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3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986)
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Die Wesensart von Hanslicks Werkbegriff, der für Payzant die Identität von
Kunstwerk und Notation etablierte, ist für die Hanslick-Rezeption keines-
falls folgenlos geblieben, was nun mit mehreren Beispielen aus der analyti-
schen Musikästhetik und der ‚New Musicology‘ belegt werden soll. Rosengard
Subotnik, die postmoderne Arbeitsweisen der anglophonen Musikforschung
maßgeblich beförderte,815 bemängelte hier etwa, dass eine spezielle Hörweise –
das „structural listening“ Adornos, das aus Hanslicks VMS-Traktat unmittel-
bar entwickelt werden könnte – einen exzessiven Stellenwert einnehmen wür-
de, obwohl dadurch lediglich einzelne Spezifika der musikalischen Kompositi-
on erfasst werden können.816 In extremer Steigerung könne daher „structural
listening“ mit „intelligent score-reading without the physical experience of an
external sound source“ ersetzt werden, was aus Hanslicks Vorgaben zwingend
resultiere: „In this respect too, then, structural listening constitutes a cultural
violation, which may do more harm than good to the status of Western art
music. Hanslick did his work well.“817 Auch Philip Alperson behauptete, dass
Hanslicks Definition des Kunstwerks auf den Notentext beschränkt sei, was
ein „equivocal treatment of musical performance“ legitimiere,818 die für Hans-
lick „the aura of a necessary evil“ habe.819 Auch hier geht aber unter, dass eine
‚objektive‘ Methodik Hanslicks Perspektive bestimmt und diese nicht seinen
umfassenden Musikbegriff repräsentiert. Dass solch verkürzte Lesarten nur auf
Payzants Erklärung der „tonally moving forms“ bauen, scheint jedoch frag-
lich, da ähnliche Deutungen bereits früher benutzt wurden: Während Michael
Hicks Hanslicks Argument dahingehend interpretiert, dass „music […] ful-
ly in unplayed works“ existiere,820 rekurriert Arnold Berleant auf Hanslicks
VMS-Traktat, der den sinnlichen Hörvorgang wertschätze.821 Diese diskre-
pante Textdeutung findet sich auch bei rezenten Forschern, wenn etwa Bujić822
815 Zu Subotniks Standpunkt vergleiche prinzipiell: Michele Calella, „Das Neue von gestern
und das was übrig bleibt: ‚New Musicologies‘“, in Calella/Urbanek, Musikwissenschaft
(wie Anm. 206), S. 82–110, hier S. 85–88.
816 Subotnik, „Challenge of Music“ (wie Anm. 272), S. 277–279.
817 Ebda., S. 279. Vgl.: dies., „Toward a Deconstruction of Structural Listening: A Critique
of Schoenberg, Adorno, and Stravinsky“, in dies., Deconstructive Variations: Music and Rea-
son in Western Society, Minneapolis/London 1996, S. 148–176.
818 Philip Alperson, „What Should One Expect from a Philosophy of Music Education?“, in
JAE 25/3 (1991), S. 215–242, hier S. 221. Vgl.: ders., „Improvisation“ (wie Anm. 400),
S. 28f.
819 Alperson, „Formalism and Beyond“ (wie Anm. 351), S. 266.
820 Michael Hicks, „Energeia and ‚The Work Itself‘“, in JAE 21/3 (1987), S.Â
69–75, hier S.Â
70.
821 Arnold Berleant, „The Sensuous and the Sensual in Aesthetics“, in JAC 23/2 (1964), S.Â
185–
192, hier S. 190.
822 Bujić, European Thought (wie Anm. 155), S. 10.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423