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3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick-Diskurse
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‚deutsche‘ Literatur in den 1960er Jahren mit dem genannten ‚Hanslick-Kom-
plex‘ beschäftigt (Kap.Â
2),536 ist der anglophone Musikdiskurs gerade darum be-
müht, Hanslicks Tätigkeit mit neu erstarktem Interesse abzuwägen: Pleasants
Sammlung Eduard Hanslick: Music Criticisms wird beim New Yorker Verlag
Simon and Schuster (1950) erstmals publiziert, Cohens Edition von der Library
of Liberal Arts von Bobbs-Merrill Publishing, Indianapolis (1957) mit einem
neuen Vorwort des analytischen Philosophen Morris Weitz neuerlich aufge-
legt, und alle neun Bände von Hanslicks Anthologie Moderne Oper (1875–1900)
von Gregg International Publishers (1971) nochmals gedruckt.
Wie anfangs erwähnt, haben Poles Buch und die von ihm übersetzten
Textpassagen jedoch auch bewirkt, dass Hanslicks VMS-Traktat nicht nur
als Anti-Wagner-Polemik, sondern ebenso als eigenständige philosophische
Abhandlung gefasst werden konnte. Ohne meiner späteren Erörterung der
analytischen Musikästhetik vorzugreifen (Kap. 5), können vorerst die im deut-
schen Sprachraum bekannten Analogien Hanslicks von Arabeske und Kalei-
doskop (VMS, S. 75–76) benutzt werden, um die sprachlich distinkten Dis-
kursfelder durch einen prägnanten Beispielfall aufzuhellen. Bereits Wagner
hat in der ersten Auflage von Das Judentum in der Musik (1850) gegen einen
vermeint lichen Formalismus Mendelssohns mit dem „Formenreize des Kal-
eidoskopes“ polemisiert, das die musikalische Gefühlsleere des ‚jüdischen‘
Komponisten illustriere.537 Das Bild von Arabeske und Kaleidoskop ist – ob als
direkte Reaktion auf Wagners Polemik, scheint unklar – von Hanslick dann
auch als positive Analogie für die ‚reine‘ Musik genutzt worden538 und hat für
inhaltsbezogene Musikästhetiker schon sehr früh ein förmliches ‚Reizwort‘
dargestellt.539 Bereits Ambros sah die „tönende Arabeske“ Hanslicks als „arti-
ge[n] Einfall, der bei näherer Prüfung wie eine Seifenblase zerplatzt“,540 und
auch noch Busoni hat Hanslick für das „verherrlichte Klang-Tapetenmuster“
536 Dahlhaus, „Musikkritik“ (wie Anm. 312), S. 79; Tschulik, Schriften Hanslick (wie
Anm. 218), S. 5; Fiechtner, „Österreich“ (wie Anm. 312), S. 81; Lesle, Notfall (wie
Anm. 312), S. 140. Vgl.: Wilfing, „Richard Wagner“ (wie Anm. 21), S. 156f.
537 Fischer, Wagners ‚Judentum‘ (wie Anm. 81), S. 164.
538 In späteren Auflagen (1858/1874) wurden weitere Modelle (Körper, Landschaft, Architek-
tur) hinzugefügt, die auf die dynamische Komponente verzichteten: VMS, S. 76.
539 Für mehrere markante Beispiele aus der Mitte des 19. Jahrhunderts siehe hier etwa:
Johann Lobe, Fliegende Blätter für Musik. Wahrheit über Tonkunst und Tonkünstler, Leipzig
1855–1857, Bd. 2, S. 88 und 105; Carrière, Ästhetik (wie Anm. 428), Bd. 2, S. 324; Eckardt,
Vorschule Aesthetik (wie Anm. 429), Bd. 2, S. 15; Georg Gottfried Gervinus, Händel und
Shakespeare. Zur Ästhetik der Tonkunst, Leipzig 1868, S.Â
173; J.Â
H. von Kirchmann, Aesthetik
auf realistischer Grundlage, Berlin 1868, Bd. 1, S. 284; Hans von Zwiedineck-Südenhorst,
Die Aufgabe und die Mittel der Musik, Graz 1868, S. 12.
540 Ambros, Musik und Poesie (wie Anm. 428), S. 49. Vgl.: Stieglitz, Einführung Musikästhetik
(wie Anm. 102), S. 67.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423