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4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte, Vertreter
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Autoren einer solch pauschalen Verortung skeptisch begegnet. Bujić hat zum
Beispiel bemerkt: „Hanslick is often uncritically labelled as a formalist and
the label is used to imply a certain insensitivity to art, […] so that only a bare
structural shell is understood as being important to the critical observer.“871
Botstein sah Hanslicks VMS-Traktat gar als „the most-talked-about and least
understood essay on the ‚true‘ nature of music“, der mit einer „narrow for-
malist agenda“ lediglich habituell assoziiert werde.872 Mit ähnlicher Intention
hat Cook, der Botsteins Beurteilung von Hanslicks Argument als „one of the
most ubiquitously misunderstood concepts in the literature of music“ teil-
te,873 unlängst bemerkt: „Now it has so frequently been claimed that Hanslick
denied music would have emotional or expressive properties, insisting instead
on a formalism based solely on abstract structure, that it has almost become
true. In fact it is not.“874 Zuletzt ist die einseitige Hanslick-Rezeption im eng-
lischen Sprachraum von Ruth Solie besonders prägnant resümiert worden: „In
some quarters, Hanslick is best known for opinions he did not hold; he is often
accused, for instance, of advocating a heartless formalism, as though music
were a kind of audible calculus.“875
Wenn ich die subjektiven ästhetischen Standpunkte und die individuelle
Hanslick-Deutung der zitierten Forscher hier auch nicht genauer erörtere,
wird doch klar, dass ihre abweichenden Auffassungen vor allem darauf beru-
hen, dass ‚Formalismus‘ als abstrakte Kategorie keine verbindlich festgelegte
Bedeutung hat. Wenn dies auch erst später exakter geklärt wird (Kap. 4.3),
sollen schon jetzt mehrere Beispiele genannt werden, welche diesen gewichti-
gen Sachverhalt deutlich machen. Für Mothersill ist das zentrale Moment des
ästhetischen Formalismus der Gedanke, dass Elemente, die Kunstwerk und
Lebenswelt miteinander verknüpfen, übergangen werden sollten,876 für Fisher
besteht selbiger darin, dass künstlerische Formgebung die „only relevant con-
sideration“ sei,877 und für Small meint dieser, dass affektive Regungen mit der
angemessenen Wertschätzung von ‚reiner‘ Musik nichts gemein haben.878 Die
erwähnten Vorschläge, einen überaus diffusen Terminus auf ein einheitliches
Grundprinzip einzugrenzen, sind logisch autark, d.h. jede genannte Defini-
tion kann ohne die beiden anderen bestehen. Wie man bei The Power of Sound
871 Bujić, European Thought (wie Anm. 155), S. 8.
872 Botstein, Music and Public (wie Anm. 308), S. 46.
873 Cook, Schenker Project (wie Anm. 33), S. 50.
874 Cook, Beyond the Score (wie Anm. 256), S. 33.
875 Solie, Music History 6 (wie Anm. 845), S. 160.
876 Mary Mothersill, Beauty Restored, Oxford 1984, S. 222.
877 Fisher, Reflecting on Art (wie Anm. 410), S. 250.
878 Small, Musicking (wie Anm. 526), S. 135.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423