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Die flächige Brandschuttschicht der Insula XLI
wurde von S. Groh der Periode II/II+ zugewiesen.
Das Brandereignis ist nach Ausweis der Münzfunde
(vgl. Kap. 11.1.3.1) sowie des Terra Sigillata-Spek-
trums (vgl. Kap. 11.1.2.5.3) in die Zeit der Marko-
mannenkriege um 170 n. Chr. zu datieren901. Ein
Datum, das dem von A. Birley für den Einfall der
Markomannen und Quaden nach Oberitalien ange-
gebenen entspricht (vgl. Kap. 2)902, deshalb aber
freilich keineswegs als stringentes Argument für
eine Verknüpfung des Befundes mit der Ereignisge-
schichte zu bewerten ist (vgl. Kap. 16).
Abgesehen von dem chronologisch nicht näher
als »23 v.–192 n. Chr.« bestimmbaren As Mü 161
beginnt die aus Periode II/II+ der Insula XLI von
Flavia Solva-Wagna vorliegende Münzreihe mit
einem As des Tiberius für Divus Augustus (Mü
160). Schlussmünze der Brandschuttschicht ist ein
Dupondius der Kaiser Marcus Aurelius und Lucius
Verus für Marc Aurel von 166 n. Chr. (Mü 40).
Neben der Schlussmünze der Periode II/II+ liegt für
den Zeitpunkt des Brandes ein weiterer chronologi-
scher Hinweis durch die primär auf der numisma-
tischen Evidenz unter Berücksichtigung des Terra
Sigillata-Spektrums beruhende zeitliche Einordnung
der folgenden Bauperiode III vor. Die Baumaßnah-
men dieser auf den um 170 n. Chr. datierten Brand-
befund der Insula XLI von Flavia Solva-Wagna fol-
genden Bauperiode III wurden von S. Groh etwa
in die Zeit ab 180 n. Chr. datiert903. Ein Dupondius
des Marc Aurel von 173 n. Chr., der aus einer Pla-
nierschicht (III-) stammt, gibt einen terminus post
quem für die folgenden Baumaßnahmen904. Die
Fundlage dieser Münze in Haus I, Raum A (Baupe-
riode III-) entspricht etwa Raum N in Haus IV (Bau-
periode II/II+)905. In diesem Zusammenhang ist dar-
auf hinzuweisen, dass der konkrete Dupondius des
Marc Aurel freilich erst ab 173 n. Chr., d. h. auch
zu einem jüngeren Zeitpunkt, deponiert worden sein
konnte und die Genese der Brandschicht deshalb
nicht zwingend vor 173 n. Chr., sondern lediglich
zwingend vor einem Zeitpunkt ab 173 n. Chr. zu
datieren ist.
Die nach den Münzfunden erarbeitete Chronologie
ist nach Ausweis der Terra Sigillata aus Periode II/II+
zu ergänzen und wird durch diese bestätigt. In die-
sem Zusammenhang sind zwei Faktoren zu unter-
streichen: Bezüglich der sog. glatten Terra Sigil-
lata ist auf das Fehlen der Tellerform Drag. 32 bei
einem überwiegenden Anteil der Form Drag. 18/31
innerhalb des Spektrums glatter Ware hinzuweisen.
Grundsätzlich kann das Fehlen der Form Drag. 32
901 Groh 1996, 179 – 181.
902 Birley 1987, 252.
903 Groh 1996, 160 f.
904 Groh 1996, 88. 90 f. 199, MÜ 42.
905 Groh 1996, Plan 6. 9. 14 auch auf andere als zeitliche Faktoren zurückzufüh-
ren sein. Zumindest zeigen die vorhandenen Teller
Drag. 18/31, dass vor allem in Haus II ein gewis-
ser Bedarf an Tellern aus Terra Sigillata bestand,
der ausschließlich durch Typvertreter Drag. 18/31
gedeckt wurde. Bedarfsmangel oder die Bevorzu-
gung anderer Produkte, die dieselbe Funktion erfül-
len (z. B. Holzteller), sind deshalb als Einflüsse, die
das Fundbild beeinträchtigen, eher auszuschließen.
