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3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption
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Meyerbeer (8 Seiten) übertroffen wird, was Hanslicks weiterhin gegebene
Präsenz eindrücklich demonstriert.519
Dass Hanslicks Ablehnung im ‚Dritten Reich‘ nicht nur mit seiner jüdischen
Herkunft begründet werden dürfte, sondern ebenso darauf beruhte, dass von
ihm bei musikpolitischen Fragestellungen zu Kultur, Nation, Genie etc. immer
die ‚falsche‘ Position bezogen wurde, haben schon Deaville und Stachel einge-
hend aufgezeigt.520 Wenn Hanslicks VMS-Traktat von Louis als „jüdische[ ]
Feuilleton-Ästhetik“ attackiert worden war521 und auch noch Scherwatzky
in den Hanslick’schen Rezensionen nur den „verständnislosen, hämisch-wit-
zelnden Halbjuden“ sehen konnte,522 machte Müller-Blattau implizit deutlich,
wie sehr sich diese nazistische Agitation vor allem daraus nährte, dass dessen
Kritiken gegen Wagners Dramen und die entsprechende romantische Orches-
tertechnik argumentierten.523 Gerigks und Stengels wirksam platzierte Pole-
mik resultiert folglich genauso daraus, dass eben jene neudeutschen Kompo-
nisten, die Hanslick reserviert behandelt hatte, im ‚Dritten Reich‘ besonders
populär waren. Die folgenreiche Denunziation von Hanslicks VMS-Traktat
durch Wagner in Das Judentum in der Musik (Kap. 1.2) und die hiermit ver-
knüpfte Diskussion konnte daher bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts entschei-
dend konserviert werden, was die adäquate Deutung von Hanslicks Argument
im deutschen Sprachraum zusätzlich blockierte. Schon Blume ist durch seinen
MGG-Eintrag für Hanslick apologetisch eingetreten und hat hier eine ana-
loge Diagnose gestellt, die aber ohne die erhoffte Resonanz blieb: „Der bittere
Haß R. Wagners hat den Schwarm seiner Anbeter veranlaßt, Hanslick mit der
verbohrten Engstirnigkeit der Proselyten zu verfolgen. Dadurch wurde der
Fall Hanslick zum Schulbeispiel dafür, wie verfälschende Propaganda über fast
einhundert Jahre hin kaum je nachgeprüften Urteilen zu allgemeiner Geltung
verhilft.“524
Wenn man nach diesem groben Abriss der ‚deutschen‘ Hanslick-Rezeption,
der nur die anfängliche Entwicklung bis ins 20. Jahrhundert nachzeichnet,
nun die ‚englische‘ Aufnahme Hanslicks aus ähnlicher Perspektive betrachtet,
finden sich zwar einige unmittelbare Kongruenzen, aber auch zahlreiche auf-
519 Herbert Gerigk und Theophil Stengel, Lexikon der Juden in der Musik, Frankfurt 1940,
S. 101–104.
520 Deaville, „Through History“ (wie Anm. 29), S. 25–27; Stachel, Ethnischer Pluralismus (wie
Anm. 95), S. 338.
521 Rudolf Louis, Der Widerspruch in der Musik. Bausteine zu einer Ästhetik der Tonkunst auf real-
dialektischer Grundlage, Leipzig 1893, S. 2.
522 Robert Scherwatzky, Die großen Meister deutscher Musik in ihren Briefen und Schriften, Göt-
tingen ³1942, S. 310.
523 Joseph Müller-Blattau, Geschichte der deutschen Musik, Berlin 1938, S. 299.
524 Blume, „Hanslick, Eduard“ (wie Anm. 168), Sp. 1485.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423