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4. Was ist Ă€sthetischer Formalismus? â Definition, Geschichte, Vertreter
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aus diversen Motiven pejorativ beurteilt wurde â aus nazistischer Perspektive
wegen ihrer brillanten Geistigkeit, die man als âintellektualistisch-formalis-
tische Zergliederungâ wahrgenommen hat;1151 aus marxistischer Blickrich-
tung, da sie die Relation von Musik und âWeltâ komplett verwerfe: âForma-
listischeâ Kompositionen seien regelrecht âkrankhaftâ, fĂŒr das unverdorbene
âNervensystemâ eminent störend und enden zudem mit chaotischen EindrĂŒ-
cken, womit sie die âgesellschaftliche Berechtigungâ gĂ€nzlich verspielt hĂ€t-
ten.1152 FĂŒr die nazistische Interpretation von Hanslicks Hypothese wurde wie-
der die Polemik Wagners zentral, der ihn als theoretische Grundlegung der
âformalistischenâ Instrumentalmusik sah (Kap. 1.2), um âdie moderne jĂŒdische
Musik als die eigentlich âschöneâ Musik aufzustellenâ.1153 Wenn Ă€hnlich ext-
reme Lesarten wegen ihrer ideologischen Beschaffenheit ĂŒbergangen werden,
kann doch schnell gezeigt werden, dass dies mit den Aussagen Hanslicks, seiner
starken Betonung von kĂŒnstlerischer SpontaneitĂ€t (VMS, S. 79f.) sowie seiner
erörterten Hypothese, dass sich einzelne Elemente historisch abnutzen (VMS,
S. 86f.), keinesfalls vereinbar ist. Hanslick verwarf vielmehr eine âformalisti-
scheâ Schaffensweise, die von ihm als schematisch, uninspiriert und monoton
begriffen wurde. Dazu soll hier nur die betreffende Besprechung von CosĂŹ fan
tutte zitiert werden, deren âgeistloseâ Dichtung von damals tĂ€tigen Autoren oft
als âobszönâ erachtet wurde, was Mozarts Schaffen teilweise gehemmt und ihn
zum âweichliche[n] Formalismusâ angetrieben habe: âZahlreiche musikalische
Schönheiten strömen ihr reines, sanftes Licht auch in dieser Partitur aus; leider
sind sie fast durchwegs gleichartigen Charakters und entbehren der contrasti-
renden Schlagschatten.â1154
Diese Deutung Hanslicks basiert jedoch primÀr auf dem unmittelbaren
MissverstĂ€ndnis seines mangelhaft definierten Formbegriffs, den man â wie
bereits erörtert (Kap. 1.6 und Kap. 3.5) â immer wieder aus der inadĂ€quaten
Perspektive der musikalischen Formenlehre las. Neben Keiler hat etwa auch
Portnoy die âtönend bewegten Formenâ als musikalischen Schematismus inter-
pretiert: Musik âwas composed of tonal patterns which were thematically
1151 Karl Gustav Fellerer, EinfĂŒhrung in die Musikwissenschaft, Berlin 1942, S. 122.
1152 NovĂĄÄek, MusikĂ€sthetik (wie Anm. 209), S. 123. Vgl.: Gustav Just, Marx, Engels, Lenin und
Stalin ĂŒber Kunst und Literatur. Einige Grundfragen der Marxistisch-Leninistischen Ăsthetik,
Berlin 1953, S. 34; Meyer, Zeitgeschehen (wie Anm. 214), S. 148f.; Markus, MusikÀsthetik
(wie Anm. 84).
1153 Fischer, Wagners âJudentumâ (wie Anm. 81), S. 177. Diese These ist von Albert Wiesinger,
Mozart und das Christenthum in der Musik, Wien 1892, S.Â
5, oder auch Grunsky, Wagner und
Juden (wie Anm. 82), S. 24, akkurat tradiert worden. Vgl.: Hinrichsen, âHanslick contra
Wagnerâ (wie Anm. 83), S. 79.
1154 Hanslick, Moderne Oper 3 (wie Anm. 81), S. 128. FĂŒr das fachspezifische WortverstĂ€ndnis
âdesâ musikalischen Formalismus vgl.: Danuser, VortrĂ€ge (wie Anm. 270), Bd. 1, S. 308.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, MusikĂ€sthetik, Musik und GefĂŒhl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die âidealistischeâ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die âösterreichischeâ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang â Hanslicks âtönend bewegte Form[en]â 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik â Ăsthetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ăbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone MusikÀsthetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang â Hanslickâsche Rezensionen in Dwightâs Journal of Music 176
- 4. Was ist Ă€sthetischer Formalismus? â Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- AbkĂŒrzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423