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1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung
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Kontextualisierung, welche neben wichtigen zeitlichen auch regionale Um-
stände bei der Erschließung von Hanslicks Vorläufern systematisch einbezie-
hen muss, hätte somit deutlich gemacht, dass Kants Lehre zur Zeit von Hans-
licks Ausbildung enorm prekär war. Hanslicks Studium, in dem er das philo-
sophische Propädeutikum von 1840/41 bis 1842/43 belegte, danach das musika-
lische Fachstudium bei Václav Tomášek abschloss, daraufhin von 1843/44 bis
1845/46 Jura hörte und mit dem Jahr 1849 schließlich dissertierte, fiel dazu noch
in das vormärzliche Studiensystem, bei dem die skizzierte Regelung noch im-
mer galt.49 Ein privates Studium von Kants Kritik kann hier natürlich vermutet
werden, doch muss man dieses wegen der damals gültigen Zustände gesondert
beweisen, was bis dato aber nicht erfolgte.50
Auch Carl Dahlhaus, der mit seiner relativ problematischen Geistesgeschichte
Die Idee der absoluten Musik zeigen wollte, wie die ästhetische Fachliteratur des
19. Jahrhunderts durch genau dieses Paradigma definiert war,51 bemerkte bezüg-
lich Hanslicks VMS-Traktat, dass dieser durch Hegels Werke geprägt worden sei:
Hanslick, der „leicht verständliche Schriftsteller“, müsse daher auf den „schwer
verständlichen Philosophen“ zurückgeführt werden, um jene hier verhandelte
Problematik abzuklären.52 Diese damals ohnehin verbreitete Vermutung – die
vor allem durch Hanslicks Gebrauch von Begriffen wie ‚Geist‘ und ‚Idee‘ exe-
getisch begründet wurde53 – ist von Dahlhaus mit den angeblichen historischen
tation Universität Wien 1950, S.Â
235. Diese Pause wurde schon bei Topitsch, „Österreich“
(wie Anm. 45), S. 250 betont.
49 Zu Hanslicks Ausbildung vergleiche allgemein: Grimm, Prager Zeit (wie Anm. 16),
S. 23f.; Jitka Ludvová, „Zur Biographie Eduard Hanslicks“, übers. von Anna Urbanová,
in StMw 37 (1986), S. 37–46, hier S. 40f.
50 Alexander Wilfing, „Hanslick, Kant, and the Origins of Vom Musikalisch-Schönen“, in
MusAu (2018), Kap. 2.
51 Zur Kritik an Dahlhaus’ Konzeption vergleiche prinzipiell: Ulrich Tadday, Das schöne
Unendliche. Ästhetik, Kritik, Geschichte der romantischen Musikanschauung, Stuttgart/Weimar
1999, S.Â
118–134; Alexandra Kertz-Welzel, Die Transzendenz der Gefühle. Beziehungen zwi-
schen Musik und Gefühl bei Wackenroder/Tieck und die Musikästhetik der Romantik, St. Ingbert
2001, S. 241–253; Sanna Pederson, „Defining the Term ‚Absolute Music‘ Historically“, in
ML 90/2 (2009), S. 240–262. Siehe dazu auch: Tadday, „Analyse eines Werturteils. ‚Die
Idee der absoluten Musik‘ von Carl Dahlhaus“, in MÄ 47 (2008), S.Â
104–117; ders., „Musik
im Vakuum“ (wie Anm. 38).
52 Carl Dahlhaus, Die Idee der absoluten Musik, München/Kassel 1978, S. 110f.
53 Siehe dazu eine Auswahl an relevanten Verweisen: Glatt, Eduard Hanslick (wie Anm. 34),
S. 75–79; Grimm, Zwischen Klassik (wie Anm. 19), S. 39–51; Lothar Schmidt, „Arabeske.
Zu einigen Voraussetzungen und Konsequenzen von Eduard Hanslicks musikalischem
Form begriff“, in AfMw 46/2 (1989), S. 91–120, hier S. 91–93. Vgl. die beiden Einträge zu
Hegel und Kant in: Musik in der deutschen Philosophie. Eine Einführung, hrsg. von Stefan
Lorenz Sorgner und Oliver Fürbeth, Stuttgart/Weimar 2003, S. 21–38, hier S. 35f. und
S. 55–75, hier S. 59.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423