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1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung
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Argument als musikalischer Anwendungsfall von Herbarts Theorien gelten
sollte. Diese These findet sich noch bei Thöne101 und Stieglitz: „Die Lehren
Herbarts übertrug Ed. Hanslick auf die Musik in seinem Buche ‚Vom Musika-
lisch-Schönen‘.“102 Analoge Schlüsse zog Paul Moos, der die ästhetischen Apho-
rismen in Herbarts Schriften – eine richtige Ästhetik hatte dieser niemals ver-
fasst103 – als ursprüngliche Grundlegung aller formalistischen Überzeugungen
der musikalischen Spezialästhetik charakterisierte.104 Diesen Befund teilten
sodann Charles Lalo105 und Guido Adler, der Hanslicks VMS-Traktat der „Her-
bartschen“ Orientierung zurechnete.106
Erst Felix Printz hat in seiner Münchner Dissertation (1918) auf die „gründ-
liche Revision“ dieser verbreiteten Auslegung gedrungen, die Hanslick „in
einem direkten Abhängigkeits-, ja Schülerverhältnis zu Joh. Friedr. Herbart
und seinem ästhetischen Formalismus“ sah, setzte dann aber sofort Hans Georg
Nägelis Vorlesungen über Musik (1826) an die nun vakante Position.107 Ohne dass
dies hier erschöpfend ausgeführt werden soll, sei als besonders auffallend ange-
merkt, dass vorwiegend bekennende Herbartianer den unmittelbaren Zusam-
menhang von Hanslick und Herbart argwöhnisch betrachteten.108 Moritz
Lazarus, ein direkter Herbart-Schüler, der Hanslicks VMS-Traktat großteils
101 Johannes Thöne, Ästhetik der Musik. Entwurf einer modernen Harmonie- und Kompositions-
lehre, Bad Nenndorf 1927, S. 56.
102 Olga Stieglitz, Einführung in die Musikästhetik, Stuttgart/Berlin 1912, S. 67.
103 Lambert Wiesing, „Formale Ästhetik nach Herbart und Zimmermann“, in Hoeschen/
Schneider, Herbarts Kultursystem (wie Anm. 91), S. 283–296, hier S. 283. Vgl.: Wolfhart
Henckmann, „Über die Grundzüge von Herbarts Ästhetik“, in ebda., S. 231–258.
104 Paul Moos, Die Philosophie der Musik von Kant bis Eduard von Hartmann. Ein Jahrhundert
deutscher Geistesarbeit, Stuttgart/Berlin/Leipzig 1922, S. 210.
105 Charles Lalo, Esquisse d’une esthétique musicale scientifique, Paris 1908, S. 217.
106 Guido Adler, Eduard Hanslick. Rede gehalten bei der Enthüllung der Büste in der Universität,
Wien 1913, S. 4. Vgl.: ders., „Nekrolog Eduard Hanslick“, in Biographisches Jahrbuch und
deutscher Nekrolog 9 (1906), S. 342–347, hier S. 344.
107 Felix Printz, Zur Würdigung des musikästhetischen Formalismus Eduard Hanslicks, Disserta-
tion Universität München 1918, S.Â
1. Zum Verhältnis von Hanslick und Nägeli siehe etwa
auch: Dahlhaus, „Musikalische Formbegriff“ (wie Anm.Â
55), S.Â
152f.; Breitkreutz, Eduard
Hanslick (wie Anm. 39), S. 256–260; Glatt, Eduard Hanslick (wie Anm. 34), S. 46 und 53;
Gudrun Henneberg, Idee und Begriff des musikalischen Kunstwerks im Spiegel des deutschspra-
chigen Schrifttums der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Tutzing 1983, S. 54f.; Schmidt,
„Hanslicks Formbegriff“ (wie Anm. 53), S. 96f.; Thomas S. Grey, Wagner’s Musical Prose:
Texts and Contexts, Cambridge 1995, S. 30f.; Rafael Köhler, Natur und Geist. Energetische
Form in der Musiktheorie, Stuttgart 1996, S. 62–65; Gärtner, Hanslick versus Liszt (wie
Anm. 39), S. 113f.; Rothfarb, „Musical Formalism“ (wie Anm. 58), S. 179f.; Bonds, Abso-
lute Music (wie Anm. 31), S. 164f.; Panaiotidi, „Alexandr Mikhailov“ (wie Anm. 29),
S. 72f. Vgl.: Alexander Wilfing, „Hanslick’s Kantianism? Johann Heinrich Dambeck,
Christian Friedrich Michaelis, and Hans Georg Nägeli“ (i.Dr.).
108 Printz, Würdigung Hanslicks (wie Anm. 107), S. 5f.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423