Page - 154 - in Re-Reading Hanslick's Aesheticts - Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
Image of the Page - 154 -
Text of the Page - 154 -
3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption
154
dynamischen Spiegelungen sogleich begrenzt werden, weil eine musikalische
Eigenschaft einen äußerlichen Gegenstand keinesfalls verbindlich ausdrücken
könne, wie von Gurney anhand der simplen Differenz von ‚forte‘ und ‚piano‘
erklärt wird.680 Gurney spricht hierbei von „the effects of marked ‚fortes‘ and
‚pianos‘, which suit all sorts of musical motions, without its being possible to
class them as belonging to, much less as constituting, separate and definable
emotional characters“.681 Während ‚Forte‘-Stellen in gleichem Ausmaß mit
Fröhlichkeit und Traurigkeit assoziiert werden können, passen ‚Piano‘-Stellen
mit Emotionen wie Leidenschaft, Aufregung und Hastigkeit, oder auch mit
bedächtigen Schlafliedern zusammen. Einige Seiten später wird diese funda-
mentale Einschränkung von Gurney nochmals artikuliert: „It is clearly impos-
sible, however, to lay down rules assigning such and such harmonies to such
and such emotional effects, as the same actual harmonic features, in connection
with different forms, may intensify quite different sorts of expressiveness.“682
Dass Gurneys Konzept folglich keinerlei definitive Hypothese zur Verbindung
von Gefühl und Musik anbietet, betonte dann auch Budds Studie Music and
the Emotions, wo Gurneys „habit of freely moving between the idea that music
expresses an emotion if it awakens the emotion and the idea that music expres-
ses an emotion if it suggests the emotion“ kritisch sondiert wird, zumal dieses
Schwanken Gurneys Ästhetik zusätzlich verunklare.683 Dieser Mangel eines
systematischen Gefühlsmodells kann aber damit erklärt werden, dass Gurney
dieses nicht als relevanten Bestandteil seiner ästhetischen Theoriebildung sah
und es also auch nicht detailliert entwickelt hat.
Denn neben seiner kategorisch subjektiven Ausrichtung, die Gurney letzt-
lich verleitet, die sprachliche Beschreibung der musikalischen Komposition
als „an attempt as hopeless as to write English with the letters x y z“ aufzu-
fassen,684 war musikalische Expressivität für ihn ein nur sekundäres Phäno-
men, das den wirklichen Kernpunkt seiner theoretischen Untersuchung nicht
voll traf. Dieser wurde von der sicherlich verwandten, aber dennoch separaten
Thematik gebildet, wie ästhetische Beurteilung prinzipiell beschaffen sei, also
genau welche spezifischen Musikelemente dafür sorgen, dass eine bestimmte
keine Gefühle erzeugt, ja wenn es weder geschaut noch betrachtet wird; also zwar nur für
das Wohlgefallen eines anschauenden Subjects, aber nicht durch dasselbe“ VMS, S. 26.
680 Zur ausgeprägt subjektiven Ausrichtung von Gurneys Ästhetik siehe etwa auch: Gatens,
„Musical Criticism“ (wie Anm. 624), S. 29; Budd, Music and Emotions (wie Anm. 663),
S. 54–56; Sharpe, Philosophy Introduction (wie Anm. 444), S. 23f.
681 Gurney, Power of Sound (wie Anm. 634), S. 321. Vgl.: ebda., S. 350–359.
682 Ebda., S. 324. Vgl.: Budd, „Gurney“ (wie Anm. 629), S. 377.
683 Budd, Music and Emotions (wie Anm. 663), S. 65.
684 Gurney, Power of Sound (wie Anm. 634), S. 336.
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Übersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Übersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Übersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423