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4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte, Vertreter
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for its regularity of pattern.“1160 Dieses Urteil wird noch von Treitler1161 und
Abbate1162 geteilt, die Hanslicks Argument aus der Perspektive der postmoder-
nen Musikwissenschaft als theoretische Grundlegung von Musik als ‚sounding
architecture‘ betrachteten, die die ‚absolutist conception‘ fachlich fundiert hätte.
Die ‚tönend bewegten Formen‘ geraten hiermit zur normativen Konzeption
der mathematischen Regelmäßigkeit als leitender Grundsatz der musikalischen
Komposition1163 – zum „simple pattern- making“1164 und „sonic wallpaper“1165 –,
die als „coherent pattern of rules“1166 und als „order, balance, and architecture
[…] achieved through tones“ gefasst worden ist.1167 Aus einer solch abstrakten
Auslegung hat man zudem immer wieder die Dogmatik Hanslicks abgeleitet,
wie Rienäcker musterhaft nachweist, für den Hanslicks VMS-Traktat eine rein
strukturelle Kunstform favorisiert, „in der vorgegebene Maße im Zeichen des
ewiggültigen Schönen eingehalten, [und] alle jene Momente ausgeblendet sind,
die das Gefüge in Unordnung bringen“.1168 Ahonen hat ebenso bemerkt, dass
Hanslick oft als „‚barren‘, ‚restrictive‘, ‚doctrinaire‘, or ‚aesthetically paranoid‘“
gelesen worden ist1169 und man ihn als puristischen Wertästhetiker einordnete,
der rigoristische Grundmaximen für Komposition und Musikkritik autoritär
festsetzt: „In this sense, musical formalism is taken to be an enemy of artistic
freedom.“1170 Im Rahmen der vorherigen Diskussion von Keilers Analyse zu
Schenkers ‚Geist‘-Essay (Kap. 4.2) konnte jedoch belegt werden, dass eine der-
artige Einengung der künstlerischen Schaffensfreiheit von Hanslick keineswegs
eingefordert wurde, der produktive Spontaneität als essentielle Bedingung der
historisch bedingten Schönheit betrachtet.
Dieses Urteil über Hanslicks Dogmatik erstaunt insofern, als VMS nur
wenige direkte Hinweise darauf enthält, was nun ein einzelnes Musikstück
‚schön‘ werden lässt. Materiale Kriterien werden vielmehr aufgrund negati-
ver Vermerke gegeben, welche zeigen, dass jene eben erörterte Deutung Hans-
licks durch dessen eigene Schrift nicht wirklich gestützt wird: „Keineswegs ist
das ‚Specifisch-Musikalische‘ als blos akustische Schönheit, oder proportionale
1160 Sams, „Hanslick, Eduard“ (wie Anm. 166), S. 151.
1161 Treitler, „Mozart and Music“ (wie Anm. 775), S. 435.
1162 Abbate, Unsung Voices (wie Anm. 1059), S. 17.
1163 Danz, Friedrich von Hausegger (wie Anm. 387), S. 244f.
1164 Shaw-Miller, Visible Deeds (wie Anm. 787), S. 125.
1165 Kivy, Fine Art (wie Anm. 562), S. 348.
1166 Harré, „Emotion in Music“ (wie Anm. 544), S. 116.
1167 Fiona Ellis, „Scruton and Budd on Musical Meaning“, in BJA 41/1 (2001), S. 39–58, hier
S. 50.
1168 Rienäcker, „Hanslick über Brahms“ (wie Anm. 323), S. 16.
1169 Ahonen, Musical Communication (wie Anm. 239), S. 65.
1170 Appelqvist, „Kantian Ethos“ (wie Anm. 381), S. 75.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423