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Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
Seite - 169 -
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169 zu verknüpfen993. Hinweise auf die Anwesenheit von Kindern fehlen im Fundmaterial, was allerdings keinen Grund darstellt, sie grundsätzlich auszu- schließen. Die unmittelbare Nähe oder Kombination von Arbeits- und Wohnbereichen legt nahe, dass der für den Aufenthalt in der Insula XLI in Frage kom- mende Personenkreis hier nicht nur arbeitete, son- dern auch lebte. Die architektonisch in sich abge- schlossen wirkenden Baukörper der einzelnen Häuser könnten ein Hinweis dafür sein, dass hier, der Größe der jeweiligen Häuser entsprechend, kleinere Familien getrennt voneinander wohnten (und arbeiteten). Nachbarschaft und Lage der ein- zelnen Häuser der Insula XLI zueinander ermöglich- ten andererseits Interaktionen ihrer Bewohner, z. B. im Rahmen gemeinsamer handwerklicher Tätigkei- ten994 oder der gemeinsamen Nutzung der Freiflä- chen zwischen den Bauten, sei es zur Entsorgung von Abfällen, Haltung von Kleinvieh oder Kultivie- rung von Nutzpflanzen etc. Wenn wir davon ausgehen, dass Arbeits- und Wohnräume identisch und benachbart sind, ist mit einer gewissen Beeinträchtigung der Lebensqualität zu rechnen. An möglichen negativen Begleiterschei- nungen der Handwerkstätigkeiten lassen sich etwa die Befeuerung von Öfen für den Buntmetallguss oder die mögliche Reinigung von Schlachtabfällen zur Weiterverarbeitung im Rahmen der Herstel- lung von Beinartefakten anführen. Im Zusammen- hang mit den genannten Aktivitäten wäre zu über- legen, inwiefern eine gewisse Gesundheitsgefahr sowohl für die unmittelbar den Risiken ausgesetzten Handwerker als auch für die übrigen Bewohner der Gebäude gegeben war. Die Lage der Insula XLI an der westlichen Periphe- rie, die erwähnte einfache Architektur und das vor- liegende mengenmäßig insgesamt bescheiden bis gewöhnlich wirkende Spektrum an Importwaren vermitteln den Eindruck, dass der soziale Status der Bewohner der Insula XLI eher der (peregrinen [?]) Unter- oder Mittelschicht des Munizipiums zuzu- rechnen sein dürfte. Von der naheliegenden Deu- tung der vorliegenden post cocturam auf Gefäßke- ramik angebrachten Graffiti als Besitzerinschriften ausgehend, lassen sich gewisse Schlüsse auf die ›Schriftlichkeit‹ der Besitzer, d. h. der Bewohner der Insula XLI, ableiten. Wir dürfen deshalb vielleicht mit einem Grad an Schriftvermögen rechnen, der der Organisation kleinerer bis mittlerer Gewerbe in einer Provinzstadt während der Römerzeit ent- spricht. Neben Ritzungen, die durch die Verwen- dung von Buchstaben konkret als Schriftzeugnisse zu beurteilen sind, liegt mit dem Deckelfragment Kat. 201 auch ein Graffito vor, das wohl als aliterate 993 Diskussion: Vgl. Kap. 10. 13. 