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2.1. Legendenbildung: die historische Wendung Hanslicks
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Bonds spricht im Hinblick auf die späteren Arbeiten Hanslicks zwar von einer
„enriched historical perspective“, sagt aber trotz der eingefügten Textpassage
aus der sechsten VMS-Auflage: „Hanslick thus confessed – though not in any
later edition of his treatise – that aesthetics could be approached in terms of
history after all and that beauty might be contingent rather than absolute.“352
Dass eine derartige Ergänzung mit der vorstehend angeführten Textstelle
nicht lediglich gegeben, sondern Hanslicks Perspektive auf historische Ent-
wicklungen sogar schon zuvor präsent war und damit nicht ‚gestanden‘ wer-
den musste, soll hier nicht nochmals erläutert werden. Payzant bemerkte des-
halb bereits richtig: „If the very material out of which musical compositions
are made is itself subject to change, then obviously it would be impossible for
products made of it not to be.“353 Hanslicks VMS-Traktat reflektiert letzt-
lich ebenfalls eine zukünftige Änderung des westlichen Tonsystems, die zwar
noch zeitlich entfernt schien, deren theoretische Konsequenzen von ihm aber
trotz allem erfasst wurden:354
So haben auch die ‚Tongelehrten‘ unsere Musik nicht ‚errichtet‘, sondern ledig-
lich das fixirt und begründet, was der allgemeine, musikalisch befähigte Geist
mit Vernünftigkeit, aber nicht mit Nothwendigkeit unbewußt ersonnen hatte. Aus
diesem Proceß ergibt sich, daß auch unser Tonsystem im Zeitverlauf neue Berei-
cherungen und Veränderungen erfahren wird. Doch sind innerhalb der gegen-
wärtigen Gesetze noch zu vielfache und große Evolutionen möglich, als daß
eine Aenderung im Wesen des Systems anders als wie sehr fernliegend erscheinen
dürfte. Bestände z.B. diese Bereicherung in der ‚Emancipation der Vierteltöne‘
of the Self“, in YES 40/1–2 (2010), S. 295–318, hier S. 308f.
352 Bonds, Absolute Music (wie Anm. 31), S. 238.
353 Payzant, Sixteen Lectures (wie Anm. 12), S. 127. Vgl. Greys Texte: Musical Prose (wie
Anm.Â
107), S.Â
10; „Hanslick, Eduard“ (wie Anm.Â
166), S.Â
830; „Hanslick“ (wie Anm.Â
155),
S. 367f. Für weitere rezente Beispiele aus dem englischen Sprachraum siehe etwa auch:
Patricia Herzog, „Music Criticism and Musical Meaning“, in JAC 53/3 (1995), S.Â
299–312,
hier S. 303; Edgar, „Adorno and Analysis“ (wie Anm. 155), S. 443; Cook, Schenker Project
(wie Anm.Â
33), S.Â
171; Hamilton, Aesthetics (wie Anm.Â
267), S.Â
82; Titus, „Quest for Form“
(wie Anm.Â
58), S.Â
80–84; Alexandra E. Hui, „The Bias of ‚Music-Infected Consciousness‘:
The Aesthetics of Listening in the Laboratory and on the City Streets of fin-de-siècle
Berlin and Vienna“, in JHBS 48/3 (2012), S. 236–250, hier S. 238f.; Landerer/Zangwill,
„Musical Essence“ (wie Anm. 228), S. 490–492.
354 Für Hanslicks Verhältnis zu historischen Entwicklungen vergleiche prinzipiell: Boisits,
„Ästhetik versus Historie“ (wie Anm.Â
250); Landerer, Hanslick und Bolzano (wie Anm.Â
27),
S. 63–65 und 99–103; ders., „Aesthetica longa, ars brevis. Vergänglichkeit des Schönen
und Zeitlosigkeit der Ästhetik bei Eduard Hanslick“, in MÄ 53 (2010), S. 10–19. Siehe
dazu auch die beiden Artikel von Landerer und Zangwill: „Deleted Ending“ (wie
Anm. 67), S. 93f.; „Musical Essence“ (wie Anm. 228), S. 490–492 sowie Alexander Wilf-
ing, „Historicism, Modernity, and the Musically Beautiful: Re-Reading Hanslick’s Aes-
thetics“ (i.Dr.).
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423