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3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith
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aus den Jahren 1751–1764 ansah,600 siedelt Seidel ihn nach dem Jahr 1777 als ein
erhaltenes Bruchstück einer kompletten ästhetischen Abhandlung an.601
Neben seiner generellen historischen Bedeutung ist Smiths Artikel für die
von mir behandelte Problematik primär deshalb instruktiv, da er in deutscher
Übersetzung im kurzlebigen Fachmagazin Geist der neuesten Philosophie des In-
und Auslandes von Karl Adolph Cäsar erschien, das – wie Lothar Schmidt fest-
hielt602 – von Christian Friedrich Michaelis ediert wurde.603 Daher kann eine
zumindest mittelbare historische Verknüpfung mit Hanslicks VMS-Traktat
bestehen, der Michaelis’ Schriften wenigstens teilweise gelesen hat und die
enthaltenen Hypothesen des schottischen Philosophen folglich rezipiert haben
könnte.604 Dies wird etwa von Birgit Klose vermutet,605 aber schon durch
Anselm Gerhard als erwiesene Tatsache behandelt, welche jedoch mangels
historischer Verifizierung hypothetisch bleibt. Die kantianische Musikästhe-
tik von Michaelis – Ueber den Geist der Tonkunst (1795–1800) – wurde durch
Gerhard ohne jede gebotene Rücksicht dergestalt aufgefasst: „Damit ist aber
das Bindeglied präzise bezeichnet, das Hanslicks Musikästhetik an die – unter
anderem von Adam Smith beförderte – klassizistische Musikästhetik zurück-
bindet.“606 Da Michaelis’ Publikation jedoch mehrere Jahre vor der von ihm
nicht selbst besorgten Übersetzung von Smiths Aufsatz entstand, muss eine
solche direkte Ableitung von Hanslicks Argument aus der ‚englischen‘ Diskus-
sion des 18. Jahrhunderts skeptisch betrachtet werden. Eine konkrete Bezie-
hung zwischen Hanslick und Smith ist für mich auch keineswegs grundlegend,
da die anglophone Musikästhetik keinen geschichtlichen Bezugsrahmen für die
600 Palézieux, Lehre vom Ausdruck (wie Anm. 578), S. 165. Wilhelm Seidel hat bei seinem ers-
ten Aufsatz zu Smiths Beitrag diese vermutlich inkorrekte Datierung ebenfalls vertreten,
dann aber bald berichtigt (siehe unten): „Ästhetik des Kunstwerks“ (wie Anm.
592), S.
68.
601 Seidel, „Essay von Smith“ (wie Anm. 592), S. 195. Für Seidels Reserve zu Palézieuxs
Hypothese siehe etwa auch: ders., „Zählt die Musik“ (wie Anm.
592), S.
495f. Vgl.: Klose,
Adam Smith (wie Anm. 598), S. 2; Gerhard, Clementis Klavierwerk (wie Anm. 599), S. 138;
Klein, Musikphilosophie (wie Anm. 64), S. 196.
602 Lothar Schmidt, Christian Friedrich Michaelis: Über den Geist der Tonkunst und andere Schrif-
ten, Chemnitz 1997, S.
311. Vgl.: Klose, Adam Smith (wie Anm.
598), S.
143 und 178; Seidel,
„Essay von Smith“ (wie Anm.
592), S.
196; Gerhard, Clementis Klavierwerk (wie Anm.
599),
S. 310.
603 Geist der neuesten Philosophie des In- und Auslandes 2 (1802), S.
182–228. Wegen seiner fehlen-
den Verbreitung eingestellt, erschien Cäsars Journal trotzdem als dreibändige Buchpub-
likation: Pragmatische Darstellung des Geistes der neuesten Philosophie des In- und Auslandes.
Von K. A. Cäsar, der Vernunftlehre ordentlichem Professor und des großen Fürstenkollegii Kollegi-
aten, Leipzig 1803.
604 Zur ‚deutschen‘ Rezeption der anglophonen Kunsttheorie siehe etwa kurz: Gerhard/
Motte-Haber, „Ausdruck“ (wie Anm. 579), Sp. 1046.
605 Klose, Adam Smith (wie Anm. 598), S. 178.
606 Gerhard, Clementis Klavierwerk (wie Anm. 599), S. 316.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Übersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Übersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Übersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423