Bei den Terra Sigillata-Gefäßen, die der Modelware
zuzurechnen sind, dominiert die mittelgallische
Ware gegenüber den frühen Produkten aus Rhein-
zabern (Gruppe Ia) das Fundspektrum. Jedoch sind
in sehr geringen Mengen auch den Gruppen IIa und
IIb zuweisbare Schüsseln Drag. 37 im vorliegenden
Fundmaterial der Periode II/II+ der Insula XLI von
Flavia Solva-Wagna vertreten (vgl. Kap. 11.1.2.5.3).
Diese drei durch jeweils ein Wandfragment nach-
gewiesenen Gefäße der Gruppe II wären in den
Zeitraum von etwa 200 n. Chr. bis in die spätseve-
rische Zeit zu datieren. Für diese Evidenz sind drei
Erklärungsversuche zu diskutieren. Unter der Prä-
misse, dass die Fragmente der Periode II/II+ zuzu-
rechnen sind906, wäre von einer jüngeren Datierung
der Periode II/II+ in severische Zeit auszugehen.
Diese Überlegung ist durch den erwähnten Dupon-
dius des Marc Aurel von 173 n. Chr. aus der Planier-
schicht (III-) sowie die für eine Datierung um 170 n.
Chr. sprechenden Funde und deren Parallelen aus
kontemporär datierten Befunden (vgl. Kap. 11)
nicht gänzlich auszuschließen, aber zumindest
als unwahrscheinlich einzustufen. Ebenso wenig
plausibel und unzulässig ist eine Modifizierung der
Chronologie Rheinzaberner Gruppen zugunsten der
Datierung des vorliegenden Befundes um 170 n.
Chr. Schließlich ist es am naheliegendsten wegen
der geringen Größe und Menge der den Gruppen
IIa und IIb zuzurechnenden Wandfragmente vorzu-
schlagen, dass es sich wahrscheinlich um infiltrierte
Überreste jüngerer Straten handeln dürfte907. Zu
dieser Schlussfolgerung darf angemerkt werden,
dass neben der Infiltration als einer von mir als
wahrscheinlicher erachteten und favorisierten Ursa-
che für die geringe Anzahl der spezifischen Rhein-
zaberner Sigillaten andererseits auch von der Prä-
misse ausgegangen werden könnte, dass es sich
bei den jüngsten Funden innerhalb eines geschlos-
senen Fundspektrums in vielen Fällen (aber freilich
906 In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass von den
drei Wandfragmenten nach Ausweis der Angaben am Fund-
zettel lediglich eines (Kat. 409 – Gruppe IIa) konkret der
Brandschuttschicht II+ zuzurechnen ist, während die übrigen
(Kat. 413 – Gruppe IIa und Kat. 412 – Gruppe IIb) dem Boden
(II) bzw. vermutlich der Planierschicht (III-?) zuzuweisen sind.
Diese Evidenz korrespondiert damit, dass lediglich Kat. 409
sekundäre Brandspuren aufweist.
907 Vgl. Annahmen bei Groh 1996, 112.
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Titel
- Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
- Autor
- Christoph Hinker
- Verlag
- Österreichisches Archäologisches Institut
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-900305-70-3
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Einleitung 9
- 1 Lage 11
- 2 Historischer Kontext 15
- 3 Forschungsgeschichte 23
- 4 Forschungsmeinungen 27
- 5 Quellenkritik 31
- 6 Terminologie 35
- 7 Taphonomie 37
- 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
- 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
- 10 Definition von Aktivitätszonen 57
- 10.1 Exkurs: Grube G21 66
- 10.2 Exkurs: Grube G32 72
- 11 Fundauswertung 77
- 12 Chronologie 153
- 13 Technologie und Werkstätten 157
- 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
- 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
- 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
- 16.1 Holzarchitektur 180
- 16.2 Schadensfeuer 180
- 16.3 Pompeji-Prämisse 180
- 16.4 Militaria 181
- 16.5 Menschliche Skelettreste 182
- 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
- 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
- 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
- 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
- 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
- 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
- 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
- 18 Resümee 195
- 19 Katalog 199
- 20 Tafeln 263
- Tafeln 1 – 43 265
- Fototafeln 1–9 308
- Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
- 21 Anhang 321