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Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
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161 als sicheres Indiz für eine Rücksichtnahme der Fleischer auf die Bedürfnisse der Beinverarbeitung gewertet werden, da ein Retuschieren von gering- fügiger beeinträchtigten Rohstoffen auch durch den Beindrechsler möglich war und durch die Schlach- tung stärker in Mitleidenschaft gezogene Knochen vor der Weiterverarbeitung durch den Beinschnit- zer ausgeschieden werden konnten. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der an einem weitgehend erhaltenen Skelett einer Kuh mit Zerlegungsspuren aus Dangstetten rekonstru- ierte Schlachtvorgang zeigt948, dass die von den beinverarbeitenden Betrieben bevorzugten Kno- chen (Metapodien, scapulae) abgesehen von den Gelenkteilen von den Spuren der Zerlegung kaum betroffen waren. Inwiefern dieses für das militäri- sche Milieu augusteischer Zeit gültige Modell auch für zivile fleischverarbeitende Betriebe der zweiten Hälfte des 2. Jahr hunderts n. Chr. in Südostnoricum als repräsentativ gelten kann, lässt sich mangels für Vergleiche heranzuziehender Materialvorlagen aus Flavia Solva-Wagna nicht beantworten. Problematisch ist auch die Zuweisung einfacher Sägespuren. Diese könnten sowohl vom weite- ren Zerlegen von Tierteilen durch den Metzger als auch von den Handwerkern der beinverarbeitenden Werkstätte(n) stammen (vgl. Kap. 11.2.1). Tenden- ziell wurden auch einfache Sägespuren, wie sie z. B. an Kat. 551 oder Kat. 595 der vorliegenden Tierreste festzustellen sind, auf die Produktion von Beinartefakten bezogen949. Nach der Entfernung von Haut als Rohstoff für die Gerberei, Fleisch als Nahrung und der Entfer- nung der Weichteile (Bänder, Knorpel, Sehnen etc.)950 musste das Knochenmaterial zur Weiter- verarbeitung in der Beinproduktion entfettet wer- den. Das Absägen der Gelenkenden, die zur Fer- tigung der in Insula XLI nachgewiesenen Artefakte wenig geeignet waren, könnte vor oder nach dem Produktionsschritt der Entfettung, die gewöhnlich durch Kochen951 der Knochen zu erzielen ist, vor- genommen worden sein. Der Arbeitsschritt des Absägens von Knochenteilen, die für den weiteren Herstellungsprozess nicht relevant waren, ist durch Kat. 580  –  581, 583 und 587  –  588 nachgewiesen. Die zweite unvollständige Sägespur auf der entlang der Querachse abgetrennten Epiphyse Kat. 583 belegt vielleicht, dass dieser Arbeitsschritt noch an ungereinigten Knochen frisch geschlachteter Tiere vorgenommen wurde. Ungereinigte ›frische‹ Knochen waren zwar mit weniger Kraftaufwand zu sägen, allerdings konnte die Diaphyse durch die vorhandene rutschige Knochenhaut nicht prä- 948 Uerpmann 1977, 263  –  270 Abb. 1. 949 Dazu auch: Deschler-Erb 2012a, 116 Anm. 567. 950 Berke 1989, 889. 951 Dagegen: Deschler-Erb 1998, 94. 96. zis auf die gewünschte maximale Länge zugesägt werden952, weshalb ein mehrmaliges Ansetzen der Säge an verschiedenen Stellen erfolgt sein könnte. Feil- und weitere Sägespuren an vorliegenden Bein- artefakten zeigen jedoch, dass diese zumindest nach den ersten gröberen Arbeitsschritten entfettet wurden, da eine saubere Anwendung der entspre- chenden Werkzeuge sonst nicht möglich gewesen wäre953. Während nach den vorliegenden Befun- den davon auszugehen ist, dass in Flavia Solva- Wagna diese Arbeitsschritte bereits in der spezia- lisierten Beinwerkstatt stattfanden, legt ein Befund des zweiten Viertels des 2. Jahr hunderts n. Chr. aus Korinth nahe, dass die Vorbereitung des Roh- stoffes Bein zur weiteren Bearbeitung durch eine Beinwerkstätte auch im Zuge der Fleischproduktion durchgeführt werden konnte954. Das grobe Zusä- gen von Langknochen ist in einer Werkstatt des 3. Jahr hunderts n. Chr. in Chartres durch eine abge- sägte Epiphyse, die dem Nachweis durch Kat. 583 aus Insula XLI von Flavia Solva-Wagna entspricht, belegt955. Weitere Parallelen für diese generelle Technik der Rohmaterialaufbereitung beinver- arbeitender Betriebe sind in Augusta Raurica- Augst956, Gué-de-Sciaux957, Köln958, Pergamon959 und Saintes960 nachgewiesen. Das andere bein-, geweih- und hornverarbeitende Werkstätten in Fla- via Solva-Wagna auch mit Langknochen arbeiteten und diese entsprechend zur Weiterverarbeitung vor- zubereiten pflegten, zeigen Funde abgesägter Epi- physen aus dem Bereich der Straße E am südöst- lichen Stadtrand des Munizipiums961. Deutlich wird, dass zur weiteren Produktion spezifischer Artefakte die annähernd zylindrischen Mittelstücke von Röh- renknochen (Diaphyse) sowie die abgeflachten Teile der Schulterblätter benötigt wurden. Die Fertigung der Artefakte erfolgt mithilfe verschiedener Werk- zeuge962, deren Gebrauch nach charakteristischen Spuren nachweisbar ist. In diesem Zusammenhang wäre zwischen Werkzeugen, die das Werkstück grob der gewünschten Form annähern, und sol- chen, die am Ende der Fertigung eingesetzt wer- den, zu differenzieren. Die Verwendung von Beilen und Meißel zur möglichen Gewinnung handlicherer Stücke von Röhrenknochen ist wie die Verwendung von Messern in Betracht zu ziehen. Der Einsatz von 952 Peters 1998, 45 f. Anm. 43; 254. 953 Vgl. Gostenčnik 2005, 298. 323 f. 954 Reese u. a. 1987, 261. 955 Canny – Yvinec 2008, 70 Abb. 9, a. 956 Schmid 1972, 43 f. Abb. 6. 957 Bertrand – Salin 2010, 374 Abb. 12. 958 Berke 1989, 889 Abb. 13. 959 von den Driesch – Boessneck 1982, 572 Abb. 10; 574 Abb. 11. 960 Salin – Bertrand 2010, 401 Fig. 17, Abb. A–B. 961 Lang 2008, 134. 962 Crummy 1981, 283.
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Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
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Titel
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
Autor
Christoph Hinker
Verlag
Österreichisches Archäologisches Institut
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-ND 3.0
ISBN
978-3-900305-70-3
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
344
Schlagwörter
Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. Einleitung 9
  3. 1 Lage 11
  4. 2 Historischer Kontext 15
    1. 2.1 Die Markomannenkriege und der germanische Einfall in Italien 16
    2. 2.2 Die antoninische Pest 21
  5. 3 Forschungsgeschichte 23
  6. 4 Forschungsmeinungen 27
  7. 5 Quellenkritik 31
  8. 6 Terminologie 35
  9. 7 Taphonomie 37
    1. 7.1 Befunde 38
    2. 7.2 Funde 43
    3. 7.3 Resümee 45
    4. 7.4 Exkurs: ›Pompeji-Prämisse‹ in Flavia Solva? 45
  10. 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
  11. 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
  12. 10 Definition von Aktivitätszonen 57
  13. 10.1 Exkurs: Grube G21 66
  14. 10.2 Exkurs: Grube G32 72
  15. 11 Fundauswertung 77
    1. 11.1 Anorganisches Fundmaterial 78
      1. 11.1.1 Glas 78
      2. 11.1.2 Keramik 79
      3. 11.1.3 Metall 120
      4. 11.1.4 Schlacke 130
      5. 11.1.5 Stein 130
    2. 11.2 Organisches Fundmaterial 130
      1. 11.2.1 Archäozoologische Beurteilung der Tierreste 130
      2. 11.2.2 Bein- und Hornartefakte 142
      3. 11.2.3 Archäobotanik 148
  16. 12 Chronologie 153
  17. 13 Technologie und Werkstätten 157
    1. 13.1 Bein- und Hornverarbeitung 159
      1. 13.1.1 Rohstoffe 159
      2. 13.1.2 Produktionskette 160
    2. 13.2 Buntmetallverarbeitung 165
    3. 13.3 Textilproduktion 166
  18. 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
  19. 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
  20. 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
    1. 16.1 Holzarchitektur 180
    2. 16.2 Schadensfeuer 180
    3. 16.3 Pompeji-Prämisse 180
    4. 16.4 Militaria 181
    5. 16.5 Menschliche Skelettreste 182
    6. 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
    7. 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
    8. 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
    9. 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
    10. 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
    11. 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
  21. 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
  22. 18 Resümee 195
    1. 18.1 Resümee 196
    2. 18.2 Summary 196
  23. 19 Katalog 199
    1. 19.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 1 – 506) 201
      1. 19.1.1 Glas (Kat. 1 – 3) 201
      2. 19.1.2 Keramik (Kat. 4 – 432) 201
      3. 19.1.3 Metall (Kat. 433 – 499) 238
      4. 19.1.4 Schlacke (Kat. 500 – 504) 243
      5. 19.1.5 Stein (Kat. 505 – 506) 243
    2. 19.2 Organisches Fundmaterial (Kat. 507 – 622) 243
      1. 19.2.1 Bein- und Hornartefakte (Kat. 507 – 623) 243
    3. 19.3 Signifikante Fundstücke ohne Abbildung 252
      1. 19.3.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 624 – 664) 252
      2. 19.3.2 Organisches Fundmaterial (Kat. 665 – 679) 254
    4. 19.4 Fundstücke von geringerer Signifikanz (ohne Abbildung) 255
      1. 19.4.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 680 – 822) 255
  24. 20 Tafeln 263
  25. Tafeln 1 – 43 265
  26. Fototafeln 1–9 308
  27. Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
  28. 21 Anhang 321
    1. 21.1 Abkürzungen 322
    2. 21.2 Abgekürzte Typenansprache und Zitierwerke 322
    3. 21.3 Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur 323
    4. 21.4 Abbildungsnachweise 341
    5. 21.5 Anschriften der Verfasser 341
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