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Humanistisches Gedankengut im Ostalpenraum | 57
fessor der Wiener Universität der Geschichtsschreibung zuwandte und dabei auch
verstärkt selbst Erlebtem oder Gehörtem Raum widmete.193 Er interessierte sich zu-
dem sehr für gegenständliche Quellen und erkannte bereits ihren Wert. Dadurch
verdanken wir ihm unter anderem die ältesten Berichte über archäologische Funde
(Fibeln und Denare) aus Niederösterreich. Auch bauliche Überreste und Inschriften
werden von ihm beachtet und erwähnt.194 Die Auswahl und unkritische Übernahme
seiner schriftlichen Quellen zeigt jedoch, dass Ebendorfer eindeutig noch der aus-
gehenden Scholastik zuzurechnen ist. So übernahm er in seinem Catalogus presulum
Laureacensium aus einer nicht bestimmbaren Fassung der Kremsmünsterer Ge-
schichtsquellen die oben ausführlich besprochene Inschrift aus Lorch (CIL III 5671),
ohne über deren eigentlichen Sinn nachzudenken und sie als Grabinschrift für einen
römischen Legionsveteranen zu identifizieren. Er hielt sich vielmehr durchwegs an
den Text des Mönches Berchtold, änderte lediglich dessen Wortwahl leicht ab. Damit
ging auch er auf die Verständnisschwierigkeiten bei der Inschrift ein, ehe er sie in der
ihm vorliegenden Form abschrieb. Der epigraphische Wert von Ebendorfers Text ist
demnach sehr gering: „Secumnius secundinus vet leg talph emula seuerio cona eius sibi te
sectio secundino filie mariis maximo te secundo nepotibus suis uiui fecerunt te, et in
anno XXV“.195
Eine völlig andere Denkweise als Ebendorfer kennzeichnete Enea Silvio Piccolomini
(1405–1464), der als Pius II. 1458 den päpstlichen Thron bestieg.196 Mit seinem Zeit-
genossen Ebendorfer hatte er außer dem Todesjahr nur sehr wenig gemein197: Der
Spross einer verarmten Adelsfamilie aus Corsignano bei Siena (h. Pienza – benannt
nach seinem Papstnamen) lernte schon sehr früh im Rahmen unregelmäßiger Stu-
dien die neue Geistesströmung in seiner Heimat kennen. 1443 nahm er ein Angebot
von Friedrich III. an und wurde Sekretär der Reichskanzlei. Während des folgenden
Jahrzehnts – Piccolomini blieb bis 1454 in Wien198 – gelang es ihm, vor allem durch
193 Niegl, Erforschung der Römerzeit 24, mit Bezug auf Alphons Lhotsky, Studien zur Ausgabe der Öster-
reichischen Chronik des Thomas Ebendorfer. IV: Ebendorfers Arbeitsweise, in: MIÖG 57 (1949) 193–
230, bes. 222–223.
194 Siehe Uiblein, Altertumsforschung 48–50, Lhotsky, Ebendorfer 130, und Niegl, Erforschung der Römer-
zeit 23–24.
195 Zitiert nach Harald Zimmermann (Hrsg.), Thomas Ebendorfer, Catalogus praesulum Laureacensium et
Pataviensium, nach Vorarbeiten von Paul Uiblein (MGH SS rer. Germ. N. S. 22), Hannover 2008,
hier: 38.
196 Die Literatur über diese große Figur des Humanismus war seit jeher reich. Seit der 600. Wieder-
kehr seines Geburtstages im Jahr 2005 ist sie nahezu unüberschaubar geworden, da zahlreiche
Tagungsbände, Texteditionen und Monographien erschienen sind. Von den alten, aber immer
noch brauchbaren Standardwerken soll hervorgehoben werden Georg Voigt, Enea Silvio de’ Picco-
lomini als Papst Pius der Zweite und sein Zeitalter, 3 Bde. (Berlin 1856–1863, Ndr. Berlin 1967). Aus
jüngster Zeit stammen die profunden Arbeiten von Martin Wagendorfer, der auch seine Habilita-
tionsschrift Piccolomini widmete: Die Schrift des Eneas Silvius Piccolomini (Studi e Testi 441), Città
del Vaticano 2008.
197 Eine kritische Würdigung samt Gegenüberstellung der beiden konträren Gelehrten bietet Karl
Grossmann, Die Frühzeit des Humanismus in Wien bis zu Celtis Berufung 1497, in: JLkNÖ N. F. 22
(1929) 150–325, hier: 169–173 (Ebendorfer) und 186–220 (Piccolomini).
198 Dazu ausführlich Alphons Lhotsky, Aeneas Silvius und Österreich, in: Ders., Aufsätze und Vorträge
III 26–71. Siehe auch Martin Wagendorfer, Eneas Silvius Piccolomini und die Wiener Universität – Ein
Beitrag zum Frühhumanismus in Österreich, in: Franz Fuchs (Hrsg.), Enea Silvio Piccolomini nördlich
Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Title
- Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
- Subtitle
- Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Author
- Doris Marth
- Publisher
- Holzhausen Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-902976-43-7
- Size
- 21.4 x 30.2 cm
- Pages
- 572
- Keywords
- Antiquus Austriacus, Austria, Epigraphy, Humanism, Inscriptions, Manuscript Tradition, Roman Period, Antiquus Austriacus, Epigraphik, Humanismus, Inschriften, Österreich, Römerzeit, Überlieferung
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- 1 Zur historischen Entwicklung der Überlieferung lateinischer, insbesondere norischer Inschriften von den Anfängen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts 19
- 1.1 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung lateinischer Inschriften 19
- 1.2 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung norischer Inschriften 23
- 1.3 Berchtold von Kremsmünster und die älteste Abschrift einer norischen Inschrift 26
- 1.4 Die Inschrift CIL III 5630 im Codex membraneus LIV des Stiftes Lambach 36
- 2 Neue Impulse aus Italien: Humanismus und Renaissance als „Geburtsphase“ der lateinischen Epigraphik 40
- 3 Die Ausbreitung und Etablierung humanistischen Gedankengutes im Ostalpenraum aus epigraphischer Sicht 56
- 4 Augustinus Prygl Tyfernus und die norischen Inschriften 99
- 5 Der sogenannte Antiquus Austriacus: Mommsens Pseudonym für den Verfasser der ältesten Sammlung norischer Inschriften 139
- 6 Die Wiener Handschrift CVP 3255* 147
- 7 Der Codex Pragensis XIII G 14 der Národní Knihovna, Prag 162
- 7.1 Das Verhältnis zwischen CP XIII G 14 und CVP 3255*: Eine Inschriftensammlung und ihr Register 170
- 7.2 Folgen aus dem Zusammenhang CVP 3255* – CP XIII G 14 174
- 7.3 Johannes Fuchsmagen und der CP XIII G 14 182
- 7.4 Zur Frage nach den Quellen für den CP XIII G 14 198
- 7.5 Codex Pragensis XIII G 14: Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse und Gesamtbetrachtung 221
- 8 Konrad Peutinger und die norischen Inschriften 228
- 8.1 Peutingers handschriftliche Inschriftensammlungen 230
- 8.2 Johannes Fuchsmagen als Peutingers Gewährsmann 244
- 8.3 Die „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ und die Inschriften von Augustinus Prygl Tyfernus in Peutingers 2° Cod. H 24 246
- 8.4 Zusammenfassung: Der Wert von Peutingers Handschriften für die Überlieferung norischer Inschriften 264
- 9 Johannes Choler und seine Inschriftensammlung 265
- 10 Die „Inscriptiones Sacrosanctae Vetustatis“ von Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius 295
- 10.1 Zur Intention und Gliederung des Werkes sowie zur Nennung seiner Quellen 300
- 10.2 Johannes Choler und die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 301
- 10.3 Die Inschriftensammlungen von Konrad Peutinger und Augustinus Prygl Tyfernus – Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis? 302
- 10.4 Johannes Aventinus als Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 304
- 10.5 Der Codex Pragensis XIII G 14 und sein Verhältnis zu den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 305
- 10.5.1 Das Verzeichnis epigraphischer Abkürzungen im CP XIII G 14 und bei Apianus/Amantius 307
- 10.5.2 Der CP XIII G 14 als Quelle für norische (und oberpannonische) Inschriften bei Apianus/Amantius 311
- 10.5.3 Konsequenzen aus dem unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem CP XIII G 14 und den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 330
- 10.6 Parallel verwendete Quellen und mehrfach überlieferte Inschriften bei Apianus/Amantius 337
- 10.7 Zusammenfassende Betrachtungen zur Arbeitsweise von Apianus/ Amantius und Gesamtbewertung der Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 345
- 11 Johannes Fuchsmagen und seine epigraphische Sammeltätigkeit 347
- 12 Anhang: Tabellen zur Überlieferung norischer und oberpannonischer Inschriften 376
- Einleitende Bemerkungen und Hinweise zur Benützung 376
- Tab. 12.1: Inschriften bei Paolo Santonino, Cod. Vat. Lat. 3795 379
- Tab. 12.2: Inschriften, die von Augustinus Tyfernus und vom sogenannten Antiquus Austriacus überliefert werden 380
- Tab. 12.3: Im CVP 3255* und CP XIII G 14 enthaltene Inschriften 386
- Tab. 12.4: Inschriften in den Codices von Augustinus Tyfernus im Vergleich mit dem CP XIII G 14 395
- Tab. 12.5: Inschriften-Erstbelege bei „Antiquus Austriacus“, Augustinus Tyfernus und im CP XIII G 14 415
- Tab. 12.6: Inschriften im 4° Cod. H 26 der SuStBA („Picturae“) im Vergleich mit dem CP XIII G 14 425
- Tab. 12.7: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 23 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 427
- Tab. 12.8: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 24 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 428
- Tab. 12.9: Inschriften in Cholers CLM 394 im Vergleich mit Peutingers 2° Cod. H 24 und CP XIII G 14 437
- Tab. 12.10: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit Augustinus Tyfernus und Peutingers 2° Cod. H 24 443
- Tab. 12.11: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit dem CP XIII G 14 475
- Tab. 12.12: „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ bei Peutinger, Choler, CP XIII G 14/Fuchsmagen und Apianus/Amantius 490
- Abkürzungs- und Siglenverzeichnis 503
- Quellen- und Literaturverzeichnis 508
- Abbildungsnachweis 539
- Indices 542
- Inschriftenindex 542
- Orts- und Personenindex 548