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3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick-Diskurse
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Brahms und strikten Gegner von Wagner zeichnen. Eberhard Preußner hat
die aus gegenwärtiger Perspektive unzureichende Argumentation folgender-
maßen zusammengefasst: „Der Wagner-Apostel Bruckner mußte natürlich so-
fort bei Hanslick in Ungnade fallen; denn Hanslick liebte Brahms und haßte
Wagner. Dazwischen gab es nichts für ihn.“514
Wenn Ehrlich Hanslicks VMS-Traktat schon sehr früh aus der frucht losen
Verknüpfung mit Wagner gelöst wissen wollte, die die positive Wirkung sei-
nes ästhetischen Standpunktes weiterhin blockiere,515 hat Wapnewski diese
wagnerisch gebundene Rezeption noch etwa 100 Jahre später als ein stetiges
Narrativ der ‚deutschen‘ Musikliteratur bezeichnet.516 Dies wird etwa durch
Liessmann inhaltlich bestätigt, der auch noch im Jahr 2003 diesbezüglich
kommentierte, dass Hanslick „als scharfzüngiger Musikkritiker, Feuilleto-
nist der ‚Neuen Freien Presse‘ und Feind Richard Wagners“ weithin bekannt
sei.517 Wenn die Hanslick-Rezeption in wissenschaftlichen Zusammenhängen
auch nicht immer derart einförmig beschaffen war – so haben schon Faltin
und Karbusicky in den mittleren 1980er Jahren für Hanslicks VMS-Traktat
eine ungenügende Interpretation beanstandet518 –, blieb diese in größeren
Kontexten trotz allem mit Wagner’schen Strömungen bis ins 20. Jahrhundert
(Hausegger, Pfitzner, Strauss) untrennbar verbunden. Inwieweit Hanslicks
Bewertung als Gegenspieler der Neudeutschen im ‚Dritten Reich‘ diskursiv
gefestigt wurde – das die musikalische Spätromantik angeblich treulich tra-
dierte – sowie welch beachtliche Wirksamkeit die dogmatische Aburteilung
seiner ‚formalistischen‘ Musikkonzeption auch nach dem Zweiten Weltkrieg
zeigen sollte, kann hier nicht detailliert behandelt werden. Für die ‚Gefahr‘,
die Hanslicks VMS-Traktat für die nazistische Kunstpolitik scheinbar dar-
stellte, spricht aber eine Polemik gegen Hanslick im Lexikon der Juden in der
Musik von Herbert Gerigk und Theophil Stengel, die mit fast drei Seiten
genauso gründlich ist wie der dortige Vermerk zu Arnold Schönbergs Dode-
kaphonie und die nur von den Ausführungen zu Mendelssohn (4 Seiten) und
Musik des neunzehnten Jahrhunderts, Berlin 1953, S. 128; Hermann Pfrogner, Musik. Ge-
schichte ihrer Deutung, Freiburg/München 1954, S.Â
296; Hans Mersmann, Musikgeschichte in
der abendländischen Kultur, Frankfurt 1955, S.Â
197. Diese Liste könnte durch weitere Bücher
über Berlioz, Brahms, Bruckner, Liszt, Wagner etc. drastisch erweitert werden.
514 Eberhard Preußner, Musikgeschichte des Abendlandes. Eine Betrachtung für Musikliebhaber,
Wien 1951, Bd. 2, S. 607.
515 Ehrlich, Musikästhetik Entwicklung (wie Anm. 99), S. 70.
516 Wapnewski, „Hanslick als Kritiker“ (wie Anm. 171), S. 325; ders., „Hanslick als Darstel-
ler“ (wie Anm. 171), S. 487.
517 Liessmann, „Ästhetik“ (wie Anm. 244), S. 544.
518 Faltin, Musik und Sprache (wie Anm. 243), S. 76; Karbusicky, Musikalische Semantik (wie
Anm. 13), S. 30.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423