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4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte, Vertreter
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ter Vorläufer firmierte, ist unschwer abzusehen, dass diese stark gegenläufige
Entwicklung zur gleichzeitigen Zurückweisung der formalen Ästhetik führen
musste.1080 Hiroshi Yoshida merkte hierzu an: „It appears to me that Hans-
lick has become nothing but, as it were, common enemy of our contemporary
musicologists.“1081
Kermans Einwände gegenüber Schenkers Methodik richteten sich aber nicht
einzig gegen dessen ahistorische Konzeption,1082 deren wunde Punkte von Leo
Treitler überzeugend konkretisiert wurden: Zuerst würde jedes Objekt mit
dem „rationalistic treatment“ der Musikanalyse kontextlos untersucht, die
Schenker’sche Denkrichtung sodann jedoch absolut gesetzt und als ‚natürliche‘
Betätigung ohne historische Bedingungen unterrichtet.1083 Daneben war der
organische Musikbegriff von Schenker, der bei ‚reiner‘ Musik „the movement,
the development, and the dramatic course of a work […] latent in the material“
verortet, sodass dieses „literally impelled from within“ scheint,1084 für Kerman
äußerst kritisch, da die „ideology of organicism“ die thematische Ausarbeitung
als zentrales Kriterium des Werts von Musik sehen wollte: „By removing the
bare score from its context in order to examine it as an autonomous organism,
the analyst removes that organism from the ecology that sustains it.“1085 Dieser
Fokus auf der Entwicklung des Hauptthemas bedingt ebenso die historische
Restriktion des analysierbaren Musikrepertoires, das vom ‚klassischen‘ Musik-
begriff beherrscht wird: „From the standpoint of the ruling ideology, analysis
exists for the purpose of demonstrating organicism, and organicism exists for
the purpose of validating a certain body of works.“1086 Bezüglich Hanslicks
Bedeutung für Schenkers Methodik kann hier eine eindeutige Verbindung zu
VMS betont werden, wo das Thema als „selbstständige, ästhetisch nicht weiter
teilbare musikalische Gedankeneinheit“, als „der wahre Stoff und Inhalt des
ganzen Tongebildes“ gefasst worden ist: „Alles darin ist Folge und Wirkung
des Thema’s, durch es bedingt und gestaltet, von ihm beherrscht und erfüllt“
1080 Levitz, „Absolute Music“ (wie Anm. 784), S. 81.
1081 Yoshida, „Musical Culture“ (wie Anm. 39), S. 180.
1082 Kerman, Challenges to Musicology (wie Anm. 1047), S. 85.
1083 Leo Treitler, „‚To Worship That Celestial Sound‘: Motives for Analysis“, in JM 1/2 (1982),
S. 153–170, hier S. 159.
1084 Charles Rosen, The Classical Style: Haydn, Mozart, Beethoven, London 1971, S. 120.
1085 Kerman, Challenges to Musicology (wie Anm. 1047), S. 65 und 73. Vgl.: ders., „Critics and
the Classics“, in ders., Write all These Down: Essays on Music, Berkeley/Los Angeles/Lon-
don 1994, S.Â
51–72, hier S.Â
55f., sowie vor allem ders., „How We Got Into“ (wie Anm.Â
379).
1086 Ebda., S. 315. Vgl.: ders., Challenges to Musicology (wie Anm. 1047), S. 69–72. Siehe dazu
auch Leo Treitler, Music and the Historical Imagination, Cambridge, Mass./London 1989, der
die enorme Wirkung des organischen Denkmodells auf die musikalische Historiographie
detailliert untersucht.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423