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Humanistisches Gedankengut im Ostalpenraum | 71
sich in beiden Fällen mit „AN“ begnügte. Aufgrund der sklavischen Einhaltung des
Zeilenspiegels ergab sich in der Handschrift in der (vor)letzten Zeile die unsinnige
Worttrennung „AN-N“.267
Insgesamt sind Santoninos Transkriptionen als sehr zuverlässig zu bezeichnen, da
der Text der Inschriften – von der Zeilentrennung abgesehen – möglichst original-
getreu wiedergegeben wird. Sie sind also durchaus geeignet, für die Rekonstruktion
der verschollenen Steine CIL III 5158 und 5226 herangezogen zu werden. Dies ist
umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass Santonino im Abschreiben römer-
zeitlicher Inschriften wahrscheinlich nicht sehr geübt war. Auch hatte er die Reise in
die Gegend von Celeia bekanntlich aus einem ganz anderen Grund angetreten. Unter
diesem Gesichtspunkt kann man seine Überlieferung der fünf norischen Inschriften
sogar als „Zufallsprodukt“ bezeichnen.
Betrachtet man die relevanten folia 134v und 135r des Cod. Vat. Lat. 3795 jedoch in
formaler Hinsicht, ist die Annahme, dass Santonino Inschriftensammlungen von
(älteren) Zeitgenossen kannte, nicht ganz von der Hand zu weisen: Wir finden auch
bei ihm in kleinem Umfang die bereits etablierte Abfolge von Ortsangaben in Mi-
nuskeln und Inschrifttext in Majuskeln. Die Frage, ob Santonino auch von den Rei-
setagebüchern des Ciriaco d’Ancona wusste oder diese in Form früher Abschriften
kannte, würde allerdings (zu) weit in den Bereich der Spekulation hineinführen.
3.2 Aufschwung des antiquarischen Interesses und Einflussrichtungen des
Humanismus im Ostalpenraum
Mit Paolo Santonino kam in den Jahren 1485 bis 1487 auch humanistisches Gedan-
kengut in die zum Teil entlegenen nördlichen Gebiete der Diözese Aquileia. Wahr-
scheinlich waren die Einheimischen damals noch etwas verwundert ob seines
Interesses für die lokalen Überreste der Römerzeit. Der Reisende wiederum wird sich
seinerseits in den heutigen Kärntner und slowenischen Gebieten mitunter etwas
geistig fremd gefühlt haben, ähnlich wie rund 40 Jahre vor ihm Aeneas Silvius
Piccolomini in Wien. Santonino ist jedenfalls ein weiteres Beispiel für die Aus-
breitung des antiquarisch-epigraphischen Interesses von Süden nach Norden: Er
stammte ebenso aus Italien wie die ersten Humanisten, die – zunächst noch verein-
zelt – norische Inschriften kopierten: Erinnern wir uns an Ciriaco d’Ancona und die
Gelehrten, die Ciriacos Sammlung bzw. jene des sogenannten Tergestinus Antiquus
benutzten und erweiterten.268
Es waren aber nicht nur die Italiener, welche das humanistische Gedankengut über
ihre Landesgrenzen hinaustrugen. Auch die Gelehrten in unserem Raum waren
267 Siehe Abb. 5. Ob darin ein weiterer Hinweis für eine Abschrift aus der Hand von Santoninos Mit-
arbeiter gesehen werden darf, bleibt zweifelhaft.
