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4.2. Hanslick als Feindbild: Bell, Schenker und die ‚New Musicology‘
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sches Musikidiom nicht „properly qualified“.1024 Dieser diskursive Ausschluss
von unliebsamen Musikhörern, die die ästhetische Konzeption des jeweili-
gen Theoretikers gefährden, ist von Levinson im direkten Hinblick auf die
sogenannten „appropriately backgrounded listeners“ freimütig formuliert
worden: „unless we exclude from this class listeners who, though otherwise
experienced in music and adept at its audition, are so infected by formalist
doctrine that they are disinclined to hear or even incapable of hearing music
as expression, we will not get the convergence necessary to sustain any claim
of expressive content in music.“1025 Bereits Johann Christian Lobe nutzte die-
ses ‚Totschlag‘-Argument, das die weitgehende Konvergenz der expressiven
Beschreibung von Musik um den Preis der absichtlichen Ausgrenzung von
kritischen Stimmen leisten möchte, mit analoger Intention: „Wer sich nicht
durch [Musik] erregen lassen will, der braucht sie nicht aufzusuchen, wer
nicht durch sie erregt werden kann, der spreche ihr darum nicht ihre eigen-
thümliche Kraft ab. Nicht ihr fehlt sie, sondern dem so gearteten Hörer.“1026
Es scheint jedoch evident, dass Levinsons Argument problemlos umkehrbar
ist (‚so infected by the emotionalist doctrine that they are disinclined to hear
or even incapable of hearing music as formal structure‘), es seriöse Debatten
durch einen doktrinären Schlussstrich unterbindet und somit ebenso falsch ist
wie Bells These. Da Levinsons Vorschlag zudem einen hermetisch verriegel-
ten Musikdiskurs als eigentliche Zielsetzung unterbreitet, schwächt Levinson
das eigene Modell, das nun – wie Ahonen betonte – als beliebige Setzung
erscheint: „One may wonder […] how convincing the emotive-content claim
is, if only those who have already accepted the claim […] are able to perceive
the specific expressive properties in question.“1027
Für Bell ist die ästhetische Wertigkeit des künstlerischen Gegenstandes
demnach essentiell durch dessen rezeptive Wirkung gegeben – eine Idee, die
Hanslick dezidiert ablehnte (Kap.Â
2.2). Dass Bells Fokus auf die affektive Reak-
tion radikal ausfiel sowie dessen theoretisches Missverhältnis zu Hanslicks
VMS-Traktat wohl kaum deutlicher beglaubigt werden könnte, zeigt unter
anderem folgende Textstelle: „I have no right to consider anything a work
of art to which I cannot react emotionally. […] In pure aesthetics we have
1024 Davies, Musical Meaning (wie Anm. 450), S. 249.
1025 Jerrold Levinson, The Pleasures of Aesthetics: Philosophical Essays, Ithaca/London 1996,
S. 107.
1026 Lobe, Fliegende Blätter (wie Anm. 539), S. 95.
1027 Ahonen, Musical Communication (wie Anm.Â
239), S.Â
89. Vgl.: Dickie, Analytic Approach (wie
Anm. 959), S. 54f.; Robert Wilkinson, „Art, Emotion and Expression“, in Philosophical
Aesthetics: An Introduction, hrsg. von Oswald Hanfling, Milton Keynes/Oxford/Cam-
bridge, Mass. 1992, S. 179–238, hier S. 198; Snyman, „Clive Bell“ (wie Anm. 999), S. 133.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423