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1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung
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hat, die idealistische Interpretation von Hanslicks VMS-Traktat als regelrechte
„Dahlhaus-Schule“ einzustufen.60 Dahlhaus’ Deutung, die sorgsam zwischen
Hegel’scher Philosophie und dem vielgestaltigen Hegelianismus des 19. Jahr-
hunderts als wesentlicher Inspiration Hanslicks unterscheidet,61 wird hier jedoch
oftmals absolut gesetzt, sodass Hanslicks Argument als „Hegelian aesthetic the-
sis“ gefasst worden ist,62 was etwa auch auffallende Resultate bei Max Paddison
generiert. Der schon vorher erwähnte Gebrauch des Worts ‚Geist‘ als wesentli-
che Komponente von ‚Schönheit‘ in Hanslicks VMS-Traktat, welcher „central
to Hegel’s dialectical philosophy“ gewesen ist, wird hier sofort derart gedeutet,
dass er auch Hanslicks Argument eine idealistische Ausrichtung unterschiebt.63
Da die von Paddison gezogene Parallele zur Hegel’schen Philosophie nicht ein-
gehend differenziert wird, baut sich eine Kongruenz zwischen nominell analo-
gen, aber inhaltlich disparaten Gebräuchen des Worts ‚Geist‘ auf, die Dahlhaus
dergestalt präzisiert: „Die Dialektik von Idee und Erscheinung wird gewisser-
maßen in die Musik selbst, die ‚tönend bewegte Form‘ [sic], hineingetragen. Um
die Erscheinung mit der Würde auszustatten, die von der Inhaltsästhetik dem
außermusikalischen Wesen zugesprochen worden war, denkt Hanslick mit hege-
lianischen Mitteln gegen Hegel.“64
Music, übers. von Roger Lustig, Chicago/London 1989, S. 110; ders., Esthetics of Music,
übers. von William W. Austin, Cambridge 1981, S. 52. Zu Dahlhaus’ Bedeutung für die
‚englische‘ Forschung siehe etwa auch: Lydia Goehr, „Writing Music History“, in HT
31/2 (1992), S. 182–199; Rainer Cadenbach, Andreas Jaschinski und Heinz von Loesch,
„Musikwissenschaft“, in MGG², Kassel u.a. 1997, Sachteil Bd. 6, Sp. 1789–1834, hier
Sp. 1822; Vincent Duckles u.a., „Musicology“, in New Grove², London 2001, Bd. 17,
S. 488–533, hier S. 523.
60 Christoph Landerer, „Wagner, Hanslick, Nietzsche und das ‚Judentum in der Musik‘“, in
ÖMZ 59/6 (2004), S. 5–14, hier S. 13. Dahlhaus’ Relevanz für die englischsprachige
Musikwissenschaft wird etwa dadurch bezeugt, dass er in Source Readings in Music History
7: The Twentieth Century, hrsg. von Robert P. Morgan, New York/London ²1998, neben
zahlreichen Komponisten, Interpreten und Politikern ein eigenes Kapitel erhalten hat.
61 Zum ästhetischen Hegelianismus des 19.Â
Jahrhunderts siehe vor allem: Bernd Sponheuer,
Musik als Kunst und Nicht-Kunst. Untersuchungen zur Dichotomie von ‚hoher‘ und ‚niederer‘
Musik im musikästhetischen Denken zwischen Kant und Hanslick, Kassel u.a. 1987; Barbara
Titus, Conceptualizing Music: Friedrich Theodor Vischer and Hegelian Currents in German
Music Criticism, 1848–1887, Dissertation University of Oxford 2005.
62 Michael Haas, Forbidden Music: The Jewish Composers Banned by the Nazis, New Haven/
London 2013, S. 49.
63 Max Paddison, „Music as Ideal: The Aesthetics of Autonomy“, in The Cambridge History of
Nineteenth-Century Music, hrsg. von Jim Samson, Cambridge 2002, S.Â
318–342, hier S.Â
335.
64 Dahlhaus/Zimmermann, Musik – Sprache (wie Anm. 54), S. 305. Für eine ähnliche Deu-
tung der Verbindung von Hanslicks VMS-Traktat und Hegels System siehe etwa auch:
Sponheuer, Kunst und Nicht-Kunst (wie Anm.Â
61), S.Â
88; Mark Burford, „Hanslick’s Ideal-
ist Materialism“, in 19thCM 30/2 (2006), S. 166–181, hier S. 170; Katherine Hirt, When
Machines Play Chopin: Musical Spirit and Automation in Nineteenth-Century German Litera-
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423