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bewerten, sind abgesehen vom Nachweis, dass
sehr wahrscheinlich beide Kategorien Bestand-
teile der Ernährung bildeten, beim derzeitigen For-
schungsstand noch unzureichend. Ebenso ist kaum
zu beurteilen, ob die Ernährung der Bewohner der
Insula XLI ausreichend gedeckt oder durch einen
gewissen Mangel gekennzeichnet war. Da wenigs-
tens direkte und indirekte Hinweise auf den Genuss
verschiedener Nahrungsmittel – zudem in einem Teil
der Stadt, der sicher nicht zu den Vierteln der Ober-
schicht zu rechnen ist – vorliegen, darf zumindest
der ›worst case‹ einer Hungersnot für Flavia Solva-
Wagna um 170 n. Chr. ausgeschlossen werden
(vgl. Kap. 2.2). Nach den schlechten Erhaltungsbe-
dingungen für organische Materialien (vgl. Kap. 7)
ist kaum zu beurteilen, inwiefern die von verschie-
denen Faktoren abhängige, vorliegende Auswahl
an Nahrungsmitteln für eine vielleicht auf kleinen
Gewerbe- und Handwerksbetrieben beruhende
Gesellschaft am westlichen Stadtrand von Flavia
Solva-Wagna (vgl. Kap. 14) repräsentativ ist. Aus-
gehend von diesem Befund, Ernährungsgewohn-
heiten in Südostnoricum oder selbst in anderen
Stadtteilen des Munizipiums Flavia Solva-Wagna
ableiten zu wollen, wäre höchst problematisch,
da wir im Rahmen einer solchen Auslegung mit
abweichenden Bevölkerungsschichten von jeweils
unterschiedlichem personenrechtlichen, sozialen
und wirtschaftlichen Status zu rechnen hätten.
Während für die Überreste von Getreide wohl pri-
mär von einer Herkunft aus dem Umland Flavia
Solvas auszugehen ist, könnten die Hülsenfrüchte
grundsätzlich auch in kleinen ›privaten‹ Gartenanla-
gen innerhalb des Munizipiums für den Eigenbedarf
gezogen worden sein. Die Nachweise der Pferde-
bohne stammen schließlich aus Haus IV, das mit
einem größeren Hofbereich ausgestattet ist (vgl.
Kap. 10). Der gemeinsame Anbau von Ackerbohne
und Erbse erscheint plausibel896. Ähnliche Überle-
896 König 1993, 128. gungen zur städtischen Kultivierung von Nutzpflan-
zen wurden in Zusammenhang mit Hülsenfrüchten
(Erbse, Linse) für die Colonia Ulpia Traiana-Xanten
angestrengt897. Nachweise der Acker- und/oder
Pferdebohne in Augusta Raurica-Augst898 könnten
entsprechend zu deuten sein, müssen aber freilich
nicht von Kultivierungen innerhalb der Siedlung
stammen. Befunde in Camulodunum-Colchester
wurden konkret als Beete für die Kultivierung von
Nutzpflanzen während des 2.–3. Jahr hunderts n.
Chr. angesprochen899. Archäobotanische Untersu-
chungen von Proben aus dem Gartenbereich des
Hauses I der Zivilsiedlung von Carnuntum-Petronell
konnten dagegen keine Bestätigungen für die Inter-
pretation von Hohlformen in Zusammenhang mit
einer Bepflanzung erbringen900.
Wie die herangezogenen zeitlich näher einzugren-
zenden Befunde, die weitere Belege der für Fla-
via Solva-Wagna nunmehr vorliegenden Getreide
und Hülsenfrüchte liefern, zeigen, liegen für den
Ostalpenraum während der Römerzeit bislang vor
allem (publizierte) Nachweise dieser Nutzpflanzen
für die Spätantike vor. Die relativ exakte Datierung
der Periode II/II+ der Insula XLI von Flavia Solva-
Wagna ergänzt die wenigen vorliegenden Belege
für die Nutzung ausgewählter Kulturpflanzen wäh-
rend der mittleren Kaiserzeit entscheidend.
897 Knörzer 1981, 136. 158.
898 Jacquat 1986, 281.
899 Wacher 1992, 28. 30 Abb. 15.
900 Thanheiser 2004, 244.
Fundbereich FNr. Pflanze Anzahl Gewicht Probe
Haus II, Raum E 911369, Qu. D2, Abhub
5, 267,23 m.ü.A., beim
Putzen des Planums n.n.b. Getreide 2 – Probe II
wahrscheinlich Rispenhirse
(Panicum miliaceum) ca. 2998 4,153 g
Haus II, Raum I/1 910857, Qu. B3, Abhub
5, 80 cm von Nord,
180 cm von West,
267,17 m.ü.A. Saatweizen (Triticum aestivum) 205 – Probe I
wahrscheinlich Saatweizen ca. 481 6,192 g
wahrscheinlich Rispenhirse 2 –
Erbse (Pisum sativum) 1 –
n.n.b. Schmetterlingsblütler
(Fabaceae) 2 –
Wolfsmilch (Euphorbia) 1 –
Haus IV, Raum R 922091, Qu G10/92, W-
Profil (innen), schwarze
Brandschicht über Mör-
telboden, 267,09 m.ü.A. wahrscheinlich Rispenhirse 8 – Probe III
Acker- bzw. Pferdebohne (Vicia
faba) 377 –
Tab. 19 (nach Groh 1996, 148 Tab. 19)
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Titel
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Autor
- Christoph Hinker
- Verlag
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321