994 Diskussion: Vgl. Kap. 13. Markierung zu bewerten ist. Dieses Indiz legt nahe, für den Personenkreis der Insula XLI eine gewisse Nuancierung oder ein Ungleichgewicht des Schrift- vermögens anzunehmen. Vielleicht dürfen wir davon ausgehen, dass sich auch die ›Krisendynamik‹ der Zeit995 in gewisser Weise allgemein auf die Wirtschaftslage in Fla- via Solva-Wagna und damit auch auf die kleine Gewerbe betreibenden Personen (vielleicht Famili- enbetriebe [?]) am westlichen Stadtrand auswirkte. Da während der mittleren Kaiserzeit auch in ande- ren Siedlungsbereichen in Flavia Solva-Wagna mit Buntmetallgießerei und Beinverarbeitung zu rechnen ist (vgl. Kap. 13), könnte sich die Gewer- betätigkeit in der Insula XLI auch auf die nähere Umgebung, d. h. den Westteil des Munizipiums, konzentriert haben. Die beschriebenen, eher bescheidenen Einkom- mensmöglichkeiten könnten hinsichtlich des ›Haus- haltsbudgets‹ bis zu einem gewissen Grad durch die eigene Versorgung mit Nahrungsmitteln (Kulti- vierung von Hülsenfrüchten, Haltung von Kleinvieh) kompensiert worden sein996. Die Überlegungen ver- deutlichen, dass bezüglich des Handwerkermilieus in einer südostnorischen Stadt nicht simplifiziert von einer ›Mittelschicht‹ auszugehen ist, die ihre Bedürf- nisse ausschließlich vom Verkauf der im Rahmen einer spezialisierten Handwerkstätigkeit gefertigten Produkte abdecken konnte oder wollte. Hinsichtlich der Ernährung dürfen wir vielleicht eine durchaus kohlenhydrat- und proteinreichen Kost postulieren, die vielleicht der körperlichen Bean- spruchung handwerklicher Tätigkeit entsprach. Die Ernährungsweise beruhte offenbar vor allem auf regionalen Produkten und umfasste sowohl Nah- rungsmittel pflanzlicher als auch tierischer Herkunft (vgl. Kap. 11.2.1; 11.2.3). Diese Bestandteile des Speiseplans wurden, soweit im vorliegenden Befund nachweisbar, kaum durch importierte Waren, z. B. Olivenöl, ergänzt (vgl. Kap. 11.1.2.5.1). In diesem Zusammenhang fällt auf, dass mit Reibschüsseln und einer pompejanisch-roten Platte sowie Gefä- ßen aus Terra Sigillata durchaus spezifisches Koch- und Tafelgeschirr im Fundmaterial vertreten ist, das ›römisch-mediterran‹ beeinflusste Nahrungsmittel- zubereitung und -konsumation erlaubt. Vielleicht dürfen wir von dieser Evidenz darauf schließen, dass zwar vorwiegend lokale Nahrungsmittel her- angezogen, diese jedoch auch an ›römisch-mediter- rane Kochgewohnheiten‹ angelehnt zubereitet und konsumiert wurden. Falls die Annahmen einer lokalen Kultivierung von Hülsenfrüchten zutrifft, dürfen wir vielleicht auch den damit verbundenen Schädlingsbefall pflanz- licher Nahrungsmittel (vgl. Kap. 11.2.3) auf loka- 995 Diskussion: Vgl. Kap. 2. 996 Diskussion: Vgl. Kap. 11.2.1; 11.2.3.
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Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
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Titel
Ein Brandhorizont aus der Zeit der Markomannenkriege im südostnorischen Munizipium Flavia Solva
Autor
Christoph Hinker
Verlag
Österreichisches Archäologisches Institut
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-ND 3.0
ISBN
978-3-900305-70-3
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
344
Schlagwörter
Flavia Solva, materielle Kultur, Artefakt (Archäologie), Brom, Glimmergruppe, Insula, Magerung, Thüringische Drehscheibenkeramik
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. Einleitung 9
  3. 1 Lage 11
  4. 2 Historischer Kontext 15
    1. 2.1 Die Markomannenkriege und der germanische Einfall in Italien 16
    2. 2.2 Die antoninische Pest 21
  5. 3 Forschungsgeschichte 23
  6. 4 Forschungsmeinungen 27
  7. 5 Quellenkritik 31
  8. 6 Terminologie 35
  9. 7 Taphonomie 37
    1. 7.1 Befunde 38
    2. 7.2 Funde 43
    3. 7.3 Resümee 45
    4. 7.4 Exkurs: ›Pompeji-Prämisse‹ in Flavia Solva? 45
  10. 8 Exkurs: Korrespondierende Befunde im Munizipium Flavia Solva? 49
  11. 9 Die Architektur der Insula XLI (Haus I–VI) 51
  12. 10 Definition von Aktivitätszonen 57
  13. 10.1 Exkurs: Grube G21 66
  14. 10.2 Exkurs: Grube G32 72
  15. 11 Fundauswertung 77
    1. 11.1 Anorganisches Fundmaterial 78
      1. 11.1.1 Glas 78
      2. 11.1.2 Keramik 79
      3. 11.1.3 Metall 120
      4. 11.1.4 Schlacke 130
      5. 11.1.5 Stein 130
    2. 11.2 Organisches Fundmaterial 130
      1. 11.2.1 Archäozoologische Beurteilung der Tierreste 130
      2. 11.2.2 Bein- und Hornartefakte 142
      3. 11.2.3 Archäobotanik 148
  16. 12 Chronologie 153
  17. 13 Technologie und Werkstätten 157
    1. 13.1 Bein- und Hornverarbeitung 159
      1. 13.1.1 Rohstoffe 159
      2. 13.1.2 Produktionskette 160
    2. 13.2 Buntmetallverarbeitung 165
    3. 13.3 Textilproduktion 166
  18. 14 Der Brandhorizont der Insula XLI im urbanen kultur-geschichtlichen Kontext von Flavia Solva 167
  19. 15 Brandzerstörungen aus der Zeit der Markomannenkriege in Noricum, Pannonien und Rätien 171
  20. 16 Diskussion: Ergebnisse und ihr Verhältnis zum historischen Kontext 179
    1. 16.1 Holzarchitektur 180
    2. 16.2 Schadensfeuer 180
    3. 16.3 Pompeji-Prämisse 180
    4. 16.4 Militaria 181
    5. 16.5 Menschliche Skelettreste 182
    6. 16.6 Übrige Funde, speziell Metallfunde 183
    7. 16.7 Bebauungsmuster der Insula XLI nach Periode II/II+ 184
    8. 16.8 Forschungsstand zu Flavia Solva 186
    9. 16.9 Die südostnorische Siedlungslandschaft und das Szenario eines Germaneneinfalls 186
    10. 16.10 Tradierung von Forschungsmeinungen versus kritischer Prüfung 187
    11. 16.11 Fragenkatalog und Synthese 187
  21. 17 Ausblick: Zur Frage der Historizität in der Provinzial- römischen Archäologie 189
  22. 18 Resümee 195
    1. 18.1 Resümee 196
    2. 18.2 Summary 196
  23. 19 Katalog 199
    1. 19.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 1 – 506) 201
      1. 19.1.1 Glas (Kat. 1 – 3) 201
      2. 19.1.2 Keramik (Kat. 4 – 432) 201
      3. 19.1.3 Metall (Kat. 433 – 499) 238
      4. 19.1.4 Schlacke (Kat. 500 – 504) 243
      5. 19.1.5 Stein (Kat. 505 – 506) 243
    2. 19.2 Organisches Fundmaterial (Kat. 507 – 622) 243
      1. 19.2.1 Bein- und Hornartefakte (Kat. 507 – 623) 243
    3. 19.3 Signifikante Fundstücke ohne Abbildung 252
      1. 19.3.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 624 – 664) 252
      2. 19.3.2 Organisches Fundmaterial (Kat. 665 – 679) 254
    4. 19.4 Fundstücke von geringerer Signifikanz (ohne Abbildung) 255
      1. 19.4.1 Anorganisches Fundmaterial (Kat. 680 – 822) 255
  24. 20 Tafeln 263
  25. Tafeln 1 – 43 265
  26. Fototafeln 1–9 308
  27. Typentafel mit Tabellen 20 und 21 317
  28. 21 Anhang 321
    1. 21.1 Abkürzungen 322
    2. 21.2 Abgekürzte Typenansprache und Zitierwerke 322
    3. 21.3 Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur 323
    4. 21.4 Abbildungsnachweise 341
    5. 21.5 Anschriften der Verfasser 341
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