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2.1. Legendenbildung: die historische Wendung Hanslicks
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antineudeutsch gestaltetâ,332 problemlos konserviert und Hanslicks Ablehnung
von Liszts Werken als biographisch begrĂŒndet hingestellt werden. (FĂŒr eine
analoge Methodik bei Wagner vgl. Kap. 3.2). Dieser Modus verweist jedoch
zugleich auf eine charakteristische Verfahrensweise der Hanslick-Exegese, die
die Hanslickâschen Rezensionen hĂ€ufig gegen seinen Traktat ausspielt und die
nun genauer erörtert wird.
Dieses KalkĂŒl dĂŒrfte Rudolf SchĂ€fkes Eduard Hanslick und die MusikĂ€sthe-
tik eingelÀutet haben, welcher Hanslicks AufsÀtze als vollwertige Àsthetische
AusfĂŒhrungen kategorisiert und die inhaltlichen Differenzen zu Hanslicks
VMS-Traktat wiederholt diskutiert hat. FĂŒr ihn, der mit der verbreiteten
EinschÀtzung Hanslicks als radikaler Formalist brechen wollte, um ihn einer
âdritte[n] Richtung der spezifisch musikalischen Schönheitâ zuzuweisen, ist
ein praktischer Dreischritt schlagend geworden, mit dem Hanslick von einer
frĂŒhen romantischen Begeisterung (1) ĂŒber seine formale Ăsthetik (2) bei den
spĂ€teren Arbeiten âwieder zur AusdrucksĂ€sthetik hinĂŒbergeglittenâ sei (3).333
Um eine erneute Wendung Hanslicks darzutun, hat SchÀfke zuerst dessen
angeblich gewandeltes Geschichtsbild akzentuiert und den zentralen Ein-
schnitt mit einer relativ frĂŒhen HĂ€ndel-Kritik Hanslicks (1860) angesetzt, bei
der die idealistische Vorstellung von zeitloser Schönheit als âwenig mehr als
eine schöne Redensartâ figuriert.334 Da Hanslicks VMS-Traktat einen solch
zeitlosen Schönheitsbegriff vertreten habe, bedeute dies, dass Hanslick âschon
nach 6 Jahren seine Lehre vom Musikalisch-Schönenâ teilweise vergessen, seine
âLehre von der ObjektivitĂ€t des Schönenâ wieder negiert und âdie Relativi-
tĂ€t des Ăsthetischenâ letztendlich eingesehen habe.335 Dies werde durch Hans-
licks Memoiren angeblich ebenfalls untermauert, in denen dieser seine niemals
erfolgte Ausarbeitung einer umfassenden MusikÀsthetik dergestalt verteidigt:
Ich hatte ein paar Jahre lang so viele âĂsthetikenâ studiert, so viele Abhandlun-
gen ĂŒber das Wesen der Tonkunst, zuletzt ĂŒber meine eigene Schrift gelesen,
daĂ ich ĂŒbersĂ€ttigt war von diesem Philosophieren ĂŒber Musik, mĂŒde des Ar-
beitens mit abstrakten Begriffen. Ich fand dagegen eine Rettung und einen un-
erschöpflichen Genuà in der Geschichte der Musik. Dieses Studium brachte mir
die Ăberzeugung, daĂ eine wirkliche fruchtbare Ăsthetik der Tonkunst nur auf
Grundlage eindringender geschichtlicher Erkenntnis oder doch nur Hand in
Hand mit dieser möglich sei. Was ist schön in der Musik? Ja, das haben verschie-
dene Zeiten, verschiedene Völker, verschiedene Schulen ganz verschieden be-
332 GĂ€rtner, âDaguerrotypâ (wie Anm. 322), S. 297. Vgl.: ders., âRekonstruktionâ (wie
Anm. 296), S. 14.
333 SchÀfke, Eduard Hanslick (wie Anm. 21), S. 6.
334 Hanslick, Konzertsaal (wie Anm. 76), S. 202.
335 SchÀfke, Eduard Hanslick (wie Anm. 21), S. 58f.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, MusikĂ€sthetik, Musik und GefĂŒhl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die âidealistischeâ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die âösterreichischeâ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang â Hanslicks âtönend bewegte Form[en]â 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik â Ăsthetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ăbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone MusikÀsthetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang â Hanslickâsche Rezensionen in Dwightâs Journal of Music 176
- 4. Was ist Ă€sthetischer Formalismus? â Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- AbkĂŒrzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423