268 Siehe Kap. 2.
Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Title
- Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
- Subtitle
- Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Author
- Doris Marth
- Publisher
- Holzhausen Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-902976-43-7
- Size
- 21.4 x 30.2 cm
- Pages
- 572
- Keywords
- Antiquus Austriacus, Austria, Epigraphy, Humanism, Inscriptions, Manuscript Tradition, Roman Period, Antiquus Austriacus, Epigraphik, Humanismus, Inschriften, Österreich, Römerzeit, Überlieferung
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- 1 Zur historischen Entwicklung der Überlieferung lateinischer, insbesondere norischer Inschriften von den Anfängen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts 19
- 1.1 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung lateinischer Inschriften 19
- 1.2 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung norischer Inschriften 23
- 1.3 Berchtold von Kremsmünster und die älteste Abschrift einer norischen Inschrift 26
- 1.4 Die Inschrift CIL III 5630 im Codex membraneus LIV des Stiftes Lambach 36
- 2 Neue Impulse aus Italien: Humanismus und Renaissance als „Geburtsphase“ der lateinischen Epigraphik 40
- 3 Die Ausbreitung und Etablierung humanistischen Gedankengutes im Ostalpenraum aus epigraphischer Sicht 56
- 4 Augustinus Prygl Tyfernus und die norischen Inschriften 99
- 5 Der sogenannte Antiquus Austriacus: Mommsens Pseudonym für den Verfasser der ältesten Sammlung norischer Inschriften 139
- 6 Die Wiener Handschrift CVP 3255* 147
- 7 Der Codex Pragensis XIII G 14 der Národní Knihovna, Prag 162
- 7.1 Das Verhältnis zwischen CP XIII G 14 und CVP 3255*: Eine Inschriftensammlung und ihr Register 170
- 7.2 Folgen aus dem Zusammenhang CVP 3255* – CP XIII G 14 174
- 7.3 Johannes Fuchsmagen und der CP XIII G 14 182
- 7.4 Zur Frage nach den Quellen für den CP XIII G 14 198
- 7.5 Codex Pragensis XIII G 14: Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse und Gesamtbetrachtung 221
- 8 Konrad Peutinger und die norischen Inschriften 228
- 8.1 Peutingers handschriftliche Inschriftensammlungen 230
- 8.2 Johannes Fuchsmagen als Peutingers Gewährsmann 244
- 8.3 Die „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ und die Inschriften von Augustinus Prygl Tyfernus in Peutingers 2° Cod. H 24 246
- 8.4 Zusammenfassung: Der Wert von Peutingers Handschriften für die Überlieferung norischer Inschriften 264
- 9 Johannes Choler und seine Inschriftensammlung 265
- 10 Die „Inscriptiones Sacrosanctae Vetustatis“ von Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius 295
- 10.1 Zur Intention und Gliederung des Werkes sowie zur Nennung seiner Quellen 300
- 10.2 Johannes Choler und die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 301
- 10.3 Die Inschriftensammlungen von Konrad Peutinger und Augustinus Prygl Tyfernus – Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis? 302
- 10.4 Johannes Aventinus als Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 304
- 10.5 Der Codex Pragensis XIII G 14 und sein Verhältnis zu den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 305
- 10.5.1 Das Verzeichnis epigraphischer Abkürzungen im CP XIII G 14 und bei Apianus/Amantius 307
- 10.5.2 Der CP XIII G 14 als Quelle für norische (und oberpannonische) Inschriften bei Apianus/Amantius 311
- 10.5.3 Konsequenzen aus dem unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem CP XIII G 14 und den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 330
- 10.6 Parallel verwendete Quellen und mehrfach überlieferte Inschriften bei Apianus/Amantius 337
- 10.7 Zusammenfassende Betrachtungen zur Arbeitsweise von Apianus/ Amantius und Gesamtbewertung der Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 345
- 11 Johannes Fuchsmagen und seine epigraphische Sammeltätigkeit 347
- 12 Anhang: Tabellen zur Überlieferung norischer und oberpannonischer Inschriften 376
- Einleitende Bemerkungen und Hinweise zur Benützung 376
- Tab. 12.1: Inschriften bei Paolo Santonino, Cod. Vat. Lat. 3795 379
- Tab. 12.2: Inschriften, die von Augustinus Tyfernus und vom sogenannten Antiquus Austriacus überliefert werden 380
- Tab. 12.3: Im CVP 3255* und CP XIII G 14 enthaltene Inschriften 386
- Tab. 12.4: Inschriften in den Codices von Augustinus Tyfernus im Vergleich mit dem CP XIII G 14 395
- Tab. 12.5: Inschriften-Erstbelege bei „Antiquus Austriacus“, Augustinus Tyfernus und im CP XIII G 14 415
- Tab. 12.6: Inschriften im 4° Cod. H 26 der SuStBA („Picturae“) im Vergleich mit dem CP XIII G 14 425
- Tab. 12.7: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 23 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 427
- Tab. 12.8: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 24 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 428
- Tab. 12.9: Inschriften in Cholers CLM 394 im Vergleich mit Peutingers 2° Cod. H 24 und CP XIII G 14 437
- Tab. 12.10: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit Augustinus Tyfernus und Peutingers 2° Cod. H 24 443
- Tab. 12.11: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit dem CP XIII G 14 475
- Tab. 12.12: „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ bei Peutinger, Choler, CP XIII G 14/Fuchsmagen und Apianus/Amantius 490
- Abkürzungs- und Siglenverzeichnis 503
- Quellen- und Literaturverzeichnis 508
- Abbildungsnachweis 539
- Indices 542
- Inschriftenindex 542
- Orts- und Personenindex 548