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2.2. Legendenbildung: die emotionale Wendung Hanslicks
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zeugung“ charakterisiert sei, „daß in ästhetischen Untersuchungen vorerst das
schöne Object, und nicht das empfindende Subject zu erforschen ist“ (VMS,
S. 22), was – wie Bonds zutreffend spezifiziert – als theoretische Unterschei-
dung von ‚effect‘ und ‚essence‘ gelesen werden könnte.410 Dieser Punkt lässt
sich auch im ersten Kapitel der ersten Auflage finden, welches vergleichbare
Überlegungen ins Feld führt:
Ueberdies ist der Zusammenhang eines Tonstücks mit der dadurch hervorgeru-
fenen Gefühlsbewegung kein nothwendig causaler. […] Der Zusammenhang mu-
sikalischer Werke mit gewissen Stimmungen besteht nicht immer, überall,
noth
wendig, als ein absolut Zwingendes. Selbst dort, wo wir den wirklich vor-
handenen Eindruck betrachten, entdecken wir in ihm oft statt des Nothwendi-
gen Conventionelles. […] Jede Zeit und Gesittung bringt ein verschiedenes
Hören, ein verschiedenes Fühlen mit sich. Die Musik bleibt dieselbe, allein es
wechselt ihre Wirkung mit dem wechselnden Standpunkt conventioneller Be-
fangenheit. […] So besitzt denn die Wirkung der Musik auf das Gefühl weder
die Nothwendigkeit, noch die Stetigkeit, noch endlich die Ausschließlichkeit, welche
eine Erscheinung aufweisen müßte, um ein ästhetisches Princip begründen zu
können (VMS, S. 35–37).411
Hier kann deutlich gesehen werden, dass Hanslicks VMS-Traktat die affek-
tive Wirkung der musikalischen Komposition keinesfalls abstreitet, aber ihre
Durchgängigkeit und Gleichförmigkeit bei einzelnen Personen oder auch gan-
zen Epochen leugnet, was ihn auch dazu führt, sie aus der objektiven Musik-
ästhetik methodisch auszuschließen. Diese oder auch inhaltlich identische
Aus sagen können jedoch nicht als Verneinung der Verbindung von Gefühl
und Musik gefasst werden (Kap. 5.2. und Kap. 5.3), wie die unmittelbar an-
schließende Textpassage demonstriert: „Die starken Gefühle selbst, welche
Musik aus ihrem Schlummer wachsingt […], wir möchten sie nicht um Alles
unterschätzen. […] Nur gegen die unwissenschaftliche Verwerthung dieser
410 Bonds, Absolute Music (wie Anm. 31), S. 189. Siehe dazu auch schon früher: Wayne
D.Â
Bowman, „The Values of Musical ‚Formalism‘“, in JAE 25/3 (1991), S.Â
41–59, hier S.Â
53;
John Fisher, Reflecting on Art, Mountain View/London 1993, S. 255.
411 Siehe hier auch folgende Passage (VMS, S.Â
34f.): „Die Erkenntniß eines Gegenstandes und
dessen unmittelbare Wirkung auf unsre Subjectivität sind himmelweit verschiedene
Dinge […]. Das Verhalten unsrer Gefühlszustände zu irgend einem Schönen ist vielmehr
Gegenstand der Psychologie als der Aesthetik. Sei die Wirkung der Musik so groß oder so
klein als sie wolle – von ihr darf man nicht ausgehen, wenn man das Wesen dieser Kunst
zu erforschen unternimmt. […] Unterdessen vermengt man unablässig Gefühlsaffection
und musikalische Schönheit, anstatt sie in wissenschaftlicher Methode getrennt darzu-
stellen. Man klebt an der unsichern Wirkung musikalischer Erscheinungen anstatt in das
Innere der Werke zu dringen und aus den Gesetzen ihres eigenen Organismus zu erklä-
ren, was ihr Inhalt ist, worin ihr Schönes besteht. […] Das sind Rückschlüsse vom
Unselbstständigen auf das Selbstständige, vom Bedingten auf das Bedingende.“
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423