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Humanismus und Renaissance aus epigraphischer Sicht | 47
metrische Inschrift, die Dondi als „carmen“ bezeichnet, wird ein Teil der übrigen
zwölf Ortsangaben jeweils in der Art „in [...] (sculptae) sunt (multae / magnae) litterae
huiusmodi“ formuliert; bei vier der letzten fünf Inschriften heißt es sogar schon fast
stereotyp „[...] sunt litterae huiusmodi“.141 Während Dondi also noch recht ausführ-
liche, in vollen Sätzen gestaltete Angaben zu den einzelnen Inschriften macht, be-
schränkt sich der Autor der ältesten Fassung der Sylloge Signoriliana auf aus-
führlichere Wortgruppen, die teils noch das Wort „litterae“ enthalten142, teils aber
auch nicht mehr143. Bequemlichkeit und Selbstverständlichkeit werden hier gewiss
eine nicht unbedeutende Rolle gespielt haben, zumal diese Sammlung wesentlich
umfangreicher war als Dondis Zusammenstellung.144
Wie auch immer die Sylloge Signoriliana bzw. die Farrago Barberiniana und die Sylloge
Poggiana chronologisch zueinander stehen: Es ist meines Erachtens nicht ganz von
der Hand zu weisen, dass bereits vor Poggios Fund der Einsiedler Sammlung (zwi-
schen 1413 und 1415) und der Fertigstellung seiner eigenen Sylloge eine gewisse
formale Einheitlichkeit bei der Zusammenstellung römerzeitlicher Inschriften im
Entstehen begriffen war. Andererseits könnte man auch die etwas provokante Frage
aufwerfen, wie denn eine reine Inschriftensammlung sonst gestaltet sein sollte als in
Form einer Aneinanderreihung von Ortsangaben und zugehörigen Inschrifttexten?
Die Inschriften in den Sammlungen sprachen für sich selbst, und für ergänzende Be-
merkungen bestand kein Anlass, da diese teilweise ohnehin in einem entsprechen-
den Textteil enthalten waren. Wenn Inschriften zur Illustration der Geschichte von
Baudenkmälern oder Örtlichkeiten herangezogen wurden, wich die Form der Dar-
stellung von einer reinen Sammlung deutlich ab.145
Auf Basis seiner Untersuchungen der formalen Struktur gelang es Ott, eine topo-
graphische Intention der drei genannten Inschriftensammlungen146 nachzuweisen.
Die solide Argumentationsführung lässt die Aussage zu, dass sich Poggio in Art und
Absicht seiner Inschriftenüberlieferung bewusst an die für ihn alte Einsiedler Samm-
lung angelehnt hat. Mit seinem gelungenen Versuch, ein Bild der antiken Stadt Rom
anhand ihrer – möglichst getreu in Majuskeln transkribierten – Inschriften zu zeich-
nen, war Poggio zweifellos prägend für die epigraphische Tätigkeit späterer Huma-
nisten geworden. Dennoch sollten diese formalen Leistungen meiner Ansicht nach
nicht allzu zu sehr vor seine antiquarischen Verdienste gestellt werden, denn
Poggios Einstellung gegenüber den epigraphischen Zeugnissen der römischen Ver-
141 Siehe CIL VI, S. XXVII–XXVIII.
142 Beispielhaft seien hier angeführt Nr. 33 („littere in castro sancti Angeli supra portam introyti“), Nr. 34
(„alie littere in eodem castro versus flumen“) und Nr. 38 („littere epitaphii quinti fabii maximi“); siehe
CIL VI, S. XXII.
143 Etwa Nr. 37 („in eodem loco castri iuxta illas“).
144 Nicht alle der insgesamt 86 im CIL VI, S. XVI–XXVII, publizierten Inschriften(fragmente) sind
auch in der Farrago Barberiniana enthalten; dagegen führt diese Sammlung wie erwähnt vier Frag-
mente an, die in den späteren Fassungen der Sylloge Signoriliana fehlen.
145 Vgl. die Ausführungen von Kajanto, Poggio and Epigraphy 31–35, zu Poggios Dialog De varietate
fortunae.
146 Codex Einsidlensis, Sylloge Signoriliana und Sylloge Poggiana.
Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Title
- Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
- Subtitle
- Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Author
- Doris Marth
- Publisher
- Holzhausen Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-902976-43-7
- Size
- 21.4 x 30.2 cm
- Pages
- 572
- Keywords
- Antiquus Austriacus, Austria, Epigraphy, Humanism, Inscriptions, Manuscript Tradition, Roman Period, Antiquus Austriacus, Epigraphik, Humanismus, Inschriften, Österreich, Römerzeit, Überlieferung
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- 1 Zur historischen Entwicklung der Überlieferung lateinischer, insbesondere norischer Inschriften von den Anfängen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts 19
- 1.1 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung lateinischer Inschriften 19
- 1.2 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung norischer Inschriften 23
- 1.3 Berchtold von Kremsmünster und die älteste Abschrift einer norischen Inschrift 26
- 1.4 Die Inschrift CIL III 5630 im Codex membraneus LIV des Stiftes Lambach 36
- 2 Neue Impulse aus Italien: Humanismus und Renaissance als „Geburtsphase“ der lateinischen Epigraphik 40
- 3 Die Ausbreitung und Etablierung humanistischen Gedankengutes im Ostalpenraum aus epigraphischer Sicht 56
- 4 Augustinus Prygl Tyfernus und die norischen Inschriften 99
- 5 Der sogenannte Antiquus Austriacus: Mommsens Pseudonym für den Verfasser der ältesten Sammlung norischer Inschriften 139
- 6 Die Wiener Handschrift CVP 3255* 147
- 7 Der Codex Pragensis XIII G 14 der Národní Knihovna, Prag 162
- 7.1 Das Verhältnis zwischen CP XIII G 14 und CVP 3255*: Eine Inschriftensammlung und ihr Register 170
- 7.2 Folgen aus dem Zusammenhang CVP 3255* – CP XIII G 14 174
- 7.3 Johannes Fuchsmagen und der CP XIII G 14 182
- 7.4 Zur Frage nach den Quellen für den CP XIII G 14 198
- 7.5 Codex Pragensis XIII G 14: Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse und Gesamtbetrachtung 221
- 8 Konrad Peutinger und die norischen Inschriften 228
- 8.1 Peutingers handschriftliche Inschriftensammlungen 230
- 8.2 Johannes Fuchsmagen als Peutingers Gewährsmann 244
- 8.3 Die „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ und die Inschriften von Augustinus Prygl Tyfernus in Peutingers 2° Cod. H 24 246
- 8.4 Zusammenfassung: Der Wert von Peutingers Handschriften für die Überlieferung norischer Inschriften 264
- 9 Johannes Choler und seine Inschriftensammlung 265
- 10 Die „Inscriptiones Sacrosanctae Vetustatis“ von Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius 295
- 10.1 Zur Intention und Gliederung des Werkes sowie zur Nennung seiner Quellen 300
- 10.2 Johannes Choler und die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 301
- 10.3 Die Inschriftensammlungen von Konrad Peutinger und Augustinus Prygl Tyfernus – Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis? 302
- 10.4 Johannes Aventinus als Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 304
- 10.5 Der Codex Pragensis XIII G 14 und sein Verhältnis zu den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 305
- 10.5.1 Das Verzeichnis epigraphischer Abkürzungen im CP XIII G 14 und bei Apianus/Amantius 307
- 10.5.2 Der CP XIII G 14 als Quelle für norische (und oberpannonische) Inschriften bei Apianus/Amantius 311
- 10.5.3 Konsequenzen aus dem unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem CP XIII G 14 und den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 330
- 10.6 Parallel verwendete Quellen und mehrfach überlieferte Inschriften bei Apianus/Amantius 337
- 10.7 Zusammenfassende Betrachtungen zur Arbeitsweise von Apianus/ Amantius und Gesamtbewertung der Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 345
- 11 Johannes Fuchsmagen und seine epigraphische Sammeltätigkeit 347
- 12 Anhang: Tabellen zur Überlieferung norischer und oberpannonischer Inschriften 376
- Einleitende Bemerkungen und Hinweise zur Benützung 376
- Tab. 12.1: Inschriften bei Paolo Santonino, Cod. Vat. Lat. 3795 379
- Tab. 12.2: Inschriften, die von Augustinus Tyfernus und vom sogenannten Antiquus Austriacus überliefert werden 380
- Tab. 12.3: Im CVP 3255* und CP XIII G 14 enthaltene Inschriften 386
- Tab. 12.4: Inschriften in den Codices von Augustinus Tyfernus im Vergleich mit dem CP XIII G 14 395
- Tab. 12.5: Inschriften-Erstbelege bei „Antiquus Austriacus“, Augustinus Tyfernus und im CP XIII G 14 415
- Tab. 12.6: Inschriften im 4° Cod. H 26 der SuStBA („Picturae“) im Vergleich mit dem CP XIII G 14 425
- Tab. 12.7: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 23 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 427
- Tab. 12.8: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 24 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 428
- Tab. 12.9: Inschriften in Cholers CLM 394 im Vergleich mit Peutingers 2° Cod. H 24 und CP XIII G 14 437
- Tab. 12.10: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit Augustinus Tyfernus und Peutingers 2° Cod. H 24 443
- Tab. 12.11: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit dem CP XIII G 14 475
- Tab. 12.12: „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ bei Peutinger, Choler, CP XIII G 14/Fuchsmagen und Apianus/Amantius 490
- Abkürzungs- und Siglenverzeichnis 503
- Quellen- und Literaturverzeichnis 508
- Abbildungsnachweis 539
- Indices 542
- Inschriftenindex 542
- Orts- und Personenindex 548