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1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung
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ein Wort Tschechisch“ konnte,182 wandte sich Blume zudem direkt gegen Carl
Pohls Essay zu Hanslicks Biographie in den diversen Auflagen von George
Groves Dictionary of Music and Musicians, das bis zur fünften Auflage aus dem
Jahr 1954 eine betreffende Kenntnis Hanslicks veranschlagt hat.183 Haas wies
aber bereits früher auf Hanslicks Versuche als Komponist hin, die einige Lie-
der – z.B. Milostná pÃseň pod VyÅ¡ehradem (Text: Václav Hanka) – einschlossen.184
Durch Ludvovás Forschung ist dann auch eine zweite tschechische Komposi-
tion – Český houslista (anonym) – bekannt geworden.185 Ob Hanslick Tsche-
chisch tatsächlich beherrschte, ist weiterhin ungeklärt, aber diese beiden Lieder
bezeugen dennoch, dass eine intimere Beziehung zum originären kulturellen
Hintergrund bestanden hat, als das von ihm nachmals geschildert wurde.186
Dass diese national gefärbten Musikstücke in Hanslicks Biographie nirgends
erwähnt werden, lässt sich mit den politischen Spannungen zwischen ‚Tsche-
chien‘ und ‚Österreich‘ erklären, die letztlich bewirkten, dass eine mögliche
Sympathie Hanslicks für seine frühe tschechische Verwurzelung problema-
tisch war.
Brodbecks Forschung hat neuerlich dargelegt, dass eine vermeintlich aus-
schließlich biographische Gegebenheit die praktische Tätigkeit Hanslicks enorm
prägen konnte. Wie bei seiner vorher erläuterten Bewertung Goldmarks wollte
Hanslick bei Dvořák und Smetana, die von ihm primär positiv gesehen und
finanziell gefördert wurden,187 eine soziokulturelle ‚Germanisierung‘ bewerk-
stelligen.188 Seine Motive waren dabei jener vorstehend erörterten, aber bereits
relativ veralteten Ideologie des Wiener Liberalismus weiterhin verpflichtet, die
182 Blume, „Hanslick, Eduard“ (wie Anm. 168), Sp. 1486.
183 Carl Pohl, „Hanslick, Eduard“, in A Dictionary of Music and Musicians by Eminent Writers,
English and Foreign, hrsg. von George Grove, London 1879–1889, Bd.Â
1, S.Â
661–662. In der
fünften Auflage lässt sich Pohls Artikel unverändert wiederfinden: Grove’s Dictionary of
Music and Musicians, hrsg. von Eric Blom, London 1954, Bd. 4, S. 66–67.
184 Robert Haas, „Eduard Hanslick“, in Sudetendeutsche Lebensbilder, hrsg. von Erich Gierach,
Reichenberg 1926, S. 205–209, hier S. 206.
185 Ludvová, „Biographie Hanslicks“ (wie Anm. 49), S. 43.
186 Jiři Vysloužil, „Hanslick, Eduard“, in Lexikon zur deutschen Musikkultur. Böhmen, Mähren,
Sudetendeutschland, hrsg. vom Sudetendeutschen Musikinstitut, München 2000, Bd. 1,
Sp. 896–901, hier Sp. 896–899; Brodbeck, „Hanslick’s Smetana“ (wie Anm. 9), S. 16–21;
Ludvová, „Prager Realien“ (wie Anm. 93), S. 169–177; Brodbeck, Defining ‚Deutschtum‘
(wie Anm. 160), S. 25–42.
187 John Clapham, „Dvořák’s Relations with Brahms and Hanslick“, in MQ 57/2 (1971),
S. 241–254; David Larkin, „Battle Rejoined: Hanslick and the Symphonic Poem in the
1890s“, in Grimes/Donovan/Marx, Rethinking Hanslick (wie Anm. 4), S. 289–310. Clap-
ham reflektiert ebenfalls auf die relevanten National-Konflikte.
188 Brodbeck, Defining ‚Deutschtum‘ (wie Anm. 160), S. 150–156, 170–173, 193–198, 251–263
und 282–289.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423