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1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat
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Entstehung von Hanslicks VMS-Traktat. Denkbare Vorstufen, die die histo-
rische Entwicklung der ersten Auflage klären würden, sind nicht er halten.28
Diese Lage hat dann auch dazu geführt, dass oft ein problematischer Umkehr-
schluss vorgenommen wurde und einfache textliche Analogien zwischen Hans-
licks VMS-Traktat und zahlreichen kanonischen Schriften des deutschspra-
chigen Ästhetikdiskurses benutzt wurden, um für Hanslicks Positionen einen
historischen Hintergrund aufzufinden. Hiermit konnten mannigfache mutmaß-
liche, aber auch mehrere faktische Einflüsse u.a. von Goethe, Grimm, Hegel,
Herder, Humboldt, Kant, Lessing, Michaelis, Nägeli, Novalis, Schelling, Schil-
ler, Vischer, Weisse und den deutschen Romantikern eruiert werden, die erst
seit etwa 30Â Jahren und mit der schrittweise beginnenden Kontextualisierung
von Hanslicks VMS-Traktat um ‚regionale‘ Vorbilder (Zimmermann, Her-
bart, Bolzano, Gutt etc.) ergänzt werden.29 Klaus Mehner resigniert angesichts
dieser zahllosen Textquellen und hält eine „Suche nach einem bestimmenden
philosophischen Fundament“ von VMS für ein schlussendlich „hoffnungsloses
Unterfangen“.30 Payzant bemerkte aufgrund der gelegentlich verwirrenden For-
schungslage, dass man die größtenteils miteinander unvereinbaren Einflüsse ver-
schiedener ästhetischer Schriftsteller zunächst genauer prüfen müsse und diese
zudem niemals absolut setzen dürfe, um exegetischen Fehldeutungen auszuwei-
chen: „If we wish to trace the philosophical influences upon Hanslick, we must
from this point proceed with caution. […] Hanslick’s position is tricky […] so far
as the history of ideas is concerned.“ Payzant fährt fort:
Of course there are interesting comparisons to be made between specific passa-
ges in Hanslick and specific passages in the writings of Kant, but we have neith er
internal nor collateral evidence upon which to make a positive claim for an
influence from the one to the other, except perhaps indirectly by way of C.F.
28 Die historische Entwicklung von VMS von der ersten bis zur letzten Auflage inklusive
allfälliger Vorstufen wird von Christoph Landerer, Meike Wilfing-Albrecht und mir im
FWF-Projekt „Hanslicks ‚Vom Musikalisch-Schönen‘: Dynamic Features of the Text and
Its Contexts“ (P30554-G30, 2018–2021) detailliert untersucht.
29 Der früheste Versuch, Hanslick als Teil des ‚österreichischen‘ Ästhetikdiskurses zu lesen,
findet sich wohl in Arbeiten von Alexandr Mikhailov, welche jedoch infolge sprachlicher
Hindernisse für die ‚westliche‘ Hanslick-Forschung lange nicht zugänglich waren: Elvira
Panaiotidi, „Eduard Hanslick’s On the Musically Beautiful: Towards Alexandr Mikhailov’s
Reverse Translation“, in IRASM 49 (2018), S.Â
53–94. Als umfassendste Darstellungen der
historischen Hanslick-Forschung vgl.: Strauß, VMS TeilÂ
2 (wie Anm.Â
22), S.Â
20–65; James
Deaville, „Negotiating the ‚Absolute‘: Hanslick’s Path Through Musical History“, in
Grimes/Donovan/Marx, Rethinking Hanslick (wie Anm. 4), S. 15–37; Landerer/Wilfing,
„Dynamic View“ (wie Anm. 27).
30 Eduard Hanslick, Vom Musikalisch-Schönen. Aufsätze, Musikkritiken, hrsg. von Klaus
Mehner, Leipzig 1982, S. 12. Trotz allem wird von ihm Hanslicks Kenntnis von Kant,
Hegel, Goethe, Schiller, Schelling etc. rundweg postuliert: ebda., S. 13.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423