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Humanismus und Renaissance aus epigraphischer Sicht | 53
Gesamturteil.173 Zwar war Ciriaco nach Guarducci noch kein Epigraphiker im vollen
Wortsinn, auch wenn er gerne so bezeichnet wird174, doch sind seine großen Ver-
dienste auf epigraphischem Gebiet heute unbestritten: Für die Erforschung und
Überlieferung antiker Inschriften hat er neue, wichtige Impulse gesetzt, die letztlich
auch für die Überlieferung von Inschriften aus Noricum bedeutend waren.
Möglicherweise hat bereits Ciriaco selbst norische Inschriften überliefert. Mommsen
glaubte nämlich in dem Anconitaner den Verfasser einer weiteren Sammlung des
15. Jahrhunderts gefunden zu haben, die neben Inschriften aus dem antiken Tergeste
(h. Trieste) und anderen benachbarten Orten auch drei norische Inschriften, zwei aus
Celeia (h. Celje; CIL III 5194 bzw. 5235) und eine aus (vermutlich Windisch) Feistritz
(h. Slovenska Bistrica; CIL III 5307) enthielt. Die drei Steindenkmäler sind heute
ebenso verschollen wie die entsprechende Handschrift.175 Die Sammlung selbst
konnte dennoch im Zuge der Vorarbeiten für die Herausgabe des fünften CIL-
Bandes anhand zahlreicher Abschriften rekonstruiert werden.176 Zwei Umstände
legen es nahe, diese Sammlung Ciriaco d’Ancona zuzuschreiben: Erstens würde die
Vielzahl und Verschiedenheit der Inschriften gut zu seiner Art der Überlieferung
passen, zweitens enthielten seine commentarii nachweislich Inschriften aus Dalmatien
und Istrien. Es scheint also keinesfalls abwegig, dass er auch Inschriften aus Triest
kopiert hat, sondern es wäre fast erstaunlich, wenn er es nicht getan hätte (er hielt
sich ja auch öfter im benachbarten Venedig auf).177 Da sich Theodor Mommsen für
die Identifizierung seiner Person letztlich aber doch nur auf Vermutungen stützen
konnte, bezeichnete er den Verfasser der Triestiner Sammlung als „Tergestinus
Antiquus“, um keine Verwirrung zu stiften, welche Inschriften Ciriaco zweifelsfrei
zuzuordnen sind und welche nicht.178
Fest steht hingegen, dass der sogenannte Tergestinus Antiquus nicht alle von ihm
überlieferten Inschriften mit eigenen Augen gesehen hat. Bereits im 15. Jahrhundert
hat so mancher Benutzer seiner Zusammenstellung Verbesserungen anhand der
Originale vorgenommen. Der Sammler hat sich demnach zum Teil auf Zuschriften
von Zeitgenossen oder auf bereits vorhandene Abschriften verlassen. Dennoch zeugt
173 Guarducci, Ciriaco e l’epigraphia 169–172.
174 Z. B. Kajanto, Poggio and Epigraphy 40.
175 Auch in zwei Codices von Konrad Peutinger werden diese Inschriften überliefert, und zwar unter
den „Inscriptiones priscae in urbe Tergestina“ (SuStBA 2° Cod. H 23, fol. 109v,1–2 und 110v,3 bzw. CS
hist. 2° 243, fol. 48rb,2–3 und 49va,5). Siehe dazu Kap. 8.1.
176 Im CIL V, S. 53b–54b, werden nicht weniger als 17 auctores genannt, die offenbar alle auf die frag-
liche Sammlung zurückgegriffen haben.
177 Vgl. CIL V, S. 54b.
178 Da der größte Teil der vom „Tergestinus Antiquus“ überlieferten Inschriften aus dem Raum Triest
stammt, muss der Frage, ob Ciriaco d’Ancona und der Tergestinus Antiquus tatsächlich ein und
dieselbe Person gewesen sein können, im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht weiter nachge-
gangen werden. Marjeta Šašel Kos, Augustinus Tyfernus 1313b mit Anm. 20, verweist in diesem Zu-
sammenhang auf die befürwortende Meinung von Attilio Degrassi, Inscriptiones Italiae X Regio X 3:
Histria septemtrionalis, Roma 1936, XI.
Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Title
- Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
- Subtitle
- Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Author
- Doris Marth
- Publisher
- Holzhausen Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-902976-43-7
- Size
- 21.4 x 30.2 cm
- Pages
- 572
- Keywords
- Antiquus Austriacus, Austria, Epigraphy, Humanism, Inscriptions, Manuscript Tradition, Roman Period, Antiquus Austriacus, Epigraphik, Humanismus, Inschriften, Österreich, Römerzeit, Überlieferung
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- 1 Zur historischen Entwicklung der Überlieferung lateinischer, insbesondere norischer Inschriften von den Anfängen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts 19
- 1.1 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung lateinischer Inschriften 19
- 1.2 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung norischer Inschriften 23
- 1.3 Berchtold von Kremsmünster und die älteste Abschrift einer norischen Inschrift 26
- 1.4 Die Inschrift CIL III 5630 im Codex membraneus LIV des Stiftes Lambach 36
- 2 Neue Impulse aus Italien: Humanismus und Renaissance als „Geburtsphase“ der lateinischen Epigraphik 40
- 3 Die Ausbreitung und Etablierung humanistischen Gedankengutes im Ostalpenraum aus epigraphischer Sicht 56
- 4 Augustinus Prygl Tyfernus und die norischen Inschriften 99
- 5 Der sogenannte Antiquus Austriacus: Mommsens Pseudonym für den Verfasser der ältesten Sammlung norischer Inschriften 139
- 6 Die Wiener Handschrift CVP 3255* 147
- 7 Der Codex Pragensis XIII G 14 der Národní Knihovna, Prag 162
- 7.1 Das Verhältnis zwischen CP XIII G 14 und CVP 3255*: Eine Inschriftensammlung und ihr Register 170
- 7.2 Folgen aus dem Zusammenhang CVP 3255* – CP XIII G 14 174
- 7.3 Johannes Fuchsmagen und der CP XIII G 14 182
- 7.4 Zur Frage nach den Quellen für den CP XIII G 14 198
- 7.5 Codex Pragensis XIII G 14: Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse und Gesamtbetrachtung 221
- 8 Konrad Peutinger und die norischen Inschriften 228
- 8.1 Peutingers handschriftliche Inschriftensammlungen 230
- 8.2 Johannes Fuchsmagen als Peutingers Gewährsmann 244
- 8.3 Die „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ und die Inschriften von Augustinus Prygl Tyfernus in Peutingers 2° Cod. H 24 246
- 8.4 Zusammenfassung: Der Wert von Peutingers Handschriften für die Überlieferung norischer Inschriften 264
- 9 Johannes Choler und seine Inschriftensammlung 265
- 10 Die „Inscriptiones Sacrosanctae Vetustatis“ von Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius 295
- 10.1 Zur Intention und Gliederung des Werkes sowie zur Nennung seiner Quellen 300
- 10.2 Johannes Choler und die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 301
- 10.3 Die Inschriftensammlungen von Konrad Peutinger und Augustinus Prygl Tyfernus – Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis? 302
- 10.4 Johannes Aventinus als Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 304
- 10.5 Der Codex Pragensis XIII G 14 und sein Verhältnis zu den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 305
- 10.5.1 Das Verzeichnis epigraphischer Abkürzungen im CP XIII G 14 und bei Apianus/Amantius 307
- 10.5.2 Der CP XIII G 14 als Quelle für norische (und oberpannonische) Inschriften bei Apianus/Amantius 311
- 10.5.3 Konsequenzen aus dem unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem CP XIII G 14 und den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 330
- 10.6 Parallel verwendete Quellen und mehrfach überlieferte Inschriften bei Apianus/Amantius 337
- 10.7 Zusammenfassende Betrachtungen zur Arbeitsweise von Apianus/ Amantius und Gesamtbewertung der Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 345
- 11 Johannes Fuchsmagen und seine epigraphische Sammeltätigkeit 347
- 12 Anhang: Tabellen zur Überlieferung norischer und oberpannonischer Inschriften 376
- Einleitende Bemerkungen und Hinweise zur Benützung 376
- Tab. 12.1: Inschriften bei Paolo Santonino, Cod. Vat. Lat. 3795 379
- Tab. 12.2: Inschriften, die von Augustinus Tyfernus und vom sogenannten Antiquus Austriacus überliefert werden 380
- Tab. 12.3: Im CVP 3255* und CP XIII G 14 enthaltene Inschriften 386
- Tab. 12.4: Inschriften in den Codices von Augustinus Tyfernus im Vergleich mit dem CP XIII G 14 395
- Tab. 12.5: Inschriften-Erstbelege bei „Antiquus Austriacus“, Augustinus Tyfernus und im CP XIII G 14 415
- Tab. 12.6: Inschriften im 4° Cod. H 26 der SuStBA („Picturae“) im Vergleich mit dem CP XIII G 14 425
- Tab. 12.7: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 23 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 427
- Tab. 12.8: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 24 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 428
- Tab. 12.9: Inschriften in Cholers CLM 394 im Vergleich mit Peutingers 2° Cod. H 24 und CP XIII G 14 437
- Tab. 12.10: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit Augustinus Tyfernus und Peutingers 2° Cod. H 24 443
- Tab. 12.11: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit dem CP XIII G 14 475
- Tab. 12.12: „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ bei Peutinger, Choler, CP XIII G 14/Fuchsmagen und Apianus/Amantius 490
- Abkürzungs- und Siglenverzeichnis 503
- Quellen- und Literaturverzeichnis 508
- Abbildungsnachweis 539
- Indices 542
- Inschriftenindex 542
- Orts- und Personenindex 548