Page - 194 - in Re-Reading Hanslick's Aesheticts - Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
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4. Was ist Ă€sthetischer Formalismus? â Definition, Geschichte, Vertreter
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mit den âschönen KĂŒnstenâ zweifellos nachweist.950 Trotz einer gebrĂ€uchlichen
Interpretation der transzendentalen Kunstphilosophie wird freie Schönheit in
Kants Kritik der Urteilskraft darum niemals höher bewertet als ihr anhÀngendes
GegenstĂŒck, zumal sie nicht mit rationalen Konzepten verbunden ist und die
kognitiven FakultĂ€ten somit nicht gĂ€nzlich auslastet.951 âReineâ Musik â das
von ihm gewĂ€hlte Beispiel des âfreienâ Schönen â ist daher unter allen âschönen
KĂŒnstenâ auĂerordentlich problematisch, da sie stets Gefahr lĂ€uft, angenehme
Unterhaltung darzustellen und folglich zwischen einem âschönen Spiel der
Empfindungenâ und der simplen Reihung von âangenehmen Empfindungenâ
dauernd oszilliert.952
Nach diesem kurzen Abriss zur Kantâschen Kunstlehre kann jetzt seine im
englischen Sprachraum immer stÀrker diskutierte Verbindung zu Hanslicks
VMS-Traktat genauer erörtert werden, die ich durch einen textlichen Ver-
gleich dieser beiden Autoren detaillierter analysieren möchte. Dabei soll etwa
Kivys These â die ein besonders deutliches Beispiel fĂŒr das aktuelle Narrativ
der âenglischenâ Forschung verkörpert â geprĂŒft werden, welche einen direk-
ten Einfluss von Kants Lehre auf Hanslicks Hypothese postuliert: âI do not
think there can be any doubt that Hanslick was greatly influenced by Kantâs
philosophy of beauty.â953 Obwohl in Hanslicks VMS-Traktat und Kants Kri-
tik der Urteilskraft gewiss etliche Àhnlich gelagerte Argumente entdeckt wer-
den können, beruhen derartig universale Diagnosen nie auf erschöpfenden
textkritischen Betrachtungen, sondern machen vielmehr stehende Klischees
der philosophischen Historiographie aus, die genauer erprobt werden mĂŒs-
950 Paul Crowther, The Kantian Sublime: From Morality to Art, Oxford 1989, S. 51â77; Paul
Guyer, Kant and the Experience of Freedom: Essays on Aesthetics and Morality, Cambridge 1993,
S.Â
27â47 und 172â179; Henry E. Allison, Kantâs Theory of Taste: A Reading of the âCritique of
Aesthetic Judgmentâ, Cambridge 2001, S.Â
254â261. Vgl.: Birgit Recki, Ăsthetik der Sitten. Die
AffinitĂ€t von Ă€sthetischem GefĂŒhl und praktischer Vernunft bei Kant, Frankfurt 2001.
951 Guyer, âKantâs Fine Artâ (wie Anm. 894). Vgl.: Bonds, âIdealism and Aestheticsâ (wie
Anm. 847), S. 399; Zangwill, âFeasible Formalismâ (wie Anm. 930), S. 626; Bonds, Music
as Thought (wie Anm. 77), S. 17f.; Paul Guyer, âThe Beautiful and the Good: Aesthetics,
1790â1870â, in The Cambridge History of Philosophy in the Nineteenth Century (1790â1870),
hrsg. von Allen W. Wood und Songsuk Susan Hahn, Cambridge 2012, S. 323â383, hier
S. 331; Zangwill, Aesthetic Reality (wie Anm. 444), S. 8.
952 Kant, Kritik der Urteilskraft (wie Anm. 40), S. 218 (§51, A325). Zum Status der Musik bei
Kant siehe etwa auch: Herbert M. Schueller, âImmanuel Kant and the Aesthetics of
Musicâ, in JAC 14/2 (1955), S. 218â247; Arden Reed, âThe Debt of Disinterest: Kantâs
Critique of Musicâ, in MLN 95/3 (1980), S.Â
563â584; Herman Parret, âKant on Music and
the Hierarchy of the Artsâ, in JAC 56/3 (1998), S. 251â264.
953 Kivy, Introduction to Philosophy (wie Anm. 356), S. 60. FĂŒr eine Ă€hnlich markante Herlei-
tung siehe etwa auch Robert Anderson, der Abeggs Aussage (Kap. 1.2) ungeprĂŒft auf-
greift und hier eine direkte LektĂŒre plausibel machen möchte: âPolemics or Philosophy?â
(wie Anm. 195), S. 74.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, MusikĂ€sthetik, Musik und GefĂŒhl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die âidealistischeâ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die âösterreichischeâ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang â Hanslicks âtönend bewegte Form[en]â 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik â Ăsthetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ăbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone MusikÀsthetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang â Hanslickâsche Rezensionen in Dwightâs Journal of Music 176
- 4. Was ist Ă€sthetischer Formalismus? â Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- AbkĂŒrzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423