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Inschriftenüberlieferung bis zum Ende des 14. Jahrhunderts | 35
auf sein Schloss Freydegg in der Nähe von Ferschnitz überstellt wurde.87 Strein
kannte aber nicht nur das römerzeitliche Denkmal gut, sondern auch Berchtolds
Überlieferung und Fehldeutung. In seinem leider nur abschriftlich erhaltenen Werk
„Annales historici oder Historisch Jarzeit Buech des Ertzherzogthumbs Oesterreich ob der
Ennß“ rügt er zunächst Lazius für dessen mangelhafte Abschriften des Denkmals,
dann den Verfasser der Kremsmünsterer Chronik (Berchtold), weil er einen Zusam-
menhang zwischen der Inschrift und der Gründung der Lorcher Kirche hergestellt
hat. Strein sah sich angesichts derartiger Fehler bei der Überlieferung schließlich
bemüßigt, den Text seiner Inschrift „eigentlich und richtig“ wiederzugeben.88
Über das Schicksal der Inschrift nach dem Tod des Freiherrn von Schwarzenau im
Jahre 1600 ist nichts bekannt. Erst um 1856 wurde der Stein in einer Schmiede von
Ferschnitz wiederentdeckt und vor weiterer Verwendung als Antrittstein bewahrt,
indem er im örtlichen Pfarrgarten aufgestellt wurde.89 Veranlasst durch das Auftau-
chen der Inschrift begann P. Florian Wimmer danach zu suchen, was Berchtold von
Kremsmünster mit „imagines“ gemeint haben könnte. Er stieß auf ein Grabrelief mit
drei Halbfiguren, das noch immer an der Ostseite der Lorcher Kirche eingemauert
war.90 Der Plural „imagines“ wäre damit zutreffend erklärt. Wimmer glaubte aller-
dings aus Berchtolds Formulierung herauslesen zu können, dass gegen Ende des
13. Jahrhunderts mehrere Reliefgrabsteine mit Inschriften gefunden worden sind.91
Der Ausdruck „lapides“ lässt sich meines Erachtens aber auch dadurch erklären, dass
Berchtold an die beiden Steinplatten gedacht hat, die bei der Gotisierung der Lorcher
Kirche zum Vorschein gekommen sind: die eine mit den Reliefs, die andere mit der
Inschrift.92 Basierend auf der Formulierung Berchtolds, wonach „imagines cum
litteris“ gefunden worden seien, vermutete Wimmer, dass die beiden Stücke früher
87 Dazu und zum Folgenden siehe Bauer, CIL III 5671, 166–169. Bauer gibt abweichend vom Gros der
übrigen Literatur 1537 als Geburtsjahr des Freiherrn an.
88 Vgl. Bauer, CIL III 5671, 166–167. Zur Überlieferung römerzeitlicher Inschriften bei Richard Strein
(Reichard Streun) siehe aktuell und umfassend Cornelia Faustmann, Studien zur Entwicklung der
lateinischen Epigraphik als wissenschaftliche Disziplin in Österreich unter besonderer Berücksichtigung der
Annales historici des Reichard Streun von Schwarzenau (ungedr. Dipl.), Wien 2013. Von Streins Werk
sind derzeit zehn Abschriften bekannt, die mehrheitlich auch den sog. Meilenstein von Engel-
hartszell enthalten. Für dieses Denkmal ist Strein als Gewährsmann ungleich wichtiger, da es im
Gegensatz zur Lorcher Inschrift verschollen ist. Dazu insbesondere auch Gerhard Winkler, Der
römische Meilenstein von Engelhartszell, CIL III 5755=11846, in: OÖ. Heimatblätter 25 (1971) 3–15
(Neuerlich publiziert in: Ders., Varia Norica 341–354). Vgl. ferner Zibermayr, OÖLA 206–208, und
die beiden Studien von Karl Grossmann, in: MIÖG Erg.bd. 11 (Wien 1929) 555–573, sowie im
JLkNÖ N. F. 20, II. Teil (Wien 1927) 1–37.
89 Vgl. Sacken, Archäologischer Wegweiser 29, und Johann Oehler, Die Römer in Niederösterreich, in:
21. Jahresbericht des Mädchen-Obergymnasiums des Vereines für erweiterte Frauenbildung Wien
VI, Rahlgasse 4 (Wien 1913) 6.
90 Mitth. d. Centralcomm. N. F. 2 (1876) 28.
91 Auch Rudolf Noll, RLÖ 21 (1958) 11, spricht von „einigen mit Reliefs und Inschriften versehenen
Grabsteinen“.
92 Beide Fundstücke befinden sich heute im Museum Lauriacum in Enns (Inv.-Nr. R X 1 bzw.
R X 101). Zur Publikation der Dreifigurenstele vgl. Lothar Eckhart, Die Skulpturen des Stadtgebietes
von Lauriacum (CSIR Österreich III 2), Wien 1976, 47–48 (Nr. 53 mit Tafel 16).
Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Title
- Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
- Subtitle
- Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Author
- Doris Marth
- Publisher
- Holzhausen Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-902976-43-7
- Size
- 21.4 x 30.2 cm
- Pages
- 572
- Keywords
- Antiquus Austriacus, Austria, Epigraphy, Humanism, Inscriptions, Manuscript Tradition, Roman Period, Antiquus Austriacus, Epigraphik, Humanismus, Inschriften, Österreich, Römerzeit, Überlieferung
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- 1 Zur historischen Entwicklung der Überlieferung lateinischer, insbesondere norischer Inschriften von den Anfängen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts 19
- 1.1 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung lateinischer Inschriften 19
- 1.2 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung norischer Inschriften 23
- 1.3 Berchtold von Kremsmünster und die älteste Abschrift einer norischen Inschrift 26
- 1.4 Die Inschrift CIL III 5630 im Codex membraneus LIV des Stiftes Lambach 36
- 2 Neue Impulse aus Italien: Humanismus und Renaissance als „Geburtsphase“ der lateinischen Epigraphik 40
- 3 Die Ausbreitung und Etablierung humanistischen Gedankengutes im Ostalpenraum aus epigraphischer Sicht 56
- 4 Augustinus Prygl Tyfernus und die norischen Inschriften 99
- 5 Der sogenannte Antiquus Austriacus: Mommsens Pseudonym für den Verfasser der ältesten Sammlung norischer Inschriften 139
- 6 Die Wiener Handschrift CVP 3255* 147
- 7 Der Codex Pragensis XIII G 14 der Národní Knihovna, Prag 162
- 7.1 Das Verhältnis zwischen CP XIII G 14 und CVP 3255*: Eine Inschriftensammlung und ihr Register 170
- 7.2 Folgen aus dem Zusammenhang CVP 3255* – CP XIII G 14 174
- 7.3 Johannes Fuchsmagen und der CP XIII G 14 182
- 7.4 Zur Frage nach den Quellen für den CP XIII G 14 198
- 7.5 Codex Pragensis XIII G 14: Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse und Gesamtbetrachtung 221
- 8 Konrad Peutinger und die norischen Inschriften 228
- 8.1 Peutingers handschriftliche Inschriftensammlungen 230
- 8.2 Johannes Fuchsmagen als Peutingers Gewährsmann 244
- 8.3 Die „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ und die Inschriften von Augustinus Prygl Tyfernus in Peutingers 2° Cod. H 24 246
- 8.4 Zusammenfassung: Der Wert von Peutingers Handschriften für die Überlieferung norischer Inschriften 264
- 9 Johannes Choler und seine Inschriftensammlung 265
- 10 Die „Inscriptiones Sacrosanctae Vetustatis“ von Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius 295
- 10.1 Zur Intention und Gliederung des Werkes sowie zur Nennung seiner Quellen 300
- 10.2 Johannes Choler und die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 301
- 10.3 Die Inschriftensammlungen von Konrad Peutinger und Augustinus Prygl Tyfernus – Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis? 302
- 10.4 Johannes Aventinus als Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 304
- 10.5 Der Codex Pragensis XIII G 14 und sein Verhältnis zu den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 305
- 10.5.1 Das Verzeichnis epigraphischer Abkürzungen im CP XIII G 14 und bei Apianus/Amantius 307
- 10.5.2 Der CP XIII G 14 als Quelle für norische (und oberpannonische) Inschriften bei Apianus/Amantius 311
- 10.5.3 Konsequenzen aus dem unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem CP XIII G 14 und den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 330
- 10.6 Parallel verwendete Quellen und mehrfach überlieferte Inschriften bei Apianus/Amantius 337
- 10.7 Zusammenfassende Betrachtungen zur Arbeitsweise von Apianus/ Amantius und Gesamtbewertung der Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 345
- 11 Johannes Fuchsmagen und seine epigraphische Sammeltätigkeit 347
- 12 Anhang: Tabellen zur Überlieferung norischer und oberpannonischer Inschriften 376
- Einleitende Bemerkungen und Hinweise zur Benützung 376
- Tab. 12.1: Inschriften bei Paolo Santonino, Cod. Vat. Lat. 3795 379
- Tab. 12.2: Inschriften, die von Augustinus Tyfernus und vom sogenannten Antiquus Austriacus überliefert werden 380
- Tab. 12.3: Im CVP 3255* und CP XIII G 14 enthaltene Inschriften 386
- Tab. 12.4: Inschriften in den Codices von Augustinus Tyfernus im Vergleich mit dem CP XIII G 14 395
- Tab. 12.5: Inschriften-Erstbelege bei „Antiquus Austriacus“, Augustinus Tyfernus und im CP XIII G 14 415
- Tab. 12.6: Inschriften im 4° Cod. H 26 der SuStBA („Picturae“) im Vergleich mit dem CP XIII G 14 425
- Tab. 12.7: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 23 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 427
- Tab. 12.8: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 24 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 428
- Tab. 12.9: Inschriften in Cholers CLM 394 im Vergleich mit Peutingers 2° Cod. H 24 und CP XIII G 14 437
- Tab. 12.10: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit Augustinus Tyfernus und Peutingers 2° Cod. H 24 443
- Tab. 12.11: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit dem CP XIII G 14 475
- Tab. 12.12: „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ bei Peutinger, Choler, CP XIII G 14/Fuchsmagen und Apianus/Amantius 490
- Abkürzungs- und Siglenverzeichnis 503
- Quellen- und Literaturverzeichnis 508
- Abbildungsnachweis 539
- Indices 542
- Inschriftenindex 542
- Orts- und Personenindex 548