chronologie 153
  17. 13 Technologie und Werkstätten 157
    1. 13.1 Bein- und Hornverarbeitung 159
      1. 13.1.1 Rohstoffe 159
      2. 13.1.2 Produktionskette 160
    2. 13.2 Buntmetallverarbeitung 165
    3. 13.3 Textilproduktion 166
  18. 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
  19. 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
  20. 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
    1. 16.1 Holzarchitektur 180
    2. 16.2 Schadensfeuer 180
    3. 16.3 Pompeji-Prämisse 180
    4. 16.4 Militaria 181
    5. 16.5 Menschliche Skelettreste 182
    6. 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
    7. 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
    8. 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
    9. 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
    10. 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
    11. 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
  21. 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
  22. 18 Resümee 195
    1. 18.1 Resümee 196
    2. 18.2 Summary 196
  23. 19 Katalog 199
    1. 19.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 1 – 506) 201
      1. 19.1.1 Glas (Kat. 1 – 3) 201
      2. 19.1.2 Keramik (Kat. 4 – 432) 201
      3. 19.1.3 Metall (Kat. 433 – 499) 238
      4. 19.1.4 Schlacke (Kat. 500 – 504) 243
      5. 19.1.5 Stein (Kat. 505 – 506) 243
    2. 19.2 Organisches Fundmaterial (Kat. 507 – 622) 243
      1. 19.2.1 Bein- und Hornartefakte (Kat. 507 – 623) 243
    3. 19.3 Signifikante Fundstücke ohne Abbildung 252
      1. 19.3.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 624 – 664) 252
      2. 19.3.2 Organisches Fundmaterial (Kat. 665 – 679) 254
    4. 19.4 Fundstücke von geringerer Signifikanz (ohne Abbildung) 255
      1. 19.4.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 680 – 822) 255
  24. 20 Tafeln 263
  25. Tafeln 1 – 43 265
  26. Fototafeln 1–9 308
  27. Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
  28. 21 Anhang 321
    1. 21.1 Abkürzungen 322
    2. 21.2 Abgekürzte Typenansprache und Zitierwerke 322
    3. 21.3 Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur 323
    4. 21.4 Abbildungsnachweise 341
    5. 21.5 Anschriften der Verfasser 341
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