Page - 160 - in Re-Reading Hanslick's Aesheticts - Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
Image of the Page - 160 -
Text of the Page - 160 -
3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption
160
dern: Aus Vom Musikalisch-Schönen wurde The Beautiful in Music. Dieser Titel ist
erkennbar unpräzise und widerspricht unmittelbar Hanslicks Intention, da er
gerade keinen universal-abstrakten Schönheitsbegriff (Das Schöne in der Musik)
setzen wollte, der auf die separaten Kunstarten erst nachträglich angewendet
werden könnte, ohne auf die spezifischen Eigenheiten von singulären Gattun-
gen einzugehen. Vielmehr bezweckt Hanslicks VMS-Traktat die puristische
Konzeption einer streng spezifizierten musikalischen Kategorisierung (Vom
Musikalisch-Schönen), die die ästhetische Konstitution der musikalischen Kom-
position en détail klären möchte.712 Besonders prägnant wurde diese wesentli-
che Programmatik mit der zweiten Auflage gefasst, wo er die „knechtische Ab-
hängigkeit der Special-Aesthetiken von dem obersten metaphysischen Princip
einer allgemeinen Aesthetik“ entschieden beanstandet, die mit der gegenteili-
gen Überzeugung konfrontiert wird, dass „jede Kunst in ihren eigenen techni-
schen Bestimmungen gekannt, aus sich sebst [selbst] heraus begriffen sein will.
Das ‚System‘ macht allmälig der ‚Forschung‘ Platz und diese hält fest an dem
Grundsatz, daß die Schönheitsgesetze jeder Kunst untrennbar sind von den
Eigenthümlichkeiten ihres Materials, ihrer Technik“ (VMS, S. 23).713 Hans-
licks Ablehnung der idealistischen Systemästhetik führte ihn auf eine ‚Wiener‘
Position, der etwa auch Grillparzer verpflichtet war (Kap. 1.3) und die für jede
künstlerische Ausdrucksform eine gesonderte Perspektive einfordert, welche
deren intrinsische Divergenzen unangetastet lasse:714
Den übelsten Dienst, den man in Deutschland den Künsten erweisen konnte,
war wohl der, sie sämtlich unter dem Namen ‚der Kunst‘ zusammenzufassen. So
viel Berührungspunkte sie unter sich allerdings wohl haben, so unendlich ver-
schieden sind sie in den Mitteln, ja in den Grundbedingungen ihrer Ausübung.
Am schlimmsten ist hierbei die Musik weggekommen. Den Verfertiger eines
Tonwerkes ‚Ton-Dichter‘ zu heißen, ist nicht um ein Haar vernünftiger als
wenn ich einen Dichter ‚Wörter-Musikant‘ nennen wollte.715
712 Wilfing, „Gefühl und Musik“ (wie Anm. 141), S. 39f.
713 Für die generell objektive Einstellung von formalen Ästhetiken, die hier eine philosophi-
sche Gegenposition zum idealistischen Systemdenken bildet, siehe etwa auch: Lambert
Wiesing, Die Sichtbarkeit des Bildes. Geschichte und Perspektiven der formalen Ästhetik, Rein-
bek 1997, S. 27–46.
714 Die nun folgende Passage wird dann von Hanslick ab der sechsten Auflage aus dem Jahr
1881 beifällig genannt: VMS, S. 23. Grillparzers Bekenntnis zur spezifischen Kunst-
theorie mündete sogar darin, dass er eine ergänzende Abhandlung zu Lessings Laokoon
(„Rossini oder über die Grenzen der Musik und Poesie“) plante: Grillparzer, Werke (wie
Anm. 141), Bd. 3, S. 897.
715 Ebda., S.Â
235. Zu Grillparzer, Hanslick, Lessing sowie einer medial differenzierten Kunst-
philosophie siehe etwa auch: Peter Horst Neumann, „Einige Bemerkungen über Oper
und Volkslied und die Idee der Einheit von Musik und Dichtung von Lessings ‚Laokoon‘-
Fragmenten bis zu Richard Wagner und Heinrich Heine“, in Jahrbuch der Jean-Paul-
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423