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Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
Seite - 162 -
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Seite - 162 - in Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva

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162 Sägen wurde bereits im Zusammenhang mit der Vorbereitung von geeigneten Werkstücken erwähnt. Die weitere Verwendung von Sägen ist an verschie- denen Leisten und Verkleidungsplatten sichtbar. Die Oberfläche einiger Artefakte zeigt grobe Spuren, die wohl von der groben Vorbereitung dieser Flächen mit einer Raspel stammen. In diesem Zusammen- hang ist auf die auf der Leiste Kat. 521 sichtbaren, nach Montage der Abbildung auf Tafel 39 parallelen vertikalen Spuren hinzuweisen. Diese sind erha- ben und unterscheiden sich auch durch die grö- ßere Breite von den feineren negativen Spuren der gegenüberliegenden Seite des Werkstücks. Wäh- rend die feinen negativen Spuren von der Bearbei- tung mit einer Raspel stammen dürften, könnten die gröberen erhabenen und parallel zu den Kon- turen des Werkstücks verlaufenden Grate vielleicht für den vorhergehenden Einsatz eines (Zahn-)Mei- ßels (?) oder ähnlichen Werkzeugs sprechen. Die genannten Werkzeuge sind eher dem Beginn der Fertigung eines Artefakts zuzurechnen. Schließlich gilt es festzuhalten, dass zwischen der Verwen- dung eines Werkzeugs zum Schaben und eines Werkzeugs zum Zerspanen kaum zu unterschei- den ist, da beide parallele Grate verursachen, die in Folge des Herstellungsprozesses abgefeilt oder abgeschliffen und damit undeutlich bis unkenntlich wurden. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzu- weisen, dass sich an Beinartefakten häufig nur noch Herstellungsspuren beobachten lassen, die dem jeweiligen Produktionsstand des Artefakts innerhalb der Produktionskette entsprechen. Glatt geschlif- fene Artefakte waren vielleicht auch geschabt oder zerspant worden, die Spuren dieses Herstellungs- schrittes sind jedoch komplett beseitigt und deshalb am betreffenden Artefakt nicht mehr nachzuvollzie- hen. Auch für die Bestimmung des verwendeten Rohmaterials gilt: Je weiter der Produktionsprozess eines Beinartefakts fortgeschritten ist, desto weni- ger ist es möglich, den zur Erzeugung verwende- ten Knochen hinsichtlich Tierart oder Skelettregion näher zu bestimmen. Dies gilt umso mehr für die aus Insula XLI von Flavia Solva-Wagna vorliegen- den kleinformatigen Beinartefakte. Zur weiteren Bearbeitung und Fertigstellung wur- den Drehbank, Kreisaugenbohrer bzw. -zirkel sowie Schleif- und Polierwerkzeuge verwendet. Die Griffe Kat. 509  –  510 wurden auf einer Dreh- oder Drech- selbank gedrechselt963. Beide Artefakte weisen charakteristische Ausnehmungen für den Dorn und den Reitnagel zum Einspannen auf der Dreh- oder Drechselbank auf. Verschiedene Artefakte zeigen deutliche Spuren vom Abschleifen und anschließen- den Polieren964. Jene Stücke, die sorgfältig poliert 963 Allgemein zur Beindrechslerei: Deschler-Erb 1998, 98  –  101; Gostenčnik 2005, 290. 308  –  318. 964 Gostenčnik 2005, 322 f. wurden, wie z. B. Kat. 510, zeigen sehr glatte und glänzende Oberflächen. Spuren der vorhergehen- den Bearbeitung durch Feilen sind deshalb an die- sen Artefakten mitunter nicht mehr nachzuweisen. Als Schleifmittel könnten sowohl Sand verschiede- ner Körnung als auch Schleifsteine eingesetzt wor- den sein. Schleifsteine sind im Fundmaterial der Periode II/II+ zwar nachgewiesen, stammen jedoch aus Haus II (vgl. Kap. 10; 11.1.5). Zum Polieren könnten Leder und/oder Stoffe sowie Öle verwendet worden sein, die als organische Substanzen im vor- liegenden archäologischen Befund abgesehen vom indirekten Beleg durch das Henkelfragment einer Amphore vom Typ Dressel 6B und weiteren Ampho- renfragmenten (vgl. Kap. 11.1.2.5.1) nicht nach- weisbar sind. Von den aus Insula XLI vorliegenden Amphorenfragmenten lässt sich jedoch lediglich Kat. 626 Raum P zuweisen und der Inhalt dieser Amphore darüber hinaus nicht bestimmen. Die Oberflächenbehandlung durch Polieren konnte nur bei den Artefakten Kat. 508, 510, 513  –  515, 540 und 578 sicher festgestellt werden. Diese Artefakte sind deshalb bezüglich der Arbeitsschritte dem Ende der Produktionskette zuzuweisen. Die Färbung von Beinartefakten ist primär auf den vorliegenden Brandbefund zurückzuführen (vgl. Kap. 7). Intentionale Färbung, die in Augusta Rau- rica-Augst965 und am Magdalensberg966 an Kno- chenmaterial beobachtet werden konnte, liegt nicht vor. Die partielle grünliche Färbung des Beinarte- fakts Kat. 584 kann nicht als eindeutiger Beleg für ein aus verschiedenen Materialien (Bein, Kupferle- gierung) hergestelltes Artefakt bewertet werden, da es sich um ein Halbfabrikat oder Abfallstück handelt. Andererseits könnte die wohl durch die Zusammen- setzung des umgebenden Bodenmilieus bewirkte Färbung des Artefakts auf die gemeinsame Ver- arbeitung von Bein und Bronze (und gemeinsame Entsorgung von entsprechendem Abfall) in (bzw. vor) Raum Q hindeuten. Die Produktion einfacher Beinnadeln wie Kat. 507 ist für die Werkstatt in Insula XLI nicht nur anhand dieses Fragments nachvollziehbar. Bei Artefakten wie Kat. 553 könnte es sich um zugerichtete Roh- stücke für die Weiterverarbeitung zu Beinnadeln handeln, wie ein Befund aus Samarobriva-Amiens nahelegt967. Der ableitbare Produktionsprozess würde die Verarbeitung von Röhrenknochen vor- sehen. Nach dem Absägen der Epiphysen wurde der Knochen der Länge nach in mehrere lange Streifen gespalten, aus denen jeweils Nadeln, stili etc. geschnitzt, geraspelt und gefeilt werden konn- ten. Parallelen zum Nachweis dieser Produktions- 965 Deschler-Erb 1998, 96. 966 Gostenčnik 2005, 318  –  322. 967 Vgl. Thuet 2008, 41 Abb. 5.
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Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
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Titel
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
Autor
Christoph Hinker
Verlag
Österreichisches Archäologisches Institut
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-ND 3.0
ISBN
978-3-900305-70-3
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
344
Schlagwörter
Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. Einleitung 9
  3. 1 Lage 11
  4. 2 Historischer Kontext 15
    1. 2.1 Die Markomannenkriege und der germanische Einfall in Italien 16
    2. 2.2 Die antoninische Pest 21
  5. 3 Forschungsgeschichte 23
  6. 4 Forschungsmeinungen 27
  7. 5 Quellenkritik 31
  8. 6 Terminologie 35
  9. 7 Taphonomie 37
    1. 7.1 Befunde 38
    2. 7.2 Funde 43
    3. 7.3 Resümee 45
    4. 7.4 Exkurs: ›Pompeji-Prämisse‹ in Flavia Solva? 45
  10. 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
  11. 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
  12. 10 Definition von Aktivitätszonen 57
  13. 10.1 Exkurs: Grube G21 66
  14. 10.2 Exkurs: Grube G32 72
  15. 11 Fundauswertung 77
    1. 11.1 Anorganisches Fundmaterial 78
      1. 11.1.1 Glas 78
      2. 11.1.2 Keramik 79
      3. 11.1.3 Metall 120
      4. 11.1.4 Schlacke 130
      5. 11.1.5 Stein 130
    2. 11.2 Organisches Fundmaterial 130
      1. 11.2.1 Archäozoologische Beurteilung der Tierreste 130
      2. 11.2.2 Bein- und Hornartefakte 142
      3. 11.2.3 Archäobotanik 148
  16. 12 Chronologie 153
  17. 13 Technologie und Werkstätten 157
    1. 13.1 Bein- und Hornverarbeitung 159
      1. 13.1.1 Rohstoffe 159
      2. 13.1.2 Produktionskette 160
    2. 13.2 Buntmetallverarbeitung 165
    3. 13.3 Textilproduktion 166
  18. 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
  19. 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
  20. 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
    1. 16.1 Holzarchitektur 180
    2. 16.2 Schadensfeuer 180
    3. 16.3 Pompeji-Prämisse 180
    4. 16.4 Militaria 181
    5. 16.5 Menschliche Skelettreste 182
    6. 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
    7. 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
    8. 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
    9. 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
    10. 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
    11. 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
  21. 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
  22. 18 Resümee 195
    1. 18.1 Resümee 196
    2. 18.2 Summary 196
  23. 19 Katalog 199
    1. 19.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 1 – 506) 201
      1. 19.1.1 Glas (Kat. 1 – 3) 201
      2. 19.1.2 Keramik (Kat. 4 – 432) 201
      3. 19.1.3 Metall (Kat. 433 – 499) 238
      4. 19.1.4 Schlacke (Kat. 500 – 504) 243
      5. 19.1.5 Stein (Kat. 505 – 506) 243
    2. 19.2 Organisches Fundmaterial (Kat. 507 – 622) 243
      1. 19.2.1 Bein- und Hornartefakte (Kat. 507 – 623) 243
    3. 19.3 Signifikante Fundstücke ohne Abbildung 252
      1. 19.3.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 624 – 664) 252
      2. 19.3.2 Organisches Fundmaterial (Kat. 665 – 679) 254
    4. 19.4 Fundstücke von geringerer Signifikanz (ohne Abbildung) 255
      1. 19.4.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 680 – 822) 255
  24. 20 Tafeln 263
  25. Tafeln 1 – 43 265
  26. Fototafeln 1–9 308
  27. Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
  28. 21 Anhang 321
    1. 21.1 Abkürzungen 322
    2. 21.2 Abgekürzte Typenansprache und Zitierwerke 322
    3. 21.3 Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur 323
    4. 21.4 Abbildungsnachweise 341
    5. 21.5 Anschriften der Verfasser 341
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