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3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound
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capriciousness or humorousness, but surprise or amusement: clearly, how-
ever, this mode of feeling is sufficiently identified with the contemplation of
the quality.“675 Diese Figur, dass eine erregte Emotion keine gespiegelte Emp-
findung sein muss, die adäquate Reaktion auf eine traurige Gestalt also etwa
nicht Trauer, sondern ebenso Mitleid sein kann, ist für die neueste Variante
der ‚arousal theory‘ von Matravers noch immer zentral, was Gurneys Ein-
fluss auf die anglophone Musikdebatte dokumentiert.676 Gurneys ‚Schwenk‘
wird dadurch begründet, dass eine materiale Fixierung von affektiven Qua-
litäten gegeben sei, die nur aus musikalischen Eigenschaften gefolgert werden
können. Wenn Musik auch eine präsentative Kunstform sei und somit keine
externen Parameter imitiere, habe diese trotz allem interne Aspekte, die die
analogische Bezugnahme auf ‚musikfremde‘ Gegebenheiten erlauben würden.
Timbre, Harmonik, Tonarten sowie primär musikalische Dynamismen gestat-
ten assoziative Verbindungen zu menschlichen Eigenschaften (z.B. Stimm-
farbe, Bewegung, Gestik), die emotionale Situationen nahe legen: „Musical
motions express extra-musical moods and feelings through their resemblance
to physical motions.“677
Der zuvor schon angeführte Neologismus „ideal motion“, der Melodie und
Rhythmus als untrennbare Verflechtung kennzeichnet, die letztlich gestatten
würde, den gegebenen Zeitverlauf als organische Entwicklung anzusehen, wird
hier also mit physischer Bewegung und der verknüpften emotionalen Assozi-
ationen unmittelbar kombiniert.678 Gurneys Reserve gegenüber allgemeinen
musikalischen Beschreibungen und objektiven Wertungen – auch ästhetische
Schönheit ist für ihn vorrangig subjektiv679 – führt aber dazu, dass auch diese
675 Gurney, Power of Sound (wie Anm. 634), S. 313.
676 Derek Matravers, „Art and the Feelings and Emotions“, in BJA 31/4 (1991), S. 322–331;
ders., Art and Emotion, Oxford 1998, S. 145–164. Für Kritik an Matravers’ Standpunkt
siehe aber etwa: Aaron Ridley, „Pitiful Responses to Music“, in BJA 33/1 (1993), S.Â
72–74;
John MacKinnon, „Artistic Expression and the Claims of Arousal Theory“, in BJA 36/3
(1996), S. 278–289; Justine Kingsbury, „Matravers on Musical Expressiveness“, in BJA
42/1 (2002), S. 13–19.
677 Gurney, Power of Sound (wie Anm. 634), S. 341. Vgl.: ebda., S. 319–321 (Timbre), S. 321
(Tonart), S.Â
322–324 (Harmonik), S.Â
324–329 (Bewegung/Rhythmik). Für Gurneys Ana-
lysen, die musikalische Eigenschaften mit gefühlsmäßigen Konfigurationen parallelisie-
ren, vgl.: ebda., S.Â
329–334. Zum Ansatz Gurneys, der bei der analytischen Musikästhetik
und dem ‚enhanced formalism‘ weiterhin gefunden werden kann, vgl. Kap. 5.3.
678 Zum Begriff ‚ideal motion‘ vergleiche allgemein: Gurney, Power of Sound (wie Anm.Â
634),
S.Â
150–177. Zu seiner partiellen Unklarheit siehe auch kurz: Wayne Bowman, Philosophical
Perspectives on Music, New York/Oxford 1998, S. 155–157; Kivy, Introduction to Philosophy
(wie Anm. 356), S. 64; Sharpe, Philosophy Introduction (wie Anm. 444), S. 25.
679 Damit steht seine ästhetische Konzeption dem VMS-Traktat Hanslicks entgegen, der in
der zweiten Auflage deutlich festhält: „Das Schöne ist und bleibt schön, auch wenn es